„Die Vielfalt ist ein Reichtum, der unsere Kirche zunehmend prägt“

Volker Haarmann von der Kirche im Rheinland spricht über die vielen Möglichkeiten einer Taufe

Taufe eines Jugendlichen in der Elbe bei Dessau
Pfarrer Stephan Groetzsch tauft einen Jugendlichen in der Elbe bei Dessau.

Herr Haarmann, Sie sind Vater zweier Söhne im Kindergarten- und Grundschulalter. Sind Ihre Jungs getauft?

Volker Haarmann: Ja, sie sind in unserer Heimatgemeinde als kleine Kinder,beide im Alter von knapp einem Jahr, getauft worden. Das stand für meine Frau und mich auch nicht in Frage.

Dann ist das Säuglingsalter der richtige Tauf-Zeitpunkt?

Haarmann: Den richtigen Zeitpunkt für die Taufe gibt es nicht. Es gibt Gründe, die Menschen bewegen, ihre Kinder taufen zu lassen, wenn sie ganz klein sind. Das hat eine lange Tradition in unserer Kirche. Es gibt heute aber auch zunehmend Gründe, Menschen in einem anderen Alter an die Taufe heranzuführen. Das möchte ich nicht gegeneinander ausspielen.

Warum überlassen Eltern immer öfter die Taufentscheidung ihren Kindern?

Haarmann: Das hat sicher mit einem generellen Trend zu tun, der eine Liberalität oder Neutralität Kindern gegenüber einfordert.

Dieser Spur folgen Sie nicht?

Haarmann: Persönlich halte ich das nicht für stimmig. Wir haben als Erwachsene immer eine Haltung. Das spüren Kinder, davon lernen sie und daran wachsen sie. Auf uns als Familie bezogen gehörte die Säuglingstaufe dazu – als Segnungsgottesdienst für unsere Kinder, aber auch als Dankgottesdienst für uns Eltern. Dass wir ein Fest des Lebens feiern, ist für mich auch ein Aspekt der Taufe.

Die Taufe ist in gewisser Weise eine Zeichnung fürs Leben, nicht mehr umkehrbar. Sie haben für Ihre Kinder entschieden.

Haarmann: Ja, die Taufe ist etwas Einmaliges. Dass unsere Kinder über den Zeitpunkt ihrer Taufe nicht mitentscheiden konnten, halte ich nicht für ein Problem. Wir geben unseren Kindern doch auch in vielenanderen Punkten das mit, was wir für wichtig halten. Werte zum Beispiel. All das, was wir in der Erziehung zu vermitteln versuchen. Dazu gehört für meine Frau und mich auch das Grundvertrauen auf Gott, auf die Geborgenheit in Gott. Das kommt durch die Taufe zeichenhaft zum Ausdruck.

Wie werden Ihre Kinder im Glauben heimisch?

Haarmann: Die Taufe ist kein Ereignis, das für sich allein steht; sie ist eher ein Startpunkt. Sie gehört damit zusammen, dass wir vor dem Essen singen, dass wir abends vor dem Schlafengehen gemeinsam beten, dass wir miteinander biblische Geschichten lesen, dass wir gemeinsam Gottesdienste besuchen. So wachsen die Kinder hinein in die Geschichte Gottes mit den Menschen. Und sie finden darin hoffentlich einen Halt und Orientierung für ihr Leben.

Die Taufe ist ein Sakrament. Was ist darunter zu verstehen?

Haarmann: Die Taufe ist eins der beiden Sakramente, die wir Evangelischen haben. Das andere ist das Abendmahl. Der Heidelberger Katechismus sagt über die Sakramente treffend: Sie sind sichtbare Wahrzeichen und Siegel, die uns den Zuspruch des Evangeliums verständlich machen und ihn erfahrbar werden lassen. Die Taufe besiegelt, so sage ich es Eltern im Taufgespräch, die Liebe Gottes zu diesem Kind und lässt sie sichtbar werden.

Was bewirkt die Taufe im Leben eines Menschen?

Haarmann: Die Taufe macht keinen Zauber, auch keinen Schutzzauber. Sie schützt das Kind nicht mehr, als es zuvor schon von Gott geliebt und geschützt war. Das möchte ich betonen, weil entsprechende Erwartungen bei Eltern mitunter im Raum stehen. Aber die Taufe verändert in der Tat etwas: Es entsteht eine Kirchenmitgliedschaft. Das Kind oder auch der Erwachsene ist mit der Taufe Teil des Leibes Christi, wie man theologisch sagen würde, also Teil der Kirche geworden. Damit gehört der getaufte Mensch zu einem Netzwerk von Christinnen und Christen, das stärkt und das durchs Leben tragen kann und will. Diese Gemeinschaft, so schreibt der Apostel Paulus, soll und kann die messianische Veränderung der Welt vorleben, die die Schöpfung nach Gottes Verheißung erneuern wird. Eine großartige Transformation, die in der Taufe geschieht, wenn ein Mensch Teil dieser Gemeinschaft wird. Ein großartiges Geschenk und ein großer Auftrag, der sich damit verbindet.

Warum tauft die Kirche in fließendem Wasser?

Haarmann: Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Wie es in jüdischer Tradition übrigens nie nur die eine theologische Antwort auf Fragen gibt, sondern immer gleich mehrere Antworten nötig sind. Jesus selbst ist der biblischen Überlieferung nach im Jordan, also in fließendem Wasser, getauft worden. Jede Taufe heute erinnert ein Stück weit auch an diese Taufe damals. Für den Vollzug der Taufe ist es wichtig, dass etwas Sichtbares geschieht. Symbole tragen auch dadurch etwas aus, dass sie etwas zeigen. So ergibt es durchaus Sinn, die Taufe nicht nur mit einem feuchten Waschlappen aufzulegen, sondern tatsächlich Wasser fließen zu lassen. Diese Tradition geht bis ins erste, zweite Jahrhundert zurück. Und auch unsere Kirche schreibt fließendes Wasser vor. Noch sehr viel länger ist eine generelle Tradition im Judentum verankert, dass bei Tauchbädern „lebendiges Wasser“ gebraucht wird. Auch hiermit hängt unser christlicher Brauch, fließendes Wasser für die Taufe zu verwenden, unmittelbar zusammen.

Es gibt einen Trend zu Taufen außerhalb von Kirchenräumen. Am Bach zum Beispiel. Oder bei einer Konfirmandenfreizeit im Mittelmeer. Auch im Rhein wird getauft. Was braucht es denn außer fließendem Wasser?

Haarmann: Es braucht vor allem eine Gemeinde und einen Gottesdienst. Es gibt immer mal wieder Anfragen nach einem Taufgottesdienst zu einem speziellen Termin nur für die Tauffamilie. Das ist aber bisher so nicht vorgesehen laut Kirchenordnung. Die Taufe ist die Aufnahme eines Menschen in die Gemeinde, sie verbindet den Täufling unmittelbar mit der Gemeinde. Im Gottesdienst zur Taufe kommt deshalb zusammen, was zusammen gehört: Gemeinde und Täufling und der Segen Gottes, der auf beiden liegt. Eine spannende Frage, an der wir in Zukunft noch weiter arbeiten müssen, ist dabei, wie die Tauffamilien und die „normale“ Gottesdienstgemeinde zusammengebracht werden können und ob es dafür auch andere Kontexte geben kann als den Gottesdienst am Sonntagmorgen.

Zur Zeit der ersten christlichen Gemeinden entschied man sich, berichtet die Bibel, als Erwachsener für die Taufe. Warum ist in der rheinischen Kirche die Säuglingstaufe die Regel?

Haarmann: Am Anfang stand sicher die Erwachsenentaufe, so wie Johannes der Täufer andere Erwachsene und eben auch Jesus getauft hat. An einem frühen Punkt in der Kirchengeschichte hat dann aber der exklusive Heilsanspruch der kirchlichen Hierarchie dazu geführt, dass Kinder schon im Säuglingsalter getauft wurden. Ich bin sehr froh, dass wir mittlerweile weit von Vorstellungen entfernt sind, die Menschen Angst gemacht haben mit der Drohung, ungetaufte Kinder seien von Gott weniger geliebt und vom Heil ausgeschlossen. Das halte ich für unbiblisch und theologisch falsch. Dennoch hat sich auf diesem Weg eine Tradition der überwiegenden Taufe im Kleinkindalter etabliert. Heute ändern sich viele Traditionen, deshalb muss man jedoch meines Erachtens nicht alles über den Haufen werfen. Man kann, wie in unserer Familie, aus guten Gründen daran festhalten. Man sollte aber auch nicht geringschätzen, was andere für richtig halten und was der Taufe auch entspricht. Eine Vielzahl von Taufaltern ist ein Reichtum, der unsere Kirche zunehmend prägt und den man theologisch nur begrüßen kann.

(Evangelische Kirche im Rheinland, Arbeitsbereich Kommunikation)


Dr. Volker Haarmann leitet das Dezernat Theologie im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland.