Theologen mischen sich in Islam-Debatte ein

Berlin/München (epd). In die Debatte über die Bedeutung des Islam für Deutschland mischen sich nun auch die Theologieprofessoren ein. Der evangelische Theologe und Philosoph Richard Schröder sagte zu den Äußerungen von Bundespräsident Christian Wulff: "Der Islam gehört nicht zu den prägenden Kräften unserer Kultur. Er zählt nicht zu den prägenden Religionen unserer Geschichte." Islamische Mitbürger hingegen seien eine Normalität geworden, sagte der SPD-Politiker der "Welt" (Mittwochsausgabe). "Sie gehören zu uns."

In seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit hatte Wulff gesagt, dass neben dem Christentum und dem Judentum inzwischen auch der Islam zu Deutschland gehöre.

Der deutsche Staat "ist nicht christlich, er hat vielmehr weltanschaulich neutral zu handeln", sagte Schröder. Der Ruf nach der Einführung eines muslimischen Feiertags, "der 95 Prozent der Bevölkerung nichts sagt, ist eine verrückte Idee", gab Schröder weiter zu bedenken. Natürlich müsse es auf der anderen Seite für alle Muslime möglich sein, ihre Feiertage zu begehen.

Der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf tritt Darstellungen entgegen, wonach das Grundgesetz auf dem christlich-jüdischen Erbe beruht. Der Rechtsstaat in Deutschland sei weithin gegen die Kirchen durchgesetzt worden, sagte der in München lehrende Theologieprofessor der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwochsausgabe). Graf wandte sich dagegen, religiöse Kategorien als "Kampfbegriffe" in der Debatte über Integrationsprobleme einzusetzen.

Die Formel vom christlich-jüdischen Erbe sei wenig hilfreich, da sie grundsätzliche Differenzen zwischen Christentum und Judentum ausblende, argumentiert Graf. Zudem sei diese Formel gefährlich, da sie die Unterscheidung von Recht und Religion relativiere. "Der freiheitliche Verfassungsstaat lebt doch gerade davon, dass er religiös neutral ist und dass zwischen moralischen, religiösen und rechtlichen Fragen prägnant unterschieden wird", unterstreicht der Theologe.

Das deutsche Modell für das Verhältnis von Staat und Religion ist Graf zufolge auch offen für muslimische Akteure. Dieses Verständnis von Religionsfreiheit sei eher in der Lage, religiöse Konflikte zu lösen als das laizistische Vorgehen, das religiöse Überzeugungen aus der Öffentlichkeit verbannt. Das Religionsverfassungsrecht der Bundesrepublik setze kein Bekenntnis zum Christentum voraus: "Wir sollten das Grundgesetz nicht taufen, das macht alles nur viel schwieriger", gab der Theologe zu bedenken.

13. Oktober 2010