Südafrikas Aids- Aktivisten fürchten einen Präsidenten Jacob Zuma

"Wir mussten schon einmal seine Scherben auffegen"

Von Marc Engelhardt (epd)


Johannesburg (epd). Zum Singen und Tanzen ist Luckyboy Mkhondwane, Koordinator der südafrikanischen Aids-Aktivistengruppe "Treatment Action Campaign", nicht zu Mute. Er ist keiner der Anhänger von Jacob Zuma, die feiern, seit ein Richter am Freitag das Korruptionsverfahren gegen den Vorsitzenden des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) eingestellt hat. Seitdem mehren sich die Rücktrittsforderung gegen Präsident Thabo Mbeki, Zumas Intimfeind, der die Justiz unter Druck gesetzt haben soll. Es scheint als sicher, dass Zuma ihn beerben wird. "Mit Zuma als Präsident wäre unsere Arbeit noch schwieriger", warnt Mkhondwane. "Wir mussten ja schon einmal seine Scherben auffegen."

Vor zwei Jahren, Zuma war wegen der Vergewaltigung einer Bekannten angeklagt, fragte ein Richter den kahlköpfigen Politiker, warum er kein Kondom benutzt habe - schließlich habe er, Zuma, doch gewusst, dass das Opfer HIV-positiv sei. "Aber ich habe doch gegen Aids vorgesorgt", so Zumas Antwort, "ich habe nach dem Geschlechtsverkehr geduscht." Zuma wurde freigesprochen, weil die Frau nicht unstrittig nachweisen konnte, dass Zuma sie zum Sex gezwungen hatte. Und Mkhondwane musste sich fortan beschimpfen lassen, weil er bei der Aufklärung im Slum für die Nutzung von Kondomen warb.

"Die haben alle gesagt: Hör doch auf, wir können doch einfach duschen", stöhnt der 32-Jährige noch heute. "Die Leute haben Zuma geglaubt, weil er eine Autoritätsperson ist." Solche Ignoranz ärgert Mkhondwane besonders, weil er ihr selbst zum Opfer gefallen ist. Mkhondwanes erster Partner, mit dem er zwei Jahre zusammen lebte, war HIV-positiv - und behielt es für sich. Erst nachdem die Beziehung in die Brüche gegangen war, erfuhr der damals 26-Jährige davon - und fand heraus, dass er sich angesteckt hatte.

Zum Aids-Aktivisten wurde er, weil schon die jetzige Regierung die Behandlung von HIV-Positiven so sehr erschwert wie keine andere in Afrika. Nirgendwo auf der Welt sind so viele Menschen mit dem HI- Virus infiziert wie im südlichen Afrika, in Südafrika testet jeder Fünfte positiv. Doch noch vor einigen Jahren erklärte Präsident Mbeki öffentlich, er kenne keine Aids-Kranken. Seine Gesundheitsministerin riet Infizierten, Obst zu essen. Die lebensverlängernden anti- retroviralen Medikamente verbot sie, weil sie angeblich giftig seien.

Dass Mkhondwane und Tausende andere heute noch leben, ist der "Treatment Action Campaign" zu verdanken, die so viel Druck machte, bis die Behandlung mit Anti-Retroviralen vor vier Jahren auch in Afrika eingeführt wurde. Hürden errichtet die Regierung dennoch genug: die monatliche Dosis etwa gibt es fast nur in den wenigen staatlichen Krankenhäusern, wo Patienten stundenlang in Schlangen warten müssen. Neu Erkrankte sterben, bevor sie zur Behandlung zugelassen werden, weil es zu wenig Einführungsschulungen gibt. Doch als die Aids-Aktivisten anboten, selbst Schulungen zu geben, wurde ihnen das vom Staat verboten.

Immerhin, so lobt die Aids-Aktivistin Venah Mzezewa vom lutherischen Kirchenverband in Südafrika, ist inzwischen ebenfalls auf Druck der Zivilgesellschaft ein nationaler Aids-Rat eingerichtet wurden, der voriges Jahr einen Aktionsplan verabschiedete. "Wir machen dennoch die Arbeit, die der Staat machen sollte, und vor Ort gibt es immer wieder Probleme." Oft verbieten etwa die Ältesten einer Gemeinde, bei Aufklärungsveranstaltungen die Dinge beim Namen zu nennen. Wenn es um Sex geht, sind viele Südafrikaner konservativ und chauvinistisch: Ein Grund, warum Zuma in der breiten Bevölkerung so gut ankommt.

Auch der Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats, Eddie Makue, schließt sich der Kritik an Zuma an. "Wir sind entsetzt von dem, was Zuma bisher öffentlich zur Aids-Frage erklärt hat." Genauso stört Makue die Militanz, mit der der Streit zwischen Mbeki- und Zuma-Anhängern ausgetragen wird. "Es gibt derzeit bei fast allen Parteitreffen Verletzte." Viele Institutionen sind gelähmt: Seit Wochen kämpft Makue darum, dass versprochene Gelder zur Behandlung von besonders schwerer Tuberkulose, die oft mit Aids einhergeht, freigegeben werden. Doch im Gesundheitsministerium herrscht gerade mal wieder Stillstand.

15. September 2008