Kirchen appellieren an Moral von Politikern

Gottesdienst zur Eröffnung des neuen Bundestags in Berlin

Gottesdienst zur Eröffnung des Bundestags in der Friedrichstadtkirche Berlin
Bundespräsident Steinmeier, Bundestagspräsident Lammert, Bundeskanzlerin Merkel, Innenminister de Maizière und Landwirtschaftsminister Schmidt (v.l.) beim Feiern des Gottesdienstes.

Berlin (epd). Vor der konstituierenden Sitzung des Bundestags haben Vertreter der beiden großen Kirchen an Moral und Anstand von Politikern im Parlament appelliert. Sie müssten die Menschen erreichen, dürften ihnen dabei aber „nicht nach dem Mund reden“, sagte der Leiter des Katholischen Büros, Karl Jüsten, in einem Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin. „Wir müssen die Wahrheit sagen, wir dürfen die Menschen nicht mit falschen Versprechungen verführen, nicht mit ihren Ängsten spielen, um sie zu vereinnahmen.“

Auch AfD-Abgeordnete, darunter die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, saßen in der Friedrichstadtkirche. Viele fürchten durch die Rechtskonservativen einen schärferen Ton im Parlament. Am Wochenende waren in Berlin mehr als 10.000 Menschen gegen Hass und Rassismus auf die Straße gegangen.

„Nicht Feind, sondern Weggefährte“

Der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, Martin Dutzmann, der gemeinsam mit Jüsten zu dem Gottesdienst eingeladen hatte, warnte die Abgeordneten vor einem „Geist der Furcht“, selbst wenn manche Entwicklung „auch in unserem Land“ besorgniserregend sei. Er forderte dazu auf, im politischen Gegner „nicht den Feind, sondern den Weggefährten“ zu erkennen und nicht auf Pauschalurteile zu verfallen, sondern gute Abwägungen zu treffen.

Zum Gottesdienst waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der dem neuen Parlament nicht mehr angehören wird, und viele Mitglieder des alten Kabinetts, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), gekommen. Die Reihen füllten viele alte, neue und wiedergewählte Abgeordnete aller Fraktionen.

Auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm forderte anlässlich der ersten Plenarsitzung des Parlaments die Einhaltung demokratischer Regeln. Über Sachfragen müsse „ergebnisoffen diskutiert werden, ohne Denkverbote“, sagte Bedford-Strohm in einem Interview. „Doch Hetzverbote gibt es!“ In der AfD werde es Prozesse geben müssen, „mit denen man sich klar von extremistischem Gedankengut in den eigenen Reihen distanziert“.

Der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten sagte, es bleibe abzuwarten, wie sich die AfD im Parlament präsentiere. „Man muss ihr eine Chance geben“, sagte der bayerische Landesbischof: „Wenn 60 Prozent der AfD-Wähler diese Partei aus Gründen des Protests gewählt haben, ist die Verantwortung umso größer, nun Perspektiven zu bieten, die zur Lösung von Problemen führen.“ Basis dafür müssten „die Grundorientierungen in unserer Gesellschaft sein“.