Bethlehem im Miniaturformat

Münchner Krippenfreunde präsentieren Jubiläumsschau mit Exponaten aus aller Welt

Annette Krauss mit einer Figur aus der 'Schachinger Krippe'
Annette Krauß mit dem „blauen König“ aus der „Schachinger Krippe“ in der Werkstatt des Vereins.

München. Auf dem Tisch in der Teeküche stapeln sich knorrige Wurzeln und halbfertige Holzställe. Aus den Säcken auf der Eckbank lugen Gestrüpp und getrocknete Kräuter heraus. Auch Annette Krauß hat ein paar davon aus ihrem Sommerurlaub in Südfrankreich mitgebracht. „Es sieht einfach originalgetreuer aus, wenn man die Krippenlandschaft mit echten Pflanzen gestaltet“, sagt die zweite Vorsitzende der Münchner Krippenfreunde. Und zu gestalten ist in den nächsten Wochen einiges: 100 Krippen zeigt der Verein in seiner Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag in der Münchner Rathausgalerie.

Von der Miniaturkrippe bis zur Monumentalszene auf fünf Metern, vom alpenländischen Idyll bis zur orientalischen Geburtshöhle, von der tansanischen Krippe bis zur Stein-Krippe aus Irland reicht die Bandbreite der Ausstellung. Besonders stolz sind die Krippenfreunde auf ihre wertvolle „Schachinger Krippe“ mit Schnitzarbeiten berühmter Krippenkünstler aus 200 Jahren. Es geht aber auch kleiner: Annette Krauß klappt eine kleine Truhe voll sorgsam eingepackter Wachsfiguren auf: „Das ist eine Krippe to go aus Tirol“, erklärt sie und setzt ein paar Schäfchen hinter den Zaun, der auf die Innenseite der Klappwand montiert ist - ein frühes Stück Pop-up-Kunst, wenn man so will.

Der Schatz in der Sakristei

Noch mehr Krippenfiguren verbergen sich in durchnummerierten Kisten in den Wandschränken der Vereinswerkstatt. Die Räume, die sich treppauf, treppab durch den Kirchenkeller schlängeln, sind vollgepackt mit Brettern, Styrodurplatten, kistenweise Tannenzapfen, Stöckchen, Zweiglein, Kieselsteinchen. Eine Geheimtür führt zu einer verwinkelten Kammer, auf deren Regalen Pigmente zum Färben des Krippenmörtels Spalier stehen. „Selbst eine Schneekrippe strahlt schließlich nicht Alpina-Weiß“, sagt Krippenexpertin Krauß trocken. Das Herz des Krippenparadieses ist die Werkstatt selbst: Hier versammeln sich zweimal im Jahr Krippenliebhaber, um einen Stall oder eine Höhle für ihre noch unbehausten Krippenfiguren zu bauen.

Annette Krauß hat sich vor zehn Jahren mit dem Krippenvirus infiziert. Im Winter 2007 nahm der Mesner von St. Ursula die Kunsthistorikerin zur Seite, um ihr seinen Fund zu zeigen. „Auf dem Tisch in der Sakristei fand ich ein Lazarett von Krippenfiguren“, erinnert sich die Journalistin. Bei näherer Betrachtung beschlich sie das Gefühl, dass sie einen Schatz in Händen hielt. Der Verdacht bestätigte sich: die Figuren stammten aus der Werkstatt von Sebastian Osterrieder, dem Wiederentdecker der orientalischen Krippentradition. Krauß initiierte eine „Rettungsaktion“. Mit Hilfe des Ordinariats und zahlreicher Paten aus der Gemeinde konnte die Krippe restauriert werden.

Katholiken, Lutheraner und Orthodoxe vereint

Die Protestantin blieb der Jahreskrippe von St. Ursula treu: Seit zehn Jahren setzt sie die Figuren in immer neuen biblischen Bildern in Szene. „Es ist unglaublich schön, wenn sich die Kinder die Nasen an der Scheibe platt drücken und jede Kleinigkeit entdecken“, sagt sie.  Die emotionalen Bilder über Schmerz, Trauer, Liebe und Verrat seien „Szenen unseres Lebens“ und sprächen Menschen oft mehr an als Worte. Auch der Kern der Weihnachtsbotschaft lässt sich für Krauß im Krippenbild am besten ausdrücken: „An der Krippe kommen alle zusammen.“ Im Falle einer provenzalischen Krippe sind im Stall sogar Katholiken, Lutheraner und Orthodoxe friedlich vereint. Eine Vitrine widmet sich speziell dem Verhältnis der Protestanten zur Krippe.

250 Mitglieder haben die Münchner Krippenfreunde derzeit. Davon sind etwa 50 Aktive, die gerade vor der jährlichen Ausstellung im Rathaus voll im Einsatz sind. „Heuer müssen wir 90 Vitrinen aufstellen, die Leihgaben mit großen Autos abholen, während der Ausstellung präsent sein“, zählt Annette Krauß auf. Trotz der hohen Kosten bleibe der Eintritt aber frei: „Wir wollen, dass sich auch Familien den Besuch der Ausstellung leisten können“, sagt Krauß.

Neu bei der Jubiläumsausstellung ist ein eigens konzipierter Rundgang, der Kinder mit gezielten Fragen an eine Auswahl von Vitrinen lockt, sowie zwei Spieltische. Während alle anderen Exponate hinter Glas stehen, wartet hier die Heilige Familie aus der Playmobil-Krippe auf neugierige Kinderhände.

Susanne Schröder (epd)


Die Ausstellung der Münchner Krippenfreunde ist noch bis 26. Dezember in der Rathausgalerie im Neuen Rathaus (Marienplatz) zu sehen. Gezeigt werden Weihnachtskrippen aus verschiedenen Epochen und Kulturkreisen. Für Kinder bietet die Ausstellung einen eigenen Rundgang. Geöffnet ist täglich von 10 bis 19 Uhr bei freiem Eintritt. An Heiligabend bleibt die Ausstellung geschlossen.