Kapitän der Nordkirche geht von Bord

Durch stürmische See hat Landesbischof Gerhard Ulrich die junge Nordkirche in ruhige Gewässer geführt. Jetzt verlässt der Kapitän die Brücke. Mit einem Festgottesdienst wurde er am Sonnabend in den Ruhestand verabschiedet

Schwerin (epd). Für die evangelische Nordkirche endet ein Kapitel ihrer Geschichte: Mit einem Festgottesdienst im Schweriner Dom wurde am Samstag ihr erster Landesbischof Gerhard Ulrich in den Ruhestand verabschiedet. Seinem persönlichen Engagement und seinem Charisma ist es vor allem zu verdanken, dass Pfingsten 2012 die Nordkirche aus den Landeskirchen Nordelbien, Mecklenburg und Pommern gegründet wurde. Gefeiert wurde die Verabschiedung am 68. Geburtstag Ulrichs.

Christlicher Glaube dürfe sich nicht zufriedengeben mit dem, was man anscheinend nicht ändern könne, sagte Ulrich in seiner Predigt. Er dürfe sich daher nicht zufriedengeben mit Ungerechtigkeit, der Not der Flüchtlinge und der Verfolgung aus religiösen Gründen. "Der Überschwang des Glaubens macht nicht ruhig, sondern unruhig - auch im Ruhestand." 

Als 22-jähriger Schauspieler sei er am Hamburger Ernst-Deutsch-Theater von einem biblischen Psalm inspiriert worden, Theologie zu studieren, sagte Ulrich. Er sei diesen Weg "als Fragender und Suchender" gegangen. "Der Landesbischof geht ab - irgendwohin. Das Licht bleibt an. Der Vorhang bleibt offen."

Als "norddeutscher Jung" habe Ulrich immer zwischen den Meeren gelebt, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, der als Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) Ulrichs Amtskreuz entgegennahm. "Wer im Sonnenaufgang über der Ostsee oder im Abendrot über der Nordsee nicht anfängt an eine Schöpfermacht zu glauben, der bleibt ein gefühlloses Ding." Aber als Norddeutscher wisse Ulrich auch, was Gegenwind sei, betonte Meister. Als Landesbischof habe er Brücken gebaut und sei ein guter Zuhörer gewesen. "Engstirnigkeit war dir ein Graus." 

Ulrich sei aus seinem Glauben heraus ein politischer Bischof gewesen, sagte Schleswig-Holsteins Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Wichtig seien ihm vor allem die Themen Gerechtigkeit, Integration und die Bewahrung der Schöpfung. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), betonte, Ulrich habe maßgeblich dazu beigetragen, dass der Zusammenschluss der Landeskirchen eine Begegnung auf Augenhöhe gewesen sei.

Als Landesbischof sei Ulrich zuallererst "Pfarrer und Seelsorger" gewesen, sagte der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er habe dabei stets auch den öffentlichen Auftrag der Kirche wahrgenommen und sich mit großem Engagement für einen humanen Umgang mit Geflüchteten, für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung eingesetzt.

Vor seinem Theologiestudium studierte Ulrich Theaterwissenschaft und absolvierte zwei Spielzeiten am Ernst-Deutsch-Theater. Er war später Pastor in Barsbüttel (bei Hamburg) und Hamburg-Wellingsbüttel, Direktor des Predigerseminars in Preetz (bei Kiel) und Propst im Kirchenkreis Angeln an der Schlei, wo er mit seiner Familie bis heute lebt. 2008 wurde er zum Schleswiger Bischof gewählt, 2013 dann zum Landesbischof der neuen Nordkirche. Von 2011 bis 2018 war er im Nebenamt Leitender Bischof der VELKD. 

Die Nordkirche hat rund zwei Millionen Mitglieder und umfasst die Bundesländer Mecklenburg Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg. Ulrichs Nachfolgerin Kristina Kühnbaum-Schmidt (54) wird ihr Amt als Landesbischöfin am 1. April antreten.