Umkehr zum Leben

Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels, Denkschrift des Rates der EKD, 2009, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-05909-9

5. Theologische Orientierung

Leitgedanke: Die Aufgaben, vor die der Klimawandel Regierungen, Gesellschaften, Familien und jeden einzelnen Menschen stellt, sind gewaltig. Um sie zu bewältigen, brauchen wir Zuversicht und Beistand. Gott, der Schöpfer und Erhalter des Lebens, hat im Noah bund sein gnädiges und lebenserhaltendes Ja zu seiner Schöpfung auch angesichts von Sünde und Bosheit der Menschen bekräftigt. Der versöhnende Gott befreit in Jesus Christus zu einem Leben, das sich an den Schönheiten der Schöpfung freut, das Lebensrecht aller Menschen und den Eigenwert der nichtmenschlichen Natur achtet und sich einer Ethik der Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit verpfl ichtet weiß.

5.1 Schöpfungsglaube, Gerechtigkeit und Umkehr

Der globale Klimawandel zerstört natürliche Lebensgrundlagen, verschärft Armut, untergräbt Entwicklungsmöglichkeiten und verstärkt Ungerechtigkeit. Angesichts des Klimawandels geht es sowohl um die Verantwortung für Gottes Schöpfung, als auch um das Leben aller Menschen in Würde und gerechter Teilhabe. "Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen" (Ps 24,1) – dieses Psalmwort bekennt, dass Gott der Schöpfer allen Lebens ist. Der Glaube an Gott den Schöpfer führt zu einer Haltung der Dankbarkeit und Demut, die sich an den Schönheiten der Schöpfung freut und in Achtsamkeit ihr gegenüber lebt. Er bindet den Menschen in eine Lebensgemeinschaft mit allen Geschöpfen ein und weist ihm die Verantwortung zu, der Welt mit Ehrfurcht zu begegnen und sie zu einem bewohnbaren Lebensraum zu gestalten. Der Schöpfungsglaube schließt auch den Glauben ein, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist. Die biblischen Aussagen zur Gottebenbildlichkeit des Menschen (Gen 1,26f.) begründen seine unantastbare Menschenwürde. Hier aus leitet sich auch das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Leben ab, was das Recht aller Menschen auf Nutzung der Schöpfungsgaben mit einschließt.

Im Noahbund hat Gott sein gnädiges und lebenserhaltendes Ja zu seiner Schöpfung auch angesichts von Sünde und Bosheit der Menschen bekräftigt (Gen 8,21f. u. 9,8–17). Dass das Leben auf der Erde immer wieder durch Naturkatastrophen bedroht wird, gehört zu den grundlegenden Erfahrungen der Menschheit, die in den Überlieferungen verschiedener Religionen von der "großen Flut" ihre Verarbeitung gefunden haben. Die Rede von "sintflutartigem Regen" und von der rettenden Arche sind Bilder, die in das Menschheitsgedächtnis eingegangen sind. Auch für das Christentum ist diese Überlieferung von der "Sintflut" im Blick auf das Verhältnis des Menschen zur Natur grundlegend.

Zentral ist hier die Zusage, mit der Gott sich für die Verlässlichkeit und den Bestand der Lebensrhythmen verbürgt und verspricht, die Erde nicht mehr zu zerstören: "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht" (Gen 8,22). Die Flut hat zwar nichts daran ändern können, dass "das Trachten des menschlichen Herzens … böse von Jugend auf" ist (Gen 8,21). Aber Gott will dieser Bosheit nie mehr mit Vernichtung begegnen. Vielmehr schließt er mit dem Menschen einen neuen unauflöslichen Bund, dessen Zeichen der Regenbogen ist (Gen 9,12–17).

Diese Zusage Gottes gilt noch immer, ihr wollen wir auch heute vertrauen. Sie macht uns Mut, uns trotz aller Leben zerstörenden Entwicklungen für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Wir sind als Ebenbilder Gottes berufen, die Erde als bewohnbaren Lebensraum zu bebauen und zu bewahren (Gen 2,15). "Der Mensch wird als Stellvertreter und dialogfähiger Repräsentant der kontinuierlichen und fürsorglichen Herrschaft gesehen. Der Auftrag des Schöpfers weist dem Menschen die Mitverantwortung für eine gedeihliche Nutzung und lebensfördernde Bewirtschaftung der von Gott geschaffenen Lebensräume zu. Vor Gott hat er die Wahrnehmung dieses Auftrages zu verantworten."[73]

Immer wieder sind Menschen diesem Auftrag nicht gerecht geworden und haben sich vor Gott und der Schöpfung schuldig gemacht. Die Bibel erzählt viele Geschichten dieser Verfehlungen, aber auch Geschichten von Gottes Geduld und Güte, mit der er Menschen, die in die Irre gegangen sind, zur Umkehr zum Leben ruft und sie wieder auf den richtigen Weg bringt. Davon zeugen die Geschichten des Alten Testamentes, besonders die Botschaften der Propheten, aber auch die Geschichten des Neuen Testamentes, in denen uns Gottes bleibende Liebe und Güte in Jesus Christus zugesagt wird.

Als evangelische Kirche sind wir davon überzeugt, dass zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels und für die Erhaltung der Lebensgrundlagen für künftige Generationen ein einschneidender Mentalitätswandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nötig ist. Eine solche Wende zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise verlangt nach einer Umkehr, die die Bibel "Metanoia" nennt, eine radikale und umfassende Umkehr.

Wir bekennen, dass wir mit dem in den Industriestaaten vorherrschenden Lebensstil und einem allein auf Wachstum setzenden Wirtschaftssystem dieser Verantwortung gegenüber Gottes Schöpfung nicht gerecht geworden sind. Unser Lebensstil und unsere Wirtschaftsweise tragen dazu bei, dass die Ressourcen der Schöpfung in unverantwortlicher Weise ausgebeutet und Menschen ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Lebenschancen beraubt werden. Damit machen wir uns schuldig vor Gott, seiner Schöpfung und unseren Mitmenschen. Der erste Schritt zur Umkehr muss deshalb sein, dass wir uns unser Versagen eingestehen und es nicht länger leugnen, schönreden oder die Probleme auf Nebenschauplätze verschieben.[74]

Dieses Eingeständnis kann eine befreiende Wirkung haben, weil wir darauf vertrauen, dass Gott uns gnädig ist und dass er uns die Kraft geben kann, wirklich umzukehren und neu anzufangen. Die Gnade Gottes und seine verändernde Macht offenbart sich in einzigartiger Weise im Leben und Sterben seines Sohnes Jesus Christus. In Christus hat Gott die Mächte der Sünde und des Todes überwunden, deshalb müssen wir nicht in unserer Schuld verfangen bleiben. Der Glaube an Jesus Christus, in dem Gott uns trotz aller Sünde unsere bedingungslose Liebe gezeigt hat, befreit zu einem neuen und dankbaren Leben, das der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung dient.

Auch die Schöpfung selbst wird in das erneuernde und befreiende Heilshandeln Gottes einbezogen, denn auch ihr wird die Befreiung von der Knechtschaft und Unterdrückung verheißen (Röm 8,21). Das Heilshandeln Gottes in seinem Sohn Jesus Christus, das die ganze Schöpfung umfasst, ist Grund und Ursprung einer radikalen Umkehr, die mit dem biblischen Wort "Metanoia" beschrieben wird.

"Umkehr" meint hier nicht die Umkehr zu vergangenen vermeintlich besseren Zeiten, sondern im biblischen Sinne die radikale Neuausrichtung auf Gottes Heilszusagen und Gebote. Es geht um Erneuerung des Denkens und Handelns durch den Glauben an das Evangelium Jesu Christi. "Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen möget, was Gottes Wille ist" (Röm 12,2). Umkehr lebt auch aus der Haltung, über Gottes Schöpfung zu staunen und sich an ihrer Schönheit zu freuen. Man kann im ersten Schöpfungsbericht auch übersetzen: "Und siehe, es war sehr schön" (Gen 1,31). Dieser liebende Blick auf die Schöpfung relativiert und begrenzt den Blick des nützlichen Gebrauchs. Wir leben nicht nur aus einer Ökonomie der Schöpfung, sondern auch in einer Spiritualität gegenüber der Schöpfung.

Die Freude und das Staunen über Gottes gute Schöpfung werden in vielen Psalmen beschrieben.[75] "Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast. Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich …" (Psalm 104,1–2). Die Haltung des Lobes des Schöpfers und des dankbaren Staunens über sein Werk erinnert Menschen daran, dass sie von Gott reich beschenkt sind. Diese Haltung ist eine starke und positive Motivation, diese gute Schöpfung Gottes zu bewahren, achtsam mit ihr umzugehen und die Güter der Schöpfung gerecht zu teilen.

"Einzuüben ist ein Lebenswandel, der in Verantwortung vor Gott … für die Bewahrung unserer gemeinsamen natürlichen Lebensgrundlage Sorge trägt. Einzuüben ist ein dem Gedanken der Gerechtigkeit entsprechender Lebenswandel, der die Folgen der eigenen Lebensweise reflektiert."[76]

Dem Gedanken der Gerechtigkeit kommt in der Denkschrift aus zwei Gründen eine besondere Bedeutung zu: Zum einen schränkt der Klimawandel die Lebenschancen vieler Menschen in den Entwicklungsländern massiv ein, verschärft deshalb die globalen sozialen und ökonomischen Ungerechtigkeiten und gefährdet den ohnehin fragilen Frieden. Wenn allen Menschen vor Gott die gleiche Würde zukommt, dann ist diese sich verschärfende globale Ungerechtigkeit von Christen nicht hinnehmbar und ein Anlass, sich für mehr Gerechtigkeit sowie für die Lebensrechte der Schwachen einzusetzen. Zum anderen gehört zur Gerechtigkeit auch die Lastenteilung beim Klimaschutz: In Zukunft sehen sich alle Länder dazu gezwungen, die Sicherung oder die Steigerung ihres Wohlstands vom Emissionswachstum zu entkoppeln. Dabei muss gelten, dass jeder Mensch, ob arm oder reich, zwar dasselbe Recht auf Nutzung der Erdatmosphäre hat, dieses Nutzungsrecht aber begrenzt ist. Damit werden auch die Entwicklungsländer unter einen hohen Innovationsdruck gestellt, bei dessen Bewältigung sie auch aus Gründen der ethischen Verantwortung von den Industrieländern unterstützt werden müssen.

Gerechtigkeit im biblischen Sinne ist zuerst und vor allem eine Gabe Gottes, die den Menschen gerecht macht und ihm seine besondere Würde gibt – trotz seiner Verfehlungen. Gottes Gabe der Gerechtigkeit im Leben und Sterben seines Sohnes Jesus Christus ermöglicht und befähigt zu einem Leben, in dem Menschen einander gerecht werden und in Achtung gegenüber dem Eigenwert der nichtmenschlichen Natur leben. Orientierungsgröße dieser Gerechtigkeit ist Gottes gute Schöpfung und die Würde des Menschen. Gerecht ist demnach das, was dem von Gott geliebten Menschen dient, seine Würde achtet und die Schöpfung bewahrt. Daraus entfaltet sich ein Gerechtigkeitsverständnis, das grundlegend auch für wirtschaftliches Handeln ist und sowohl die Befähigungsgerechtigkeit[77] und die Teilhabegerechtigkeit[78] aller Menschen dieser Erde als auch die Sorge um die zukünftigen Generationen und den achtungsvollen Umgang mit der Schöpfung umfasst.

Der Klimawandel fordert uns als Christen in ganz besonderem Maße heraus, zu einer neuen Lebenshaltung umzukehren. Christus befreit uns aus alten Denk- und Lebensmustern und macht uns fähig zur Umkehr. "Kehret um, und ihr werdet leben"[79] – als Christen können wir im Vertrauen auf Christus diesen prophetischen Ruf hören und ihm folgen.

5.2 Konziliarer Prozess und Option für die Armen

Als ethische Orientierung für eine Umkehr in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft beziehen wir uns auch auf die Leitbilder, die im Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung entwickelt wurden.

Der Konziliare Prozess entstand in den 1980er Jahren als Antwort der Kirchen und Gruppen im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) auf die globalen politischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen, die ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit sowie die Bewahrung der Schöpfung in Frage stellen. 1983 brachten bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver die Delegierten des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) einen Antrag ein, in dem sie bezugnehmend auf Dietrich Bonhoeffers Forderung aus dem Jahr 1934 die Einberufung eines gesamtchristlichen Friedenskonzils forderten. Aus kirchenrechtlichen Gründen verzichtete man in der weiteren Debatte auf den Begriff des Konzils. Außerdem wurde von den Kirchen aus dem Süden daran erinnert, dass für sie die Gerechtigkeitsfrage und die Umweltfrage untrennbar mit der Friedensfrage verbunden seien. Schließlich verpflichteten sich die Kirchen, die unter dem Dach des ÖRK zusammenarbeiteten, in Vancouver zu einem "Konziliaren Prozess gegenseitiger Verpflichtung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung".[80]

Es folgten 1985 in Westdeutschland der Aufruf Carl Friedrich von Weizsäckers auf dem Düsseldorfer Kirchentag, der dem Beschluss von Vancouver mehr Bekanntheit verschaffte, sowie eine Reihe von ökumenischen Versammlungen auf ostdeutscher (1988/89 in Magdeburg und Dresden), westdeutscher (1988 in Königstein und Stuttgart) sowie auf europäischer Ebene (1989 in Basel), die stark von kirchlichen Basisgruppen mitbestimmt und den inneren theologischen und politischen Zusammenhang der Fragen nach Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung reflektierten und konkrete Schritte der Umkehr forderten.[81] Bei der Weltversammlung 1990 in Seoul bekannten die dort versammelten Kirchen: "Wir sind uns gegenseitig rechenschaftspflichtig, wir brauchen einander, um zu begreifen, wer wir vor Gott sind. Eine weltweite geschwisterliche Gemeinschaft wird erst wachsen, wenn wir gelernt haben, aufeinander zu hören, uns mit den Augen der anderen zu sehen. … Der Ruf Jesu zum Leben hatte viele Ausdrucksformen: für die Reichen hieß er, befreit euch von der Macht des Geldes, … die Verzweifelten rief er auf, die Hoffnungslosigkeit zu überwinden, die Privilegierten ermahnte er, ihren Reichtum und ihre Macht zu teilen, … die Schwachen, sich selbst mehr zuzutrauen."[82]

Ebenso aus der Ökumene kam der Impuls zur "Option für die Armen", der auch in Deutschland z. B. im gemeinsamen Wort des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage 1997 aufgenommen wurde und bis heute eine Orientierungsgröße für die christliche Weltverantwortung ist. Es heißt dort: "In der Perspektive einer christlichen Ethik muss darum alles Handeln und Entscheiden in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft an der Frage gemessen werden, inwiefern es die Armen betriff t, ihnen nützt und sie zu eigenverantwortlichem Handeln befähigt. Dabei zielt die biblische Option für die Armen darauf, Ausgrenzungen zu überwinden. … Sie hält an, die Perspektive der Menschen einzunehmen, die im Schatten des Wohlstandes leben."[83] In diesem Sinne ist für ein Verständnis von Gerechtigkeit einzutreten, nach dem allen Völkern des Globus das gleiche Recht zuzugestehen ist, die Schöpfungsgüter zu nutzen. Durch den Klimawandel stellt sich die Frage "Wer ist mein Nächster?" mit neuer Schärfe.

Unser Leben ist endlich und die Güter der Erde sind begrenzt. Deshalb müssen wir sorgsam mit ihnen umgehen. Gott fordert uns heraus, uns auf unsere Grenzen zu besinnen. Daran erinnern uns biblische Traditionen, wie z. B. der von Gott geschaffene Ruhetag, der eine heilsame Unterbrechung des Arbeitslebens darstellt oder auch die Tradition des Erlassjahres, das Besitzverhältnisse in regelmäßigen Abständen neu ordnet und sowohl extremem Reichtum als auch extremer Armut Grenzen setzt. Von den Grenzsetzungen Gottes erzählen auch biblische Geschichten wie die des Turmbaus zu Babel oder des Gleichnisses vom reichen Kornbauern, in denen Gott Menschen in ihrem Streben nach unendlicher Macht und unendlichem Anhäufen von Reichtum in ihre Schranken weist. Eine Lebens- und Wirtschaftsweise, die auf ständiges Wachstum setzt, ist nicht nur gefährlich und unverantwortlich, sondern leugnet auch die von Gott geschaffene heilsame Endlichkeit des Menschen. Letztlich geht es auch darum, dass wir als Menschen das für uns richtige Maß wieder finden und eine neue Ethik der Genügsamkeit einüben.

Nicht erst seit der Finanzkrise, sondern schon lange zuvor gab es in den Kirchen daher den Ruf, Modelle einer "Ökonomie der Genügsamkeit " zu entwickeln.[84] Diesem Ruf hat sich die EKD-Synode 2008 auch in ihrer Erklärung zur Finanzkrise angeschlossen, indem sie feststellt, dass Maßlosigkeit in die Krise geführt hat, und die Wirtschafts- und Klimakrise uns zeigen, dass sich unser Wirtschaftsund Lebensstil ändern müssen.[85] Die Kundgebung der EKD-Synode zum Thema Klimawandel 2008 erwartet diese Änderung des Lebensstils aus der Haltung der Dankbarkeit über die Schönheit der Schöpfung und der Demut, die die von Gott gesetzten Grenzen achtet. "Die Frage nach den Grenzen meiner Möglichkeiten begleitet mich täglich als eine Frage des Schöpfers an mich: Was erlaubst du dir? … Zu lange sind wir alle den Prinzipien der Machbarkeit und der Verwertbarkeit gefolgt. Jetzt bin ich … herausgefordert, mir Grenzen zu setzen; das Lassen zu lernen."[86] Auch wir in der Kirche haben uns zu lange von der Illusion des grenzenlosen Wachstums leiten lassen und sind deshalb auch Teil der problematischen Entwicklung, die wir heute beklagen.

Ist der Ruf nach Umkehr ähnlich vermessen, wie das Beschreiten des Weges, auf dem wir bisher gegangen sind? Gottes eigenes Handeln, das Recht schaff t, erinnert uns daran, dass die Hoffnung auf Gerechtigkeit nicht eine Utopie bleibt, sondern für diese Welt gilt: Friede auf Erden ist eine schon jetzt geltende Verheißung. Wir machen uns schuldig vor Gottes Augen und vor der Welt und leugnen seine befreiende und verändernde Macht, wenn wir als Christen trotz allen Wissens nicht den global und lokal herrschenden Ungerechtigkeiten, den Menschen verachtenden Kriegen und dem aus Maßlosigkeit geborenen Raubbau an seiner Schöpfung entgegentreten. "Kehret um, und ihr werdet leben" – diesen prophetischen Ruf gilt es, zuerst für uns als Kirche zu hören, anzunehmen und ihn zu leben. Dann werden wir als Kirche auch eine Stimme werden, die sich in der Diskussion um die Suche nach neuen politischen und ökonomischen Leitbildern zu Wort melden kann, eine Stimme, auf die andere in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft hören können.

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