Mauer-Gedenken: EKD-Kulturbeauftragte warnt vor "Disneyisierung" des Gedenkens

Berlin (epd). Vor der Entscheidung des Stiftungsrats am Dienstag über die künftige Form der Berliner Mauer-Gedenkstätte hat die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr, vor einer "Disneyisierung" des Gedenkens gewarnt. "Es gibt den verständlichen Wunsch, an den Schrecken der Mauer so zu erinnern, dass sie wieder aussieht, wie sie einmal war", sagte Bahr dem epd in Berlin. Wer auf die "Inszenierung von Schrecken" setze, erhoffe sich mehr Authentizität, riskiere aber, dass die Geschichte hinter der Inszenierung verloren gehe.

Es müsse vielmehr darum gehen, "angemessen der vielen Spuren der Geschichte zu gedenken und sie möglichst eindrücklich zum Sprechen zu bringen", ergänzte Bahr, die Mitglied des Stiftungsrates ist. Ein authentischer Schrecken sei ohnehin nicht wieder herzustellen. Der Ort und das Trauma, das sich mit der Mauer verbindet, könne auch anders erfahrbar werden. "Mir ist es ein Anliegen, dass man Geschichte nicht unter der Hand vereinfacht um der vermuteten Effekte willen", so die EKD-Kulturbeauftragte.

Das Faszinierende an der Gedenkstätte in der Bernauer Straße sei dabei, dass Besucher immer noch ahnen könnten, "dass dort Nachbarn, Freunde und zwei Kirchengemeinden buchstäblich von einem Tag auf den anderen auseinandergerissen wurden", sagte Bahr. Die Mauer wurde an einer Häuserfront entlang und durch einen Friedhof gebaut. Die Kirche, die plötzlich mitten auf dem Todesstreifen stand, wurde noch in den 80er Jahren gesprengt.

"Als die Mauer dann fiel, hat die Versöhnungsgemeinde im Westen die Spuren der Mauer gesichert. Die Sophiengemeinde im Osten hat eine Lücke in die Mauer geschlagen. Beide Reaktionen erzählen etwas von der Geschichte der Mauer, die nach dem Mauerfall weiterging", sagte Bahr. Auch diese Spuren der Geschichte gelte es so zu sichern, dass der Ort auch die Menschen berührt, die von der Teilung Deutschlands nichts wissen.

Den Streit über die Art des Gedenkens begrüßte die EKD-Kulturbeauftragte. "Diese Debatten sind Teil unserer Gedenkkultur", sagte sie. Es gehöre zur Demokratie, "dass man auch mal erregt über die Frage streitet, wie wir kommende Generationen an das Trauma der Teilung Deutschlands erinnern wollen. Schlimm wäre Desinteresse." Auch in der Kirche sei über diese Fragen gestritten worden. Der Entwurf der Gedenkstätte hätte die beiden Gemeinden aus Ost und West endlich zusammengeführt. "Das ist doch eine wunderbare Geschichte, 20 Jahre nach dem Mauerfall."

Gestritten wird zurzeit darüber, ob beim Ausbau der Gedenkstätte im früheren Todesstreifen ein knapp 20 Meter langes Stück Mauer wiedererrichtet wird. Am Freitag hatte der Sachverständigen-Beirat der Stiftung Berliner Mauer empfohlen, den ursprünglichen Entwurf umzusetzen. Danach soll die bislang existierende Lücke in dem über 200 Meter langen Mauerstück an der Bernauer Straße nicht wieder mit originalen Mauerteilen, sondern nur noch symbolisch mit Stahlstäben geschlossen werden. In den vergangenen Wochen war unter anderem aus dem Haus des Kulturstaatsministers Bernd Neumann (CDU) die Forderung laut geworden, das verbliebene Mauerstück komplett wieder mit Mauerteilen zu schließen, um damit den Schrecken des Bauwerks besser darstellen zu können.

03. März 2009