Vor 25 Jahren wurde in Hamburg Kirchengeschichte geschrieben

Maria Jepsen war die erste Bischöfin

Sie war die Erste: Maria Jepsen wurde am 4. April vor 25 Jahren zur Bischöfin gewählt. Viele haben minutenlang applaudiert, einige waren auch skeptisch. Doch die Bischöfin der damaligen nordelbischen Kirche überzeugte – und hat bei ihrer zweiten Wahl noch mehr Zustimmung erhalten. Maria Jepsen im Porträt.

Maria Jepsen
Theologin Maria Jepsen im Jahr 2010

Minutenlanger Applaus, ein Blumenmeer und Blitzlichtgewitter: Vor 25 Jahren wurde in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis (Michel) Kirchengeschichte geschrieben. Am 4. April 1992 wählte die Synode der damaligen nordelbischen Kirche die 47-jährige Theologin Maria Jepsen zur weltweit ersten evangelisch-lutherischen Bischöfin.

„Ich verstehe meine Wahl als ermutigendes Zeichen für alle Frauen und Männer, aus alten patriarchalischen Strukturen auszubrechen und Kirche insgesamt offener zu gestalten“, erklärte die Bischöfin. Schon ein Jahr später formulierte die nordelbische Kirche als erste Landeskirche ihre Verfassung in frauengerechter Sprache.

Nach der flächendeckenden Frauen-Ordination in allen Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) schien die Eroberung des Bischofsamtes nur eine Frage der Zeit – und nirgendwo waren die Chancen dafür so groß wie in Nordelbien mit seinem dreigeteilten Bischofsamt.

Eine fortschrittliche, feministische Theologin

Den ersten Versuch unternahm die Kieler Pastorin Rut Rohrandt im November 1990 in Schleswig, verlor aber gegen den späteren Bischof Hans Christian Knuth. Im Sommer 1991 kandidierte Oberkirchenrätin Käthe Mahn (Hannover) in Lübeck vergeblich gegen Karl Ludwig Kohlwage.

Die Sensation gelang Maria Jepsen 1992 in Hamburg. Bereits im ersten Wahlgang erhielt sie 78 von 137 Stimmen, Michel-Hauptpastor Helge Adolphsen bekam 44. Eine Bastion war gebrochen. Am 30. August übergab Bischof Peter Krusche das Amtskreuz. 

Jepsen galt als fortschrittliche, feministische Theologin. Das rief früh den Protest kirchenkonservativer Gruppen hervor, der Untergang des Abendlandes wurde beschworen. Der Tübinger Theologieprofessor Peter Beyerhaus erklärte ihre Wahl zur „schwersten geistlichen Katastrophe“.

Die Stimme der Kirche in die Öffentlichkeit bringen

Doch Maria Jepsen trat ihren Kritikern energisch entgegen. „Wie Kinder fromm und fröhlich sein“, beschrieb sie oft ihr Lebensmotto. Geschlechterprobleme  gehörten „geschwisterlich gelöst“. Wichtiger als die Frage nach Mann oder Frau sei, die Stimme der Kirche überhaupt in die Öffentlichkeit zu bringen.

Jepsen, 1945 in Bad Segeberg geboren, studierte Alte Sprachen und Theologie in Tübingen, Marburg und Kiel. 1972 wurde sie Pastorin in Meldorf (Süderdithmarschen), 1977 wechselte sie nach Leck, nahe der dänischen Grenze. Anfang 1991 wurde sie Pröpstin des damaligen Kirchenkreises Hamburg-Harburg.

„Kirche muss Stimme der Stummen sein“

Als Bischöfin pflegte sie die Basisnähe. Ihre Devise: „Kirche muss Stimme der Stummen sein.“ Unermüdlich war sie in der Stadt unterwegs, besuchte die Aidshilfe, Hospize, Kitas, Krankenhäuser, Seniorenheime, Obdachlosenunterkünfte. Zentral waren der ökumenische und der interreligiöse Dialog. Beste Kontakte knüpfte Jepsen zur katholischen und zur russisch-orthodoxen Kirche. Die Städtepartnerschaft mit St. Petersburg geriet ihr zur Herzensangelegenheit – noch heute besucht sie dort mehrmals im Jahr ihre Freunde.

Im April 2002 wurde sie für eine zweite zehnjährige Amtszeit wiedergewählt und bekam sogar 20 Stimmen mehr als beim ersten Mal. Doch am 16. Juli 2010 erklärte die 65-Jährige ihren Rücktritt. Anfang 2010 waren Fälle sexuellen Missbrauchs durch einen Pastor in Ahrensburg (Kreis Stormarn) bekannt geworden. Der Bischöfin wurde Untätigkeit vorgeworfen - was sie zutiefst erschütterte: „So konnte ich die frohe Botschaft des Evangeliums nicht mehr weitersagen.“

„Ich bummle immer noch Überstunden ab“

Sie ließ sich nicht umstimmen und übernahm die kirchenpolitische Verantwortung. Die traumatisierten Opfer hätten „ein deutliches, sichtbares Zeichen“ gebraucht. Sie habe sich nichts vorzuwerfen, habe aber „Schaden abwenden“ wollen von Kirche und Bischofsamt.

18 Jahre lang war Maria Jepsen Bischöfin. Im September 2010 zog sie mit Ehemann Peter nach Husum. Ihren Ruhestand empfindet sie wie Urlaub: „Ich bummele immer noch Überstunden ab“, sagt die 72-Jährige. 

Seit 2014 engagiert sich die Altbischöfin als Vorsitzende des Freundeskreises für die KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing, ein Außenlager des KZ Neuengamme. Sie besucht Galerien, Ausstellungen, Kunst- und Flohmärkte. Sie liebt den weiten Blick über das Land. Und immer noch liest sie Texte aus dem hebräischen Alten Testament: „Hebräisch ist voller Poesie und durchdringt das Leben bis in den profanen Alltag hinein.“

Klaus Merhof