„Mach's Maul auf“

Drei Ausstellungen in Lippe zeigen Licht und Schatten der Reformation

Ausstellung zur Reformation
Predigtstuhl aus der ehemaligen Klosterkirche Falkenhagen aus dem späten 15. Jahrhundert in der Ausstellung „Machtwort“ im Lippischen Landesmuseum Detmold.

Die Täter hackten ihr gezielt Hände, Nasen und Ohren ab: Die hölzerne Maria-Skulptur aus dem Kreis Höxter wurde das Opfer von sogenannten Bilderstürmern. Sie ist Teil der Reformationsschau „Mach's Maul auf“ im Lemgoer Weserrenaissance-Museum. Die Zerstörungsspuren seien immer gleich, erklärt Museumsdirektor Heiner Borggrefe. Das sei der „Strafkatalog“ im Mittelalter gewesen, nach dem Dieben beispielsweise die Finger abgehackt wurden. In den Städten fühlten sich gewaltbereite Handwerker vor 500 Jahren von der Reformation ermutigt, gegen die alte Kirche und die Obrigkeit aufzubegehren. Der Reformator Martin Luther hatte die Bilderstürmerei damals verurteilt.

Wie unterschiedlich die Auswirkungen der Reformation waren, beleuchten drei miteinander verbundene Ausstellungen in Lippe. Die Schau „Mach's Maul auf“, die am 3. September in Kooperation mit der Lippischen Landeskirche im Weserrenaissance-Museum eröffnet wird, befasst sich mit der Reformation im Weserraum. Die ebenfalls am 3. September startende Ausstellung „Machtwort“ im Lippischen Landesmuseum Detmold zeigt, welche Auswirkungen die Konfessionalisierung auf das Leben in Lippe hatte. Die Schau „Glaube, Recht & Freiheit“, die bereits seit 27. August im Museum Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo zu sehen ist, nimmt die Reformation in Lemgo in den Blick.

Die Reformation im Weserraum

Weltweit sei die Reformation zuerst im Weserraum umgesetzt worden, erklärt Museumsdirektor Borggrefe. Landgraf Philipp der Großmütige in Kassel und Herzog Ernst der Bekenner in Celle führten in den 1520er Jahren Luthers Lehren als erste ein – fast zwanzig Jahre früher als in Sachsen und Sachsen-Anhalt. „Im Weserraum wurden die Ideen zwar nicht geboren, aber hier wurden sie politisch durchgesetzt“, unterstreicht der Museumsdirektor. Das werde jedoch auch an Universitäten oft nicht zur Kenntnis genommen, weil sich der Luther-Mythos so stark in den Vordergrund gedrängt habe.

Mit dem von Martin Luther und anderen Reformatoren angestoßenen Prozess geriet die bisherige mittelalterliche Weltordnung ins Wanken. Im Mittelalter war der Papst der mächtigste Mann der Welt. Die Reformation führte zu einer Spaltung der Kirche.

Eine revolutionäre Auswirkung wird im Detmolder Lippische Landesmuseum an den unterschiedlichen Amtstrachten deutlich. Das liturgische Gewand eines katholischen Priesters in tiefblauem Seidensamt um 1500 ist auf der Rückseite kunstvoll mit Szenen der Kreuzigung bestickt. In der katholischen Kirche sahen die Gläubigen oft nur den Rücken des Priesters, während dieser die Messe zum Altar hin zelebrierte. Die neuen evangelischen Geistlichen trugen hingegen einen schmucklosen schwarzen Talar. Gepredigt wurde nun aber von der Kanzel und der Gemeinde zugewandt.

Der besondere Weg der Grafschaft Lippe

Dabei wurde nicht mehr in der Sprache der höheren Stände – in Latein – gepredigt, sondern auf deutsch. Das sei auch ein Grund dafür, dass die Reformation schnell von vielen aufgenommen wurde, wie Kuratorin Julia Schafmeister erläutert: „Nun verstand es jeder.“ Allerdings sei die Entscheidung für eine Konfession keine persönliche Angelegenheit gewesen, wie das heute der Fall ist. Dafür sei eine Festlegung des Landesherren nötig gewesen, ein „Machtwort“, wie auch die Detmolder Ausstellung überschrieben ist.

Die Grafschaft Lippe nahm hier einen besonderen Weg: Wenige Jahrzehnte nach der Einführung des Luthertums kam es erneut zu einem konfessionellen Wandel. Unter Graf Simon VI. wurde Lippe evangelisch-reformiert, allein die Stadt Lemgo blieb lutherisch. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es für die Lippische Landeskirche den bundesweit einzigartigen Sonderweg, dass es gleichberechtigt zwei evangelische Konfessionen – reformiert und lutherisch – mit zwei leitenden Geistlichen gibt.

„Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör bald auf!“

Die Schau „Glaube, Recht & Freiheit“ im Lemgoer Museum Hexenbürgermeisterhaus beschäftigt sich nicht nur mit der Reformation in Lemgo. Es geht auch um das Zusammenleben von Lutheranern und Reformierten in der Stadt. Das wurde bis ins 19. Jahrhundert durch den sogenannten Röhrentruper Rezess von 1617 geregelt.

Wie sehr der Reformator Luther ein Mann der Praxis war, belegen seine Anleitungen für einen guten Prediger: „Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör bald auf!“ Damit die Predigten nicht ausufern konnten, wurden in den evangelischen Kirchen Kanzeluhren eingeführt: Wenn der Sand durch die Sanduhr gerieselt war, musste auch die Predigt zu Ende sein. Diese Uhren sind auch in den bis zum 7. Januar laufenden Ausstellungen in Detmold und Lemgo zu sehen.

Holger Spierig (epd)


Das Weserrenaissance-Museum Schloss Brake ist von Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 18 Uhr und an Feiertagen auch montags geöffnet.
Das Lippische Landesmuseum ist von Dienstag bis Freitag von 10 Uhr bis 18 Uhr, sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 11 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.
Das Hexenbürgermeisterhaus ist von Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.