Organspende - Entscheidung im Bundestag

Evangelische Kirche sieht Widerspruchslösung kritisch

(ekd/epd) Am morgigen Donnerstag, den 16. Januar 2020, entscheidet der Deutsche Bundestag über Veränderungen in der Organspende. Dazu konkurrieren im Wesentlichen zwei Gesetzentwürfe. Eine Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Spahn und den SPD-Politiker Karl Lauterbach will die sogenannte Widerspruchsregelung einführen, wonach jeder Organspender wäre, der dem nicht widersprochen hat (Gesetzentwurf zur „sogenannten doppelten Widerspruchlösung“).

Transportbehälter vor einem OP-Tische bei der Spenderorganentnahme an einem hirntoten Menschen

Eine andere Gruppe um die Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linken-Vorsitzende Katja Kipping will an der jetzigen Regelung festhalten, wonach die Zustimmung Voraussetzung für eine Organspende ist. Der Willen soll aber regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt aktiv erfragt werden (Gesetzentwurf zur „Stärkung der Entscheidungsbereitschaft). 

Evangelische Kirche unterstützt Organspende

Die Evangelische Kirche unterstützt nachdrücklich das Anliegen des Gesetzgebers, in Deutschland die Zahl der Organspenden wirksam zu erhöhen.
 
Der Gesetzentwurf zur „Stärkung der Entscheidungsbereitschaft“ erscheint dabei sehr geeignet, die erfreulich große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung praktikabel und nachhaltig in eine individuelle Bereitschaft zur Organspende zu überführen. 

Der Gesetzentwurf zur „sogenannten doppelten Widerspruchlösung“ hingegen wirft aus Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgliche Fragen auf. Das darin vorgeschlagene Vorgehen stellt einen tiefen Eingriff des Staates in die Persönlichkeitsrechte dar. Aus ethischer Sicht ist die informierte und explizite Einwilligung zur Organspende in diesem sensiblen Bereich unverzichtbar. 

Gemeinsame Stellungnahme von evangelischer und katholischer Kirche

Im Vorfeld der anstehenden Abstimmung haben sich der Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und der Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – in einer gemeinsamen Stellungnahme ebenfalls für die Unterstützung des Gesetzentwurfs zur „Stärkung der Entscheidungsbereitschaft“ ausgesprochen:

„Aus Sicht der Kirchen begegnet der „Entwurf zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz“ erheblichen rechtlichen und ethischen Bedenken […]. Demgegenüber schlägt der „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ behutsame Modifikationen im bestehenden System vor, die geeignet sind, das Vertrauen in die Organspende zu erhöhen und Menschen zu befähigen, eine informierte Entscheidung zu treffen. Diesen Ansatz begrüßen und unterstützen die Kirchen.“ 

Offener Brief an Abgeordnete 

Im Dezember 2019 hatten die beiden großen Kirchen bereits in einem Brief an alle Abgeordneten des Bundestags vor den Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und anderen Parlamentariern zur Neuregelung der Organspende gewarnt. Bei der von der Gruppe vorgeschlagenen Widerspruchsregelung hätten sie „erhebliche rechtliche, ethische und seelsorgerliche“ Bedenken, hieß es in dem Schreiben, das vor Weihnachten an die Abgeordneten ging. Der Staat „würde damit tief in den Kernbereich der menschlichen Existenz eingreifen“. 

Zu den ethischen Bedenken erklärte Dutzmann im Dezember gegenüber dem EPD: „Wir sind der Meinung, dass der Staat hier einen zu tiefen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vornimmt, auch wenn ein Widerspruch möglich ist.“ Bei jeder Weitergabe persönlicher Daten gelte, dass man dieser explizit zustimmen müsse. „Das darf bei meinem Herzen oder meiner Niere doch nicht andersherum sein“, sagte der Prälat.

Zudem sei bislang nicht erwiesen, dass die Widerspruchsregelung die Zahl der Organtransplantationen tatsächlich erhöhen werde. „In Ländern mit Widerspruchslösung, die höhere Organspenderzahlen verzeichnen, spielen auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle: In Spanien etwa gilt als Kriterium für die Möglichkeit der Organentnahme der Herztod, nicht der Hirntod wie bei uns“, sagte Dutzmann.