„Wir erlebten, was wir nicht zu hoffen gewagt und uns dennoch immer gewünscht hatten“

Jürgen Schmude über seine Amtszeit als Präses der Synode der EKD

Jürgen Schmude bei der Präsentation einer 'Handreichung' des Rates der EKD mit dem Titel 'Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime ​in Deutschland' am 28.11.2006 in Berlin

Jürgen Schmude war von 1985 bis 2003 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seine Amtszeit als Präses überdauerte die 7., 8. und 9. EKD-Synode.

Jürgen Schmudes hintergründiger Humor bei der Leitung der rund zwei Dutzend Synodentagungen zwischen 1985 und 2003 ist geradezu legendär. Und er blitzt auch im Interview wieder auf, etwa bei der Erinnerung an die einzige EKD-Synodentagung auf einer Insel: im November 1996 auf Borkum. Die Wahl war nicht zuletzt wegen der eingeschränkten Möglichkeit, den Tagungsort vorzeitig zu verlassen, auf die Nordseeinsel gefallen. „In der Tat gab es auch hier wieder Teilnehmer, die aus wichtigen Gründen zu Terminen aufs Festland mussten, bei denen sie unabkömmlich waren. Auf dem Weg zu Hafen und Fähre hatten sie aber die Rechnung ohne den kräftigen Sturm gemacht und kehrten mittags wieder ins Tagungshaus zurück.“

„In Borkum haben wir unter anderem ein Thema beraten, das bis in die Politik Wellen schlug: die Aufhebung der Kriegsgerichtsurteile aus dem Zweiten Weltkrieg. Fahnenflüchtige aus der Nazi-Zeit galten immer noch als vorbestraft. Die EKD-Synode erkannte, dass diese Menschen den Befehl verweigerten, weil sie nicht an an einem verbrecherischen Angriffs-und Vernichtungskrieg beteiligen sein wollten. Der Bundestag beschloss später, wie es die Synode vorgeschlagen hatte.“

Mauerfall während der Synodentagung

Ähnlich denkwürdig war die Synodentagung im November 1989 in Bad Krozingen. Am Morgen des dritten Tages wurde die Sitzung mit der Meldung eröffnet, dass die Mauer gefallen sei. „Eigentlich sollte es um das Thema ‚Frauen in der Kirche‘ gehen“, erinnert sich Schmude. „Aber an diesem Morgen waren die Synodalen von den Ereignissen in der DDR tiefbewegt: wir erlebten, was wir nicht zu hoffen gewagt und uns dennoch immer gewünscht hatten.“

In 18 Jahren an der Spitze der EKD-Synode hat Schmude viele beeindruckende Menschen erlebt, von denen er unter anderem Bischof Martin Kruse erwähnt oder den langjährigen hannoverschen Landesbischof Horst Hirschler. Und eine dringende Empfehlung des südafrikanischen Erzbischofs Desmond Tutu in einer Sitzung des Rates der EKD hat Schmude nicht vergessen: „Haltet bloß an der Kirchensteuer fest. Die beachtlichen Hilfen für afrikanische Kirchen könnt ihr sonst doch kaum noch leisten.“

Michael Eberstein / EKD