Theologin Petra Bahr: Judenfeindlichkeit im Alltag widersprechen

Bahr beobachtet zurzeit eine „Rückkehr des Antisemitismus“ in den öffentlichen Debatten in Deutschland

Die Beauftragte für Freiwilligendienste der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr

Petra Bahr, hannoversche Landessuperintendentin und frühere Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Hannover (epd). Die evangelische Theologin Petra Bahr hat zum konsequenten Protest gegen Antisemitismus im Alltag aufgerufen. „Es würde helfen, wenn alle Menschen in ihren Alltagsgesprächen hochsensibel auf judenfeindliche Äußerungen achten und widersprechen, statt sich auf die Zunge zu beißen“, sagte Bahr dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf die jüngsten antisemitischen Vorfälle in Deutschland. „Denn das Fatale ist, dass es nicht beim Sprechen bleibt, sondern dass daraus ein Handeln folgt“, sagte die hannoversche Landessuperintendentin und frühere Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

In der vergangenen Woche war ein jüdischer Professor in Bonn von einem arabischstämmigen Mann angegriffen und beleidigt worden. Zuvor hatte es bereits andere judenfeindliche Vorfälle unter anderem in Berlin gegeben. Bahr beobachtet zurzeit eine „Rückkehr des Antisemitismus“ in den öffentlichen Debatten in Deutschland. „Das geht quer durch alle politischen Lager bis in den Alltag hinein.“

„Die Kirche muss sehr sensibel mit ihren eigenen Sprachtraditionen umgehen“

Dabei treffe ein mitgebrachter Judenhass von Einwanderern auf einen alten und „immer wieder revitalisierbaren Antisemitismus“ in der deutschen Gesellschaft, sagte die Theologin. Sie kritisierte eine „Enthemmung des Sprechens“ im öffentlichen Raum: „Man hat eine besonders große Freude daran, Dinge auszusprechen, die eigentlich nicht gehen.“

In der Gesellschaft gebe es derzeit „eine große Sehnsucht nach einer Art Schlussstrich unter unsere Geschichte“, sagte Bahr. Das werde dann oft eingeleitet mit Sätzen nach dem Motto „man wird doch noch mal sagen dürfen“ oder als Israel-Kritik getarnt. Doch die „barbarischste Phase der deutschen Geschichte“ habe eine Nachwirkung über mehrere Generationen, mahnte die Regionalbischöfin: „Es ist eben noch nicht lange genug her, es holt uns immer wieder ein.“

Bahr appellierte auch an ihre eigene Institution, die Kirche, jeder Form von Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten. „Die Kirche muss sehr sensibel mit ihren eigenen Sprachtraditionen umgehen“, sagte die Landessuperintendentin: „Und sie darf sich nicht nur in Sonntagsreden an die Seite der jüdischen Gemeinden stellen, um dann aber beim Thema Schächten oder Beschneidung plötzlich wieder in die Stereotypen-Kiste zu greifen.“

epd-Gespräch: Michael Grau