Engagement für Frieden und Gerechtigkeit: Friedrich Schorlemmer wird 75 Jahre

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm gratuliert dem streitbaren Theologen und Publizisten

Friedrich Schorlemmer kurz vor seinem 75. Geburtstag in seinem Arbeitszimmer

Friedrich Schorlemmer war einer der bekanntesten DDR-Bürgerrechtler und hat sich sein Leben lang für Frieden und Gerechtigkeit eingesetzt. Am 16. Mai 2019 feiert er seinen 75. Geburtstag. Er will sich weiterhin in politische Diskussionen einmischen und ist überzeugt, dass „immer mehr erreichbar ist als wir denken, wenn wir Zuversicht und den Mut zum Dafür behalten.“

Wittenberg (epd). Friedrich Schorlemmer schlägt das Buch auf und zeigt auf das Bild eines Holzschnittes, der auf den kritischen Zustand der DDR 1989 verweist. Nach 40 Jahren SED-Herrschaft kam sie damals an ihren Endpunkt. Die friedliche Revolution führte zum Fall der Mauer und zur Wiedervereinigung. 30 Jahre ist das nun her. Schorlemmer spricht von einem „großen Erbe und historisch einmaligen Ereignis von nicht zu unterschätzender Bedeutung“. Der Publizist und evangelische Theologe war einer der bekanntesten DDR-Bürgerrechtler. Für Frieden und Gerechtigkeit hat er sich zu allen Zeiten engagiert – und ist bis heute nicht still. Am 16. Mai wird Friedrich Schorlemmer 75 Jahre alt. „An diesem besonderen Tag denke ich nun voller Dankbarkeit an all Deine Impulse für Kirche und Gemeinwesen“, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in seinem Geburtstagsgruß. „Und für allen persönlichen Austausch, den wir miteinander haben.“

Christliches Elternhaus war prägend

Geboren wurde Friedrich Schorlemmer am 16. Mai 1944 im brandenburgischen Wittenberge und wuchs als eines von sechs Geschwistern in Werben in der Altmark auf, einer kleinen, idyllischen Ortschaft an der Elbe. Seit mehr als 40 Jahren lebt er inzwischen in der Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Wenn er sich dort an den Schreibtisch in seiner großen Altbauwohnung setzt und den Computer anschaltet, erscheint als Hintergrundbild die Silhouette des heimatlichen Werben, die St. Johanniskirche ragt heraus. Schorlemmer zeigt auf einen Baum daneben, den er mit seinem Vater pflanzte. Weil er aus einem christlichen Elternhaus stammte, sein Vater war Pfarrer, blieb ihm das Abitur an der Erweiterten Oberschule verwehrt, doch legte er es an der Volkshochschule ab.

Die Bücherregale in seiner Wohnung sind bis unter die Decke gefüllt: Hilde Domin, Christa Wolf, Wolfgang Borchert, Volker Braun, Heinrich Böll. Bücher stapeln sich wie auch Schallplatten, Aktenordner und die vielen Erinnerungsstücke auf den Schränken. Seine Liebe zur Literatur führt Schorlemmer vor allem auf seinen Vater zurück, der ihm nicht nur Geschichten erzählte, sondern ihm auch Bücher gab, die ihn zu einem aktiven Pazifisten werden ließen, wie er sagt. Das einzige Machtwort seiner Mutter, an das er sich erinnert, hing mit der Überlegung zusammen, in den Westen zu gehen: „Entweder wir gehen alle oder keiner“, soll sie dem Jungen gesagt haben. Schorlemmer blieb, verweigerte den Wehrdienst und engagierte sich.

Noch immer mischt Schorlemmer sich wortgewaltig ein

Von 1962 bis 1967 studierte er Theologie in Halle, arbeitete erst in den Franckeschen Stiftungen und danach als Studentenpfarrer in Merseburg. Seit 1978 lebt er in Wittenberg, war Dozent am Evangelischen Predigerseminar und Prediger an der Schlosskirche, von 1992 bis 2007 Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Noch immer beteiligt sich Schorlemmer an Diskussionen, mischt sich wortgewaltig ein. Auch während der großen Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum 2017 hielt er mit seiner Kritik nicht zurück. Zum Tag der deutschen Einheit, am 3. Oktober 2019, wird Schorlemmer im Berliner Dom predigen. „Ich bin gefragt worden“, sagt er und lächelt.

Zwei politische Ereignisse haben ihn nach eigenen Worten besonders geprägt, der Prager Frühling 1968 und einige Jahre zuvor vor allem der 13. August 1961, der Tag des Mauerbaus. „Jetzt bist Du eingesperrt. Wie richtest Du Dein Leben ein, wenn Du keine Alternative mehr hast? Das ist mir sehr nah gegangen“, sagt er rückblickend. Seit den 1970er Jahren engagierte er sich in der Friedens- und Umweltbewegung in der DDR.

„Europa ist ein großes Friedensprojekt“

International bekannt wurde der Pfarrer 1983 mit der symbolträchtigen Umschmiedung eines Schwertes zu einer Pflugschar in Wittenberg. Bei der Großdemonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz gehörte auch Schorlemmer zu den Rednern. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Carl-von-Ossietzky-Medaille, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das Bundesverdienstkreuz.

Was ihn heute noch antreibt? „Dass wir es verpasst haben, ein wirklich vereintes Europa zu schaffen.“ Europa sei ein großes Friedensprojekt, sagt er. „Wir müssen alles dafür tun, dass nur demokratische Parteien Mehrheiten bekommen.“ Der Frieden in Europa könne aber nur dauerhaft gewonnen werden, wenn Russland nicht außen vor bleibe. Beim Aufschlagen der Zeitung springt ihn ein Bericht über den Rückgang der Artenvielfalt an.  „Ökologisch sitzen wir alle in einem großen Schuldtanker“, sagt er. Er kann sich schnell in Rage reden, wenn er etwas betonen möchte, schlägt er mit Nachdruck mit der Hand auf den Tisch.

Schorlemmer sieht sich als Sozialdemokrat und als Christ, nicht vorrangig als Mitglied einer politischen Organisation. „Ich trage eine Überzeugung mit mir, die mich orientiert, die mich fordert, die mich stärkt, die mich kritisch und selbstkritisch macht.“ Daraus kommt auch seine Überzeugung, dass „immer mehr erreichbar ist als wir denken, wenn wir Zuversicht und den Mut zum Dafür behalten“, sagt Schorlemmer mit Verweis auf Willy Brandt. Schorlemmer will sich auch künftig einmischen. Denn er ist überzeugt: „Frieden ist möglich.“

Romy Richter (epd)