Auf der Flucht im eigenen Land

Es ist ein fast vergessener Konflikt – aber auch innerhalb der Ukraine sind Millionen Menschen auf der Flucht

Es herrscht Krieg in Europa. Als Russland im April 2014 die Krim annektierte, war der Aufschrei groß,  inzwischen berichten nur wenige ausländische Medien. Prorussische Milizen und ukrainische Soldaten bekämpfen sich im ­Osten der Ukraine. Die etwa 500 Kilometer lange Frontlinie zieht sich auch durch ­Wohngebiete. 9500 Menschen starben, 2,3 Millionen wurden vertrieben.

Die Diakonie Katastrophenhilfe im Einsatz in der Ukraine
Die Diakonie Katastrophenhilfe im Einsatz in der Ukraine.

„Als die Leute ihre Häuser verließen, dachten sie, dass sie in ein oder zwei Wochen wieder zurückkehren könnten“, sagt Tetiana Basyuk von der ukrainischen Hilfsorganisa­tion Child Well-Being Fund. Doch da sich der Konflikt hinzieht, sind innerhalb der Ukraine immer noch 1,6 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie wohnen bei Verwandten, hilfs­bereiten Privatpersonen und in Notunterkünften, und es fehle an allem, sagt Tetiana Basyuk: Kochgeschirr, Bettwäsche, Möbel, warme Kleidung für den Winter. Temperaturen von minus 20 Grad sind nicht ungewöhnlich, viele Notunterkünfte aber schlecht isoliert und ohne Heizung.

Interview mit der Ukraine-Referentin der Diakonie Katastrophenhilfe

Die Diakonie Katastrophen­hilfe arbeitet in der Ukraine mit dem Child Well-Being Fund und zwei lokalen Hilfsvereinen zusammen, die Flüchtlinge ­sowie Bedürftige, die noch im Kampfgebiet leben, unterstützen, auch psychologisch. Annette Wiebe, Ukraine-Referen­tin der Diakonie Katastrophenhilfe, spricht im Kurzinterview über die aktuelle Lage.

Sie geben an die Bedürftigen Geldkarten aus. Wie funktioniert das?

Annette Wiebe: Die elektronische Karte wird jeden Monat aufgeladen. Der Betrag hängt von der Größe der Familie ab: pro Person umgerechnet 23 Euro. Zurzeit nutzen 8200 Menschen in Dnipropetrowsk, Charkiw und Donezk die Geldkarte.

Wo können sie damit einkaufen?

Wiebe: Sie können bei einer großen Kaufhauskette so gut wie alles kaufen: Lebensmittel, Alltagsgegenstände, Kleidung. Alkohol und ­Zigaretten sind ausgenommen.

Sind Geldkarten besser als Hilfspakete?

Wiebe: Ja, denn die Menschen erhalten Entscheidungsfreiheit und können genau das be­sorgen, was sie brauchen: Schuhe in der richtigen Größe, fehlende Schulhefte für die Kinder. Die Logistik ist nicht so aufwendig. Und: Es stärkt die lokalen Märkte. Wir setzen die Karten auch in anderen Ländern ein, etwa im Irak, in Kenia oder in der Türkei.

Hanna Lucassen