Hg. Martin Affolderbach und Inken Wöhlbrand, 8. neubearbeitete Auflage

Hg. Martin Affolderbach und Inken Wöhlbrand, 8. neubearbeitete Auflage

3. Teil: Islam und Christentum

17. Bibel und Koran (S. 220 – 228)

Wenn man Bibel und Koran vergleicht, stößt man auf zahlreiche Namen, Erzählungen und Themen, die ähnlich sind, aber in mancher Ähnlichkeit auch wieder verschieden.
Der Glaube an Gott, den Schöpfer, gehört zum Kern der Botschaft der Bibel wie auch des Korans. Adam als erster Mensch wie auch der Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies, Noah und der Turmbau werden in beiden Schriften genannt. Personen wie Abraham, Moses, David und Salomo sind ebenfalls gemeinsames Traditionsgut. Der Koran kennt über die in der Bibel genannten Propheten hinaus noch weitere.

Über die Ankündigung der Geburt Jesu durch  Johannes den Täufer und das Wirken Jesu wird auch im Koran berichtet. Doch gleichzeitig warnt der Koran davor, in Jesus mehr als nur einen Menschen zu sehen, und bestreitet seinen Tod am Kreuz ebenso wie seine Auferstehung.

Im Koran haben fast alle Prophetenbücher der Bibel keine Spuren hinterlassen ebensowenig wie die Berichte über die frühen christlichen Gemeinden und die Briefe der Apostel.

Manche Passagen des Korans finden ihre Vorläufer nicht in der Bibel, sondern im Talmud, den rabbinischen Midraschim und frühchristlicher Literatur.

Aus muslimischer Sicht ist der Koran die endgültige Offenbarung, die alle früheren Offenbarungen aufnimmt, wiederherstellt und überbietet. Obwohl im Koran Juden, Christen und Muslime als „Leute des Buches“ bzw. als „Schriftbesitzer“ bezeichnet werden, spielt im Islam der Koran in seiner sprachlichen und materiellen Form als Buch eine besondere Rolle, die vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass der arabische Text eigentlich nicht übersetzt werden kann. Für Christen ist dagegen Jesus Christus die Mitte der Bibel, die als Schrift und Buch von ihm zeugt.

Der Koran kann aus religionswissenschaftlicher Sicht als ein Stück Wirkungsgeschichte der Bibel verstanden werden. Dort, wo jüdische und christliche Überlieferungen aufgenommen werden, werden sie eigenständig akzentuiert und gedeutet.

Im Islam hat sich eine große Tradition der Koranauslegung entwickelt. Obwohl einige Auslegungsmethoden mit denen der jüdischen und christlichen Theologie vergleichbar sind, hat die Koranexegese dennoch einen eigenständigen Weg genommen. Das Ringen um die rechte Auslegungsmethodik bzw. Hermeneutik des Korans ist fester Bestandteil der Diskussion in der islamischen Theologie.  

18. Abraham und Jesus (S. 229 – 245)

Abraham und Jesus sind im Alten beziehungsweise im Neuen Testament zentrale Personen. Beide haben auch im Koran eine hervorgehobene Bedeutung.

Der Begriff der „abrahamischen/abrahamitischen Religionen“ wird häufig verwendet, um Gemeinsamkeiten von Judentum, Christentum und Islam zum Ausdruck zu bringen. Denn alle drei Religionen berufen sich, wenn auch in unterschiedlicher Weise, auf den Stammvater
Abraham.

Nach der alttestamentlichen Überlieferung ist Abraham der Stammvater Israels und wird als Urbild des Gottesvolkes gesehen. Er wird als Erwählter und als „Vater des Glaubens“ bezeichnet, mit dem Gott einen Bund schließt. Er empfängt Gottes Gebot und wird als ein gehorsamer Verehrer Gottes geschildert. Im Neuen Testament steht er für die Erkenntnis der Rechtfertigung alleine durch den Glauben.

Im Koran ist Abraham (Ibrahīm) die nach Mose (Mūsa) am zweithäufigsten genannte Person des Alten Testaments. Der Koran verlegt die Abraham-Erzählungen räumlich nach Mekka, beschreibt ihn als Streiter für den Monotheismus und Muhammad als Propheten in der Nachfolge Abrahams.

Obwohl die Person Abrahams traditionsgeschichtlich  ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Judentum, Christentum und Islam darstellt,  muss zugleich beachtet werden, dass Abraham theologisch gesehen jeweils eine unterschiedliche Rolle spielt und zu keiner tragenden inhaltlichen Gemeinsamkeit führt.

Die für das Christentum grundlegende Gestalt Jesu wird von Muslimen als einer der großen Propheten und Gesandten Gottes verehrt. Die Geburt Jesu (`Isā) wird im Koran anders als in der Bibel beschrieben. Er wird durch ein Schöpfungswort geschaffen, nicht durch den Heiligen Geist gezeugt. Der Koran kennt wie die Bibel für Jesus den Titel Messias (al-Masih), bezeichnet ihn als „Wort der Wahrheit“ und berichtet von seinen Wundern. Nach koranischer Auffassung ist Jesus aber nicht am Kreuz gestorben und auch nicht Gottes Sohn. Deshalb sind Kreuzestheologie wie auch die Versöhnungslehre und die Lehre von der Trinität für den Islam nicht nachvollziehbar und werden daher abgelehnt. In der islamischen Mystik erfährt Jesus größte Wertschätzung als großer Lehrer des Gebets, als gottesliebender Asket und als vorbildlich frommer, demütiger, hilfsbereiter und bescheidener Mensch.

Die theologische Bedeutung Jesu ist - bei gleichzeitiger gemeinsamer Hochachtung seiner Person in Islam und Christentum - einer der wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Religionen.  

19. Jerusalem – die Stadt der drei Religionen (S. 246 – 260)

An keinem anderen Ort der Welt sind Christentum, Judentum und Islam räumlich so eng mit-einander verwoben wie in Jerusalem. Auf weniger als einem Quadratkilometer Raum findet sich eine einzigartige Dichte heiliger Stätten. Dies hat in der Geschichte zu Auseinandersetzungen geführt, die bis in die Gegenwart fortwirken.

Etwa um das Jahr 1000 vor Christus hatte König David die Stadt erobert, in der bis dahin das kanaanäische Volk der Jebusiter ansässig war. Der Tempel wurde zum Zentrum der dreijährlichen Wallfahrtsfeste sowie zum Ziel jüdischer Rückkehr- und Erlösungshoffnungen in den Perioden des Exils. Im Bild des „neuen Jerusalem“ bekam die Wallfahrt zum Zionsberg eine universelle Bedeutung. Die mehrfache Zerstörung des Tempels und Jerusalems hinterließ in der jüdischen Theologie und Frömmigkeit tiefe Spuren.

Für das Christentum hat Jerusalem seine Bedeutung vor allem dadurch, dass Jesus Christus hier wirkte, starb und auferstand. Vom Judentum wurde die Vorstellung des „himmlischen Jerusalems“ übernommen. Vor allem die orthodoxen und orientalischen Kirchen pflegen die Verbindungen zu den „Heiligen Stätten“ und deren spirituellem Reichtum.

Jerusalem ist als Al-Quds auch die Stadt der Muslime. Der zweite Kalif Omar hat 638 die Stadt eingenommen und in einem Schutzvertrag den Christen die weitere Benutzung aller Kirchen und Pilgerstätten sowie freie Religionsausübung zugesichert. Nach islamischer Überlieferung hat Omar selbst auf diesem Areal den Felsen wiederentdeckt, von dem aus Muhammad den Aufstieg in den Himmel begann. Auch wenn der Name „Jerusalem“ im Koran nicht erwähnt wird, wurde diese Stadt für Muslime neben Mekka und Medina zum drittwichtigsten Wallfahrtsort.

Neben Phasen friedlichen Zusammenlebens gab es auch Zeiten unbeschreiblicher Massaker, so vor allem in der Zeit der Kreuzzüge.

Die heutige Situation Jerusalems ist geprägt durch die Gründung des Staates Israel, die kriegsbedingte Teilung der Stadt und die Besatzung Ostjerusalems durch Israel seit 1967. Der Anteil der Christen in der Stadt ist inzwischen auf wenige Prozent zurückgegangen.

Die Frage nach der politischen Zukunft Jerusalems als einer Stadt zweier Völker und dreier Religionen ist eine Schlüsselfrage für die Befriedung des Nah¬ostkonfliktes.

20. Islamisch-christliche Begegnung in der Geschichte (S. 261 – 278)

Seit dem Entstehen des Islam im 7. Jahrhundert leben Christen und Muslime in unmittelbarer Nachbarschaft. Während die politische Geschichte zwischen ihnen weithin durch Gegnerschaft geprägt war, kam es auf der kulturellen und religiösen Ebene trotz tiefgreifender Unterschiede immer wieder zu einem fruchtbaren Austausch.

Aus dem Koran geht hervor, dass die ersten Begegnungen zwischen Christen und Muslimen trotz religiöser Meinungsverschiedenheiten freundlich verliefen. Der Koran enthält jedoch auch kritische Töne gegenüber den Christen. Theologisch kreisten die Auseinandersetzungen hauptsächlich um die Einheit Gottes, die Sendung Jesu und die Frage der Kreuzigung. Im Zuge der politischen Entwicklungen kam es zu vertraglichen Regelungen mit Juden und mit Christen, in denen das Modell der Schutzbefohlenen (dhimmīs) Verwendung fand.

Eine Zeit fruchtbaren kulturellen Austauschs im Spanien des 12. Jahrhunderts ging mit der Eroberung Granadas 1492 zu Ende.

Die Phase der Kreuzzüge, die Befreiung des Heiligen Landes und des Grabes Christi aus den Händen der „Ungläubigen“, führte dazu, dass für Muslime das Kreuz zum Symbol westlich-christlicher Aggression und Barbarei wurde.

Christliche Theologen des Mittelalters wie auch der Reformationszeit waren vom spirituellen Ernst des Islam beeindruckt, lehnten den Islam aber theologisch ab.
Erst in der Zeit der Aufklärung änderte sich die Einstellung gegenüber dem Islam grundlegend. Durch Pilger, Reisende und Kaufleute wurden neue Eindrücke aus dem Orient vermittelt. Umgekehrt kamen Muslime aus dem Balkan in den Westen. Zudem manifestierte sich ein neues Interesse am Islam in der Literatur der Klassik (im Schauspiel „Nathan der Weise“ von Lessing oder dem „West-östlichen Divan“ von Goethe).

Vor allem Briten und Franzosen teilten nach dem Sieg über das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg die „frei“ gewordenen arabischen Provinzen unter sich als „Einflusssphären“ auf und trugen damit zum Entstehen des bis in die Gegenwart andauernden Nahostkonfliktes entscheidend bei. So hat die Periode westlicher Kolonialherrschaft tiefe Wunden im Empfinden der Muslime gegenüber den Christen Europas hinterlassen.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird die Notwendigkeit einer Neubesinnung im christlich-muslimischen Verhältnis erkannt (so im II. Vatikanischen Konzil und in Aktivitäten des Ökumenischen Rates der Kirchen).

21. Zeugnis und Dialog (S. 279 – 293)

Christen und Muslime begegnen einander als Menschen, die beide den Auftrag empfangen haben, ihren Glauben zu bezeugen. Die Geschichte christlich-islamischer Beziehungen ist voll von Versuchen, einander offen oder subtil Beschränkungen in der Praxis und der Bezeugung des Glaubens aufzuerlegen. Dies geschieht auch heute noch. Nur in einem Teil der Länder, in denen Christen und Muslime sich begegnen, ist freie Religionsausübung für alle möglich; in Deutschland ist dies durch das Grundgesetz gesichert.

Im Islam fordert der Koran von allen Muslimen: „Ruf zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und streite mit ihnen auf die beste Art.“ (Sure 16,125) Angelehnt an diese Formulierung bezeichnet die islamische Überlieferung die spontane oder organisierte Bezeugung des Islam vor anderen Menschen als da’wa (Ruf). Alles Werben steht, so der breite Konsens islamischer Lehre, nur so lange in Übereinstimmung mit Gottes Geboten, wie es frei von Gewaltanwendung und äußerem Druck geschieht; denn „in der Religion gibt es keinen Zwang“ (Sure 2,256).

Im Christentum gibt der auferstandene Jesus Christus selbst seinen Jüngern den Auftrag und die Verheißung zur Glaubensverkündigung: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde.“ (Apostelgeschichte 1,8) Dieses Zeugnis soll alle Menschen erreichen, auch Muslime. Unter dem Leitgedanken der Teilnahme an Gottes Sendung in die Welt wurde im Verlauf des 20. Jahrhunderts ein Verständnis von christlicher Mission wieder entdeckt, das sich bewusst von Irrwegen christlicher Missionsgeschichte absetzt.

Sowohl für das christliche wie für das muslimische Selbstverständnis ist wesentlich, dass der Glaube nicht nur in Worten bezeugt wird, sondern mit dem ganzen Leben.
Ein wesentlicher Ort der Begegnung von Christen und Muslimen ist der Alltag ihres Lebens, wo auch immer sie als Nachbarn miteinander wohnen, als Partner in der Arbeitswelt mit-einander zu tun haben oder gemeinsam Familien gründen. Davon zu unterscheiden ist der christlich-muslimische Dialog auf institutioneller Ebene. Im Hinblick auf Themen für den Dialog legt es sich oft nahe, an Fragen und Probleme anzuknüpfen, die sich aus dem alltäglichen Zusammenleben ergeben. Hilfreich ist es, Kriterien für einen gelingenden Dialog zu berücksichtigen. Dabei sollte in Kenntnis des eigenen Standpunktes und im Respekt gegenüber der anderen Seite ein aufrichtiger Dialog geführt werden, der kritisch und selbstkritisch Gemeinsamkeiten und Unterschiede sucht, die Wahrheitsfrage nicht ausklammert und es ermöglicht, ethische Handlungsziele gemeinsam zu verfolgen (siehe 10 Kriterien in der Buchfassung S. 288 - 289).


22. Miteinander feiern und beten? (S. 294 – 299)

Da heute Muslime und Christen in vielen Teilen Deutschlands nachbarschaftlich zusammenleben, entsteht oftmals die Frage nach möglichen gemeinsamen Gebeten und Feiern. Neben dem alltäglichen Zusammenleben in Kindergärten und Schulen sind auch besondere Anlässe wie Familiengründung, Heirat, Geburt und Tod zu bedenken. In Situationen von Krankheit und Unglück kann es vorkommen, dass Muslime ihre christlichen Freunde um Fürbitte vor Gott bitten. Das kann einschließen, dass Muslime und Christen in solchen Situationen wechselseitig an Gebeten und Gottesdiensten teilnehmen, um ihr Mitgefühl, ihre Betroffenheit und ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen.

Im Hinblick auf die Teilnahme an Gebeten oder Gottesdiensten ist zu bedenken, dass es aufgrund theologischer Unterschiede im Gottesverständnis (vor allem im Hinblick auf die Trinität) sinnvoll ist, als Gäste dem jeweils anderen Gebet oder Gottesdienst beizuwohnen. Eine aktive Einbeziehung der Teilnehmenden beispielsweise durch ein Grußwort ist wünschenswert.

Beide, Christen und Muslime, können den besonderen Charakter ihrer Gottesdienste und Gebete nicht aufgeben oder aufheben. Sie können aber mit Interesse und Achtung bei Gottesdiensten und Gebeten der jeweils anderen dabei sein. Dadurch kann der Reichtum der eigenen Tradition entdeckt, Vorurteile gegenüber den anderen überwunden und trotz aller Unterschiedlichkeit Gemeinsamkeiten hinter anfangs noch fremden Formen wahrgenommen werden.

Bei Krisensituationen oder bei Unglücksfällen und Katastrophen kann das dringende Bedürfnis aufkommen, gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden zu beten oder Menschen in Notlagen oder Verstorbener zu gedenken. In Kindergärten und Schulen wird immer öfter auf gemeinsame religiöse Feiern zu Beginn und Abschluss eines Jahres gedrängt. Schließlich wünschen christlich-muslimische Familien zunehmend bei besonderen Anlässen Gottes Segen in einer gemeinsamen religiösen Feier.

Gemeinsames Beten und Feiern mit unterschiedlichen Worten nebeneinander bzw. nacheinander („multireligiöse Feier“) finden weitgehende Zustimmung, ein gemeinsames Gebet („interreligiöse Feier“) kommt aus theologischen Gründen nicht in Betracht.

Wenn der Wunsch nach gemeinsamen religiösen Feiern bei Eheschließungen, Geburten und Beerdigungen geäußert wird, ist dieser ernsthaft zu bedenken; sowohl die Chancen als auch die Grenzen solcher Feiern müssen bedacht werden.

23. Muslimisch-christliches Zusammenleben in Partnerschaft, Ehe und Familie (S. 300 – 312)

Obwohl sich das komplexe Ineinander von sozialen, kulturellen und religiösen Komponenten in jeder religionsverschiedenen Familie anders gestaltet, unterscheiden sich viele der Herausforderungen nicht fundamental von denen anderer Partnerschaften, in denen Menschen verschiedener konfessioneller Herkunft, kultureller Prägung oder sozialer Milieus zusammen-treffen. Die Schwierigkeiten einer muslimisch-christlichen Beziehung können dann zu Chancen werden, wenn sowohl die Alltagsfragen als auch Grundsatzentscheidungen der Lebensgestaltung und Glaubenspraxis bewusst zum Anlass genommen werden, sich über gemeinsame Werte und Hoffnungen oder auch unterschiedliche Überzeugungen zu verständigen.

Detaillierte Informationen über das jeweilige Eheverständnis, die Rechtssetzungen in den beiden Religionsgemeinschaften sowie gegebenenfalls die ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen im Herkunftsland des muslimischen Partners sind daher unabdingbare Voraussetzungen, um schon vor der Eheschließung zukünftige Problemstellungen zu erkennen und mit Hilfe privatrechtlicher Verträge und persönlicher Absprachen bestmöglich abzusichern. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Ehevertrag zu, ohne den eine muslimische Eheschließung nicht wirksam ist. Die religiöse Erziehung der Kinder ist ein wichtiges Thema für religionsverbindende Ehen.

Ob und wie in einer muslimisch-christlichen Familie der interreligiöse und meist interkulturelle Verständigungsprozess gelingt, wie gut Differenzen und Konflikte miteinander bestanden werden, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie bewusst die Partner diese Aufgabe von Anbeginn an gestalten, wie sehr sie bemüht sind, einander in ihrer Andersheit zu verstehen und als gleichwertig zu akzeptieren, und welche Strategien der Verständigung und der Entscheidungsfindung sie entwickeln.

Es ist wichtig, dass Kirchen- und Moscheegemeinden solchen Partnerschaften und Familien nicht mit Skepsis begegnen, sondern sie vielmehr schon in Vorbereitung ihrer Ehe verstärkt begleiten, sie als Familie beheimaten und ihren Beitrag zum Dialog der Religionen wahrnehmen und wertschätzen. Dabei wirkt als verbindendes Element zwischen Christen und Muslimen die gemeinsame Überzeugung, dass die Ehe eine gute Gabe Gottes ist. Zugleich ist festzuhalten, dass nach christlichem Verständnis die Ehe monogam geführt werden soll und auf ein lebenslanges Miteinander angelegt ist. Zu diesen Themen wird auch auf das Kapitel 6 „Familie und Geschlechterrollen“ hingewiesen.

24. Minderheitensituation und Menschenrechte (S. 313 – 322)

Der Islam ist in seinen historischen Anfängen gegen Blutfehden zwischen Familien und Stämmen in seinem Verbreitungsgebiet angetreten. Muslime sind stolz darauf, dass es in ihrer Religion keine rassischen, ethnischen oder sprachlich-kulturellen Unterschiede geben darf, sondern alle Gläubigen einer einzigen Gemeinschaft (umma) in Gleichberechtigung angehören. Wenngleich die historische Realität oft andere Wege gegangen ist, bietet der Islam insoweit eine gute Grundlage für die Akzeptanz entsprechender Menschenrechtsnormen.

Anderes gilt für das Geschlechterverhältnis, die sexuelle Orientierung und die Religion. Traditionell wird den Geschlechtern gleiche Würde zugesprochen, allerdings in einer festgefügten, patriarchalisch bestimmten Rollenverteilung. Erst in der Gegenwart erheben sich zunehmend Stimmen, die eine dynamische Quelleninterpretation im Sinne der Zubilligung gleicher Rechte für beide Geschlechter fordern. Rücksichtslose Verfolgung von Homosexuellen, teilweise bis hin zum Mord, ist in vielen muslimisch geprägten Gesellschaften weitgehend an der Tagesordnung.

Von besonderer Ambivalenz ist die Position des Islam zur Religionsfreiheit. In zahlreichen muslimisch geprägten Staaten ist Glaubensfreiheit zwar verfassungsmäßig garantiert, jedoch faktisch durch andere Rechtsnormen oder Rechtstraditionen eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt. Insbesondere Konversion vom Islam in eine andere Religion wird oft nicht toleriert und teilweise mit großer Härte verfolgt. In einer Reihe von muslimischen Ländern existieren radikale muslimische Gruppen, die auf eine Durchsetzung konservativer Auslegungen der Scharia als alleiniger Rechtsnorm bestehen, was die Rechte von Nichtmuslimen bedroht.

Nach alledem ist die Menschenrechtssituation in weiten Teilen der islamisch geprägten Welt unbefriedigend. Es wäre jedoch verfehlt, dafür in erster Linie die Religion verantwortlich zu machen. Politische, wirtschaftliche und allgemeine kulturelle Rahmenbedingungen prägen die Lage entscheidend.

Freilich hat sich in den letzten Jahrzehnten auch eine religionsbezogene Menschenrechtsdebatte entwickelt. Mehrere islamische bzw. arabische Menschenrechtserklärungen versuchen, ein „eigenes“ Konzept zu entwickeln, das weitgehend auf die als exklusiv „westlich“ verstandenen internationalen Menschenrechtskonzepte reagiert. Soweit sie jedoch einen generellen Scharia-Vorbehalt beinhalten, werden sie dadurch weitgehend entwertet.

Dessen ungeachtet setzt sich zunehmend die Überzeugung durch, dass der Einsatz für Menschenrechte weltweit heutzutage ein gemeinsamer Auftrag für Christen und Muslime ist.

Anmerkung:
Diese Kurzfassung wurde vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und von der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) im Juli 2011 genehmigt. 

Unterrichtsmodelle und didaktische Materialien zum Thema Islam bzw. zur Beziehung Islam – Christentum können im Internet unter anderem unter www.rpi-virtuell.net und in den Datenbanken des Comenius-Instituts recherchiert werden.