Ratsvorsitzender warnt erneut vor Abschiebungen nach Afghanistan

Osnabrück (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat seine Forderung an die Bundesregierung bekräftigt, derzeit keine abgelehnten Asylbewerber nach Afghanistan abzuschieben. Er sage nicht, dass es grundsätzlich keine Abschiebungen geben dürfe, sagte Bedford-Strohm in Osnabrück: "Aber Menschen dürfen nicht in Gefahr geschickt werden."

Der bayerische Landesbischof diskutierte im Rahmen der "Osnabrücker Friedensgespräche" mit dem Berliner Religionssoziologen Hans Joas über die Auswirkungen der vor 500 Jahre begonnenen Reformation auf die heutige Gesellschaft. Joas warf Bedford-Strohm vor, er positioniere sich in der Flüchtlingspolitik zu einseitig. Der Ratsvorsitzende habe sich schon 2015 bei der Öffnung der Grenzen in Ungarn "zu 150 Prozent auf die Linie der Bundeskanzlerin gestellt und ihr das Mäntelchen der wahren Christlichkeit umgehängt". Die Entscheidung über das Ausmaß der Zuwanderung in ein Land müsse aber demokratisch getroffen werden, sagte der Professor der Humboldt-Universität Berlin.

Liebe zu Christus – Liebe zur Freiheit

Bedford-Strohm hielt dagegen, Christen seien geradezu verpflichtet, sich für Schwache und Notleidende einzusetzen. Dabei gehe es nicht darum, sich an die Seite eines einzelnen Politikers zu stellen: "Aber diesmal war es richtig." Die Flüchtlinge in den Lagern in Jordanien, Libanon und der Türkei seien in großer Not gewesen und im Stich gelassen worden. "Da können 500 Millionen Europäer doch nicht einfach sagen, eine Million Flüchtlinge sind uns zu viel." Die evangelische Kirche werde deshalb in ihrem Engagement für Flüchtlinge nicht nachlassen.

Vor 500 Jahren habe Martin Luther zur Einmischung in die Politik und zum Dienst am Nächsten aufgerufen, betonte der Bischof. Die vom Reformator propagierte radikale Liebe zu Christus sei stets auch eine radikale Liebe zur Welt: "Freiheit heißt immer auch, sich für Menschen in Not zu engagieren."

Der Katholik Joas warf der evangelischen Kirche vor, sie projiziere im Nachhinein zu viel in die Reformationsgeschichte hinein. "Luther hatte nicht die Demokratie im Sinn." Auch sein Freiheitsbegriff sei ein anderer gewesen als das, was die Menschen heute unter Freiheit verstünden. Die Reformation sei nicht der Ursprung sämtlicher westlicher Werte. "Wir kommen zu unseren Grundwerten aus unseren ganz verschiedenen religiösen, aber auch nichtreligiösen Traditionen."

24. Februar 2017