„Es ist wichtig, dass man zur konstruktiven Mitarbeit kommt“

EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm mahnt im Interview zu sachgerechten Parlamentsdebatten

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sorgt sich vor der Konstituierung des Bundestages um die Debattenkultur im Parlament. Von der AfD erwarte er, dass sie Perspektiven bietet, die zur Lösung von Problemen führen.

Heinrich Bedford-Strohm

Herr Ratsvorsitzender, rund vier Wochen nach der Wahl konstituiert sich der neue Bundestag, mit sechs statt bislang vier Fraktionen. Erstmals ist die AfD im Parlament vertreten. Mehrfach haben Sie in den vergangenen Tagen zu einem angemessenen Ton in der politischen Debatte aufgerufen. Was befürchten Sie?

Heinrich Bedford-Strohm: Ich befürchte, dass statt einer Debatte um die Sache die Attacke im Mittelpunkt steht, die auf die persönliche Beleidigung des politischen Kontrahenten zielt. Gegen scharfe Auseinandersetzung spricht nichts, im Gegenteil: Es ist gut für eine Demokratie, wenn Argumente profiliert werden. Doch jetzt ist es wichtig, dass man vom Protest zur konstruktiven Mitarbeit kommt.

Die rechtskonservative AfD ist mit mehr als 90 Abgeordneten im Bundestag vertreten. Was verändert sich damit?

Bedford-Strohm: Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Partei im Parlament präsentiert. Man muss ihr eine Chance geben. Wenn 60 Prozent der AfD-Wähler diese Partei aus Gründen des Protests gewählt haben, ist die Verantwortung umso größer, nun Perspektiven zu bieten, die zur Lösung von Problemen führen. Basis dafür müssen die Grundorientierungen in unserer Gesellschaft sein.

Das heißt?

Bedford-Strohm: Wenn ganze Menschengruppen von Deutschland ferngehalten werden sollen, weil sie einer bestimmten Religion angehören, muss man sich fragen lassen, wie das mit dem Gebot der Menschenwürde und den hierauf basierenden nationalen und internationalen Rechtsverpflichtungen in Einklang gebracht werden soll. Die Würde von Menschen besteht der christlichen Tradition zufolge unabhängig von Nationalität oder Religion. Deshalb sind konkrete Lösungen dafür zu finden, dass Menschen in Würde leben können – ob in Deutschland oder in anderen Ländern. Das alles muss ergebnisoffen diskutiert werden, ohne Denkverbote. Doch Hetzverbote gibt es! In der AfD wird es Prozesse geben müssen, mit denen man sich klar von extremistischem Gedankengut in den eigenen Reihen distanziert.

„Es gibt keine Denkverbote, aber Hetzverbote.“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (l.). ueberreicht die Martin-Luther-Medaille der EKD an Kardinal Karl Lehmann.
Heinrich Bedford-Strohm Vorsitzender des Rates der EKD

Die AfD hat Albrecht Glaser für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten nominiert, der für Muslime in Deutschland das Recht auf Religionsfreiheit infrage gestellt hat. Ist er aus Ihrer Sicht wählbar in das Amt?

Bedford-Strohm: Die Grundorientierungen der Verfassung sind natürlich Grundlage dafür, dass Menschen im Parlament und anderswo Verantwortung tragen.

Wird die Evangelische Kirche in Deutschland das Gespräch mit der AfD-Bundestagsfraktion suchen, wie es mit den anderen Fraktionen im Parlament üblich ist?

Bedford-Strohm: Wir haben immer gesagt, dass sich Gespräche an Sachfragen entscheiden. Offizielle regelmäßige Treffen sind eine andere Ebene. Auch mit der Linkspartei hat es die lange Zeit nicht gegeben, inzwischen sind wir auf dem Weg dorthin. Offizielle Gespräche mit der AfD kommen jetzt überhaupt nicht infrage. Aber das heißt nicht, dass man nicht Kontakte pflegt und über einzelne Themen ins Gespräch kommt. Das hängt letztlich an den Personen. Hetzreden werden wir durch Gespräche keine Legitimität geben.

Interview: Corinna Buschow und Karsten Frerichs (epd)