Ratsvorsitzender wirbt für „Kultur des Zuhörens“

Am Buß- und Bettag erinnert Heinrich Bedford-Strohm die Parteien an ihre Verantwortung

München/Düsseldorf/Hannover (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat am Buß- und Bettag eine „Kultur des Zuhörens und der Nachdenklichkeit“ gefordert. „Der Bußtag ist ein Tag des Innehaltens. Gelegenheit für jeden einzelnen von uns, nachzudenken über Grund und Ziel unseres Lebens und über das, was wirklich zählt im Leben. Gelegenheit aber auch für unser Land, über die Richtung nachzudenken, die es nehmen will.“

Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche über ein neues Regierungsbündnis ermahnte der bayerische Landesbischof die Parteien, das Gemeinwohl im Blick zu behalten. Das Ausland schaue mit Sorge auf Deutschland, das viel zu verlieren habe, sagte Bedford-Strohm der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. Eine hart erarbeitete politische Kultur von Stabilität und Verlässlichkeit stehe auf dem Spiel.

Internationale Verantwortung

Die kommenden Wochen seien richtungsweisend, betonte er: „Wo kurzfristiges Taktieren und populistische Zuspitzungen das letzte Wort haben, nimmt die politische Kultur Schaden.“ Es gehe auch um internationale Verantwortung. „Ich schließe alle politisch Handelnden in meine Fürbitte ein“, sagte Bedford-Strohm.

Bei einem Empfang nach dem Buß- und Bettagsgottesdienst in der Münchner Matthäuskirche sagte Bedford-Strohm: „In diesen Tagen machen sich viele Menschen Sorgen, wie es in unserem Land weitergehen wird.“ Es sei klar, dass es im politischen Alltag immer auch notwendig sei, „hin und her zu verhandeln, auch mal taktisch zu agieren, Kompromisse zu schließen und möglichst klug Mehrheiten zu gewinnen“, sagte Bedford-Strohm: „Dabei geht es natürlich auch nicht immer zimperlich zu.“

Gemeinwohl im Blick behalten

Aber es sei schon die Frage, was am Ende das leitende Interesse gewesen sei: „Geht es immer nur um die eigenen Interessen, die persönlichen oder die der eigenen Partei?“ Das Ziel des politischen Lebens in einer Demokratie sei das Wohl des Landes und seiner Bürger, unterstrich der Theologe. Er hoffe daher, dass vom Buß- und Bettag ein „kleiner Energiestoß für eine am Gemeinwohl orientierte politische Kultur ausgehen“ werde.

Der protestantische Buß- und Bettag, erstmals 1532 in Straßburg offiziell eingeführt, wurde 1985 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer Sachsen als arbeitsfreier gesetzlicher Feiertag ersatzlos gestrichen. Der Bußtag hat seinen festen Platz im kirchlichen Festkalender jedoch nicht verloren und ist im Leben vieler Menschen nach wie vor fest verwurzelt.