Präses Schneider fordert "Ethik des Maßhaltens"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat sich angesichts von Manager-Jahresgehältern im zweistelligen Millionenbereich für eine "Ethik des Maßhaltens" ausgesprochen. Problematisch sei indes, dafür klare Grenzen zu ziehen, sagte Schneider, der auch Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland ist, am Donnerstagabend in Lübeck. So seien hohe Einkommen bei Künstlern, Talkmastern und Fußballstars gesellschaftlich offenbar akzeptiert.

Auch die Bibel würde den Reichtum keineswegs nur ablehnen oder missbilligen, sagte der EKD-Chef. Der Reichtum werde aber dann "scharf kritisiert, wenn er durch Ungerechtigkeit anderen gegenüber erworben wurde und den Blick auf die Situation der Mitmenschen verstellt". Die Kirche müsse sich dafür einsetzen, dass Arme, Schwache und Benachteiligte an Wohlstand, Fortschritt und Entwicklung teilhaben können.

Schneider diskutierte auf Einladung der "Willy-Brandt-Stiftung" mit dem ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm (SPD) unter dem Motto "Plädoyer gegen die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft".

Engholm bezeichnete es als eine "Gefahr für die demokratische Gesellschaft", wenn Spitzengehälter ins Uferlose steigen. "Selbst wenn dies legal sein sollte - moralisch ist es nicht", sagte er. Moralische Appelle allein hätten jedoch noch nie dazu geführt, krasse Ausreißer von Geiz und Gier einzuschränken. Es müsse politisch durchgesetzt werden, den Spitzensteuersatz "so nach oben zu schrauben", dass es sich ab einer gewissen Grenze einfach nicht mehr lohne, noch mehr verdienen zu wollen.

Schneider erinnerte daran, solide Bankgeschäfte von "Zockerei" zu unterscheiden. Bestimmte Transaktionen sollten allerdings "rigoros verboten" werden, sagte er. Dazu gehörten sämtliche Börsen-Spekulationen mit Nahrungsmitteln. Generell gelte, dass eine Gesellschaft auf die Katastrophe zutreibe, deren einziges Wertesystem in der Verrechenbarkeit, Verwertbarkeit und Nutzbarmachung bestehe. Es gebe aber auch eine große Zahl von Mitbürgern, die ihren Reichtum "zum Wohle aller" einsetzten.

30. März 2012