Präses Kurschus: Kreuz im Gericht kann zu Menschlichkeit mahnen

Frankfurt a.M. (epd). Die evangelische Theologin Annette Kurschus sieht das Kreuz im Gerichtssaal als Mahnung, die Menschlichkeit nicht aus dem Blick zu verlieren. Wenn eine Gesellschaft und ein Staat in diesem Sinne unter dem Symbol des Kreuzes Recht suchten und sprächen, dann sei das ein gutes Zeichen, erklärte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Monatsmagazin "chrismon" (Mai-Ausgabe).

Längst nicht jeder in einem Prozess messe dem Kreuz religiöse Autorität zu, betonte Kurschus, die auch Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ist. Und im Gerichtssaal werde keineswegs im Namen dieser Autorität Recht gesprochen. "Im Gegenteil. Es ist eine der großen humanen Errungenschaften, dass unsere Rechtsprechung nicht mehr so tut, als verfüge sie über höhere Wahrheiten, höchste Einsichten oder gar himmlische Gerechtigkeiten", schrieb Kurschus.

In der Rechtsprechung verbänden sich höchste Verantwortung und begrenztes Wissen. "Das ist ihre Würde und ihre Bürde, ihre Chance und ihre Gefahr - mit einem Wort: ihre Menschlichkeit." Die gekreuzten Holzleisten und die Geschichte, für die sie stehen, könnten genau daran erinnern. Jesus sei im Namen zweier altehrwürdiger Rechtstraditionen, der offiziellen Religion und der öffentlichen Meinung verurteilt worden und sei doch unschuldig gewesen. Die Geschichte hinter dem Kreuz sei so "eine Mahnung vor Selbstüberhöhung und Selbstüberforderung, vor Unmenschlichkeit und Verantwortungslosigkeit".

2. Mai 2016