Käßmann: Religionen sollen Konflikte entschärfen - Antrittsvorlesung

Bochum (epd). Die Religionen dürfen nach Ansicht der ehemaligen Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche, Margot Käßmann, nicht länger zur Konfliktverschärfung beitragen. Vielmehr sollten die Religionen Konflikte über Religionsgrenzen hinweg entschärfen, forderte Käßmann am Mittwoch in ihrer Antrittsvorlesung an der Bochumer Ruhr-Universität. Käßmann ist die erste Inhaberin der neu eingerichteten Max-Imdahl-Gastprofessur an der Ruhr-Uni.

Die 52-jährige Theologin appellierte an die deutsche Gesellschaft, sich "den Herausforderungen des Zusammenlebens Verschiedener" zu stellen. Die Gesellschaft dürfe sich weder abschotten noch Ängste schüren, sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin. Auch purer Idealismus und Wegschauen seien wenig förderlich. Stattdessen forderte sie konstruktive Konzepte für ein Miteinander unterschiedlicher Menschen und Nationen. Es sei eine der zentralen Fragen der Zukunft des Islams in Deutschland, ob er sich selbst als "offensiv demokratiekompatibel" verstehe.

Zu den Grundpfeilern eines künftigen Miteinanders gehören nach ihrer Ansicht die Anerkennung bestehender Gesetze und das Beherrschen der deutschen Sprache. "Wer nach Deutschland zuwandert, wird deutsches Recht akzeptieren müssen", sagte Käßmann. Gleichzeitig sei es wichtig, Sprachkompetenz zu fördern. Denn Sprache integriere. Zudem müsse die Begegnung auf allen gesellschaftlichen Ebenen intensiviert, die Bildung stärker gefördert sowie Respekt und Toleranz gelebt werden.

Ziel der Integrationsdebatte müsse es sein, die richtige Balance zu finden zwischen klaren gemeinsamen Grundlagen unserer Gesellschaft und "der Freude und Offenheit für Vielfalt für das Verschiedene". Weder Begriffe wie "multikulti" noch "Leitkultur" noch "Parallelgesellschaft" würden dieser schwierigen Balance gerecht, sagte Käßmann.

Die Max-Imdahl-Gastprofessur erinnert an den Bochumer Kunsthistoriker Max Imdahl (1925-1988), der zur Gründergeneration der Ruhr-Uni gehörte. Während ihrer einjährigen Professur wolle sie sozialethische Themen der Zeit aufgreifen und sich dem Bereich Ökumene widmen, hatte Käßmann zuvor angekündigt.

12. Januar 2011