„Eine Botschaft an die Welt“ – Lehren des 20. Juli 1944

Der Sohn des Widerstandskämpfers Caesar von Hofacker erinnert an die Geschichte seines Vaters und seine eigene

Ausstellung zum Hitler-Attentat 1944 m Militaerhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden 2019

Im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden erinnert zurzeit eine Ausstellung an das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Unter anderem durch eine raumgreifende Fotocollage mit knapp 80 Fotos werden die Besucher in das Jahr 1944 zurückversetzt.

Bad Sachsa/München (epd). Wenige Menschen sind mit dem 20. Juli 1944 so eng verbunden wie Alfred von Hofacker. Der heute 84-jährige Sohn des Widerstandskämpfers Caesar von Hofacker (1896-1944) wurde nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler und einem zeitgleichen Putschversuch seines Vaters in Paris zusammen mit 45 Kindern beteiligter NS-Widerstandskämpfer verschleppt und in einem Heim in Bad Sachsa am Harz interniert. Er wolle weiter die Geschichte seines Vaters und auch seine eigene erzählen, sagt er: „Ich werde nicht müde auch angesichts mancher Geschichtsvergessenheit und der wieder lauter werdenden Stimmen von rechts.“

Caesar von Hofacker, Reserveoffizier der Luftwaffe, war ein Cousin des Hitler-Attentäters Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944). Vor 75 Jahren leitete er am 20. Juli 1944 in Paris die dortigen Aktionen zum Staatsstreich gegen das Hitler-Regime. Sie waren wie Stauffenbergs Attentat ein Teil der „Operation Walküre“, dem bedeutendsten Umsturzversuch des militärischen Widerstandes in der Zeit des Nationalsozialismus. Ohne diese Hintergründe zu kennen, erlebten die „Kinder des 20. Juli“ in der Folgezeit vor allem den Schock, von ihren Familien getrennt zu werden, sagte Alfred von Hofacker, der heute in Icking bei München lebt, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Vom glühenden Nationalsozialisten zum Widerstandskämpfer

„Wir Kinder wussten nicht einmal, warum wir überhaupt in Bad Sachsa waren“, sagt Hofacker. Nach und nach hätten sie durch Zufall herausgefunden, dass sie durch den Namen Stauffenberg verbunden waren. „Jeder von uns ist mit Heimweh-Wellen zusammengebrochen. Ich selbst habe oft abends im Bett geweint.“ Dennoch hätten sich die Kinder irgendwie mit ihrer Situation arrangiert: „Wir hatten irgendwie das Gefühl, verwandtschaftlich befreundet zu sein.“

Erst viel später habe sich Hofacker mit den Beweggründen des Widerstands befassen können. Nach dem Tod seiner Mutter habe er Aufzeichnungen des Vaters gefunden. Die Dokumente hätten ihn lange beschäftigt. „Natürlich fragt man sich, was einen Vater von vier Kindern zu so etwas treibt“, sagt Hofacker. Er habe in mühevoller Kleinarbeit das Menschenbild seines Vaters rekonstruiert. „Dabei habe ich gelernt, dass ich im Grunde zwei Väter hatte.“ Ein anfangs glühender Verehrer der Nationalsozialisten habe sich in einen überzeugten Widerstandskämpfer gewandelt.

Weder Verräter noch Helden

Lange Zeit galten die Verschwörer zunächst als Verräter, später wurden sie als Helden stilisiert. Alfred von Hofacker sagt heute, sein Vater Caesar von Hofacker sei nichts davon gewesen: „Er war ein couragierter Zeitgenosse – einer, der in vollem Bewusstsein um die Konsequenzen versucht hat, aus seinen Fehlern zu lernen.“ Er wurde nach dem gescheiterten Umsturzversuch in Paris verhaftet. Die Nationalsozialisten betrachteten ihn als „Kopf des Putsches“ in Frankreich. Er wurde am 30. August 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 20. Dezember desselben Jahres in Berlin-Plötzensee erhängt.

Seiner Mutter habe der Vater einmal eröffnet, dass er die Chancen für einen Erfolg des Attentats und Umsturzes bei zwei Prozent sehe. „Zwei Prozent Hoffnung“, sagt Alfred von Hofacker. Es sei dem Widerstand aber um weit mehr als Erfolg gegangen. „Es war meinem Vater und den anderen wichtig, ein Zeichen zu setzen. Eine Botschaft an die Welt, dass es auch noch ein anderes Deutschland gibt.“

In diesem Geiste wirkten das Attentat und der Widerstandskampf bis heute nach. Es müsse immer Menschen geben, die für die eigene Überzeugung einstehen und gegen Unrecht die Stimme erheben, mahnt Hofacker. „Genau aus diesem Grund sollten wir nie mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte abschließen, sondern immer bereit sein, daraus zu lernen.“

Björn Schlüter (epd)


Die Dauerausstellung: „Unsere wahre Identität sollte vernichtet werden“ in Bad Sachsa dokumentiert die Schicksale der nach dem 20. Juli 1944 dorthin verschleppten Kinder und Jugendlichen. Ihre Väter waren am Attentat auf Hitler beteiligt oder Anhänger des Nationalkomitees Freies Deutschland“ in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Die Ausstellung ist Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr und am Samstag von 10 bis 14 Uhr geöffnet.