Christina Brudereck - „Ich bin nicht immer Friedensstifterin!“

Die Theologin und Schriftstellerin im Gespräch zu FriedensPerspektiven

Christina Brudereck
Podcast - Die Theologin und Schriftstellerin Christina Brudereck im Gespräch

Christina Brudereck, es geht um das Frieden stiften. „Selig sind, die Frieden stiften“ - das sagt sich ja sehr leicht. Aber in der Praxis ist das dann doch sehr schwer. Hast du ein Beispiel aus deinem Erfahrungsschatz, bei dem das Friedenstiften gelungen ist?

Ich habe ein größeres und ein kleineres Beispiel. Ich habe eine Weile in Südafrika gelebt; und da habe ich sehr hautnah erlebt, was es bedeutet, wenn verfeindete Gruppen in Frieden zusammenleben wollen – ohne Gewalt, ohne ständig sich weiter zu beschuldigen, ohne den Hass weiter zu schüren. Ich habe als Weiße in Soweto gelebt, in einem schwarzen Township, und habe sehr viel Gastfreundschaft erlebt und auch, was Einzelne dafür tun – Schwarze wie Weiße –  damit ein friedliches Zusammenleben gelingt. 
Und ich war als Deutsche da, hatte manchmal furchtbares Heimweh und bin dann immer ins jüdische Viertel gegangen, weil ich mich da so zu Hause gefühlt habe. Weil es da irgendwie das beste Brot gab zum Beispiel: Berliner Landbrot im jüdischen Café – und wurde als Deutsche willkommen geheißen. Das war auch eine Friedenserfahrung, weil Hass oder Abgrenzung, Misstrauen mindestens doch irgendwie auch sehr verständlich gewesen wären.

Und ein ganz kleines Beispiel habe ich wirklich gerade sehr aktuell erlebt: Mein kleiner Neffe Paul ist neun Jahre alt; seine kleine Schwester hatte ganz schlechte Laune und sie wurde richtig fies. Es machte überhaupt keinen Spaß mehr, mit ihr zu spielen. Dann hat er irgendwann gesagt: „Weißt du was, Frieda – wir gehen jetzt mal an die Rü, hier in unsere Einkaufsstraße, in ein kleines Spielwarengeschäft, ich nehme 5 Euro von meinem Taschengeld und du darfst dir was aussuchen.“ Dann sind die beiden Händchenhaltend losgezogen und Frieda durfte sich im Spielzeugladen ein Geschenk wählen und ihr großer Bruder hat es bezahlt. Und daran merkt man wieder: Man muss ein bisschen was investieren, man muss vielleicht auch einfach mal unterbrechen und sagen: „Ich hab‘ jetzt mal eine ganz andere Idee, ich gebe jetzt mal was von mir weg, ich tue jetzt etwas, was du überhaupt nicht erwartet hast, überrasche dich!“ Und natürlich war Frieda
auf einmal friedlich! Das hat mich sehr gerührt. Der kleine Kerl ist vielleicht auch ein bisschen was Besonderes, aber er ist auch ein Vorbild muss man sagen!

Mir kommt da die Formulierung von Dorothee Sölle in den Sinn: „Fantasie für den Frieden“ brauchen wir.

Ja das ist eine sehr schöne Formulierung. Man braucht manchmal Ideen, könnte einfach mal „Stopp“ sagen: „Wir machen mal was ganz anderes!“

Hast du denn auch ein Beispiel, wo Friedenstiften trotz besten Willens und Gewissens nicht geklappt hat?

Ja ständig – irgendwie gibt's dafür glaube ich mehr. Ich gucke Fernsehen, ich lese Zeitung, die Welt ist ja sehr kompliziert, und ich verstehe jeden und jede, die sagt: „Friede ist wirklich kein leichtes Thema und ich versuche es gar nicht erst.“ Aber ich bin Christin und möchte an diese Idee weiter glauben und würde zum Beispiel sagen: Wenn ich Gottesdienst feiere, dann kommen wir erstmal zusammen; nicht weil wir perfekt sind und weil wir Frieden ständig schaffen, sondern wir sagen erstmal, wo es uns allen nicht gelungen ist, wo wir wieder Vorurteile hatten oder wo wir zurückgeschlagen haben oder wo wir doch immer Rachegefühle hatten. Und ich finde es schön, sich eingestehen zu dürfen, dass ich nicht immer nur Friedensstifterin bin, sondern dass ich eigentlich ständig an meinem Ideal scheitere. Und dann auch zu sagen: „Wir sind aber zusammen und halten an dieser Hoffnung fest, an dieser Vision fest, trotz aller negativer Erfahrung, die ich vielleicht mit mir selber mache und in dieser Welt mache: Wir beten für Frieden, wir glauben auch, dass Gott irgendwie die Kraft schenkt, dass wir diese Welt auf Frieden hin bewegen oder uns persönlich, dass wir entwaffnend sein können, dass wir weniger kämpfen, weniger verletzen. Also: Das Scheitern erlebe ich ständig – aber eben auch, dass wir es gemeinsam erleben. Das gibt mir dann auch Mut, zu glauben, dass wir es auch besser machen können.

Dieser Satz „Selig sind die Frieden stiften“, diese Seligpreisung, die stammt ja von Jesus, der sie wahrscheinlich vor seinen Jüngern gesagt hat. Gibt es denn in Jesu Leben, wie wir es kennen aus der Bibel, bestimmte Methoden oder Tricks, die wir von ihm dafür lernen könnten?

Das wäre schön, so ein Jesustrick! Ich kann erst mal sagen, dass ich Jesus auf eine sehr schöne und auch friedliche Weise kennengelernt habe. Andere haben mir Geschichten von ihm erzählt, meine beiden Großmütter, die auch wussten, was Krieg ist, oder meine Kinderbibel, meine Eltern, mein Kindergottesdienst, meine großartige Reli-Lehrerin. Und ich habe ihn immer so kennengelernt, dass er ein Mensch ist, der Leute sehr gewertschätzt hat, also andere nicht klein gemacht hat, sondern er war ein Freund der Kinder und war aufmerksam. So stelle ich mir das vor. Ich hatte immer diese Idee, dass da, wo Jesus ist, immer Licht da ist. Und als ich in Südafrika gelebt habe, habe ich von ihm gelernt, dass Gott keine Apartheid will, auch nicht zwischen sich und uns. Und dann war auch Jesus so ein Beispiel, also liebevoll empathisch aber auch mit innerer Stärke. Er hat auch gesagt: Diese Würde, die ich Einzelnen schenke, die gilt allen – wenn ihr sie angreift, gibt es da auch eine Grenze!
Aber alle gehören dazu, alle werden geboren, alle sind sterblich, alle haben Geburtstag – deshalb wird vielleicht auch Weihnachten so gern gefeiert – und ein Mensch kann
ganz viel Kraft in sich haben, Seelenkraft in sich pflegen und an einer Hoffnung festhalten und damit die Welt ein bisschen beschenken und schöner machen. So stelle ich mir das irgendwie vor bei Jesus.
Vielen Dank für das Gespräch, Christina Brudereck. 

Zur Website von Christina Brudereck:
http://www.christinabrudereck.de/
 

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