„Das Treffen wird uns inspirieren!“

Die Präses der Synode der EKD, Irmgard Schwaetzer, über die Vollversammlung des Weltkirchenrates in Karlsruhe

In der Kirche beschäftigen uns oft nur die eigenen Sorgen. Gut, dass bald Christen aus aller Welt nach Karlsruhe kommen, sagt Irmgard Schwaetzer.

Irmgard Schwaetzer

Irmgard Schwaetzer ist seit November 2013 Präses der Synode der EKD.

Wenn Menschen aus vielen Weltgegenden zusammenkommen, entstehen manchmal die besten Ideen. Zum Beispiel Oikocredit: Kirchengemeinden und Privatpersonen legen ihr Geld in einer Bank an, die dann Mikrokredite an Kleinbauern und -bäuerinnen in ärmeren Weltgegenden vergibt, die erneuerbare Energien für Dorfgemeinschaften vorfinanziert und die Frauen hilft, sich eine Nähmaschine zu kaufen – oder etwas anderes, das ihr Auskommen sichert.

Ethische Geldanlagen, die zu mehr Gerechtigkeit und letztlich auch zum Frieden beitragen sollen – die Idee dafür entstand 1968 auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Uppsala. Über 350 Kirchen mit rund 560 Millionen Gläubigen aus aller Welt sind in ihm zusammengeschlossen. Alle acht Jahre trifft sich die Vollversammlung, immer wieder gehen wichtige Impulse für die ökumenische Bewegung von diesen Zusammentreffen aus. 2021 wird sie zum ersten Mal in Deutschland tagen, in Karlsruhe. Es ist uns eine große Freude und Ehre, diese Versammlung ausrichten zu können! Es soll ein großes Glaubensfest werden, mit 5000 Teilnehmenden und Gästen.

Ohne Gerechtigkeit kein Frieden

Die Arbeit des ÖRK steht seit der letzten Vollversammlung 2013 in Busan, Südkorea, unter der Überschrift „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“. Der Gedanke dabei: Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden. Wo Menschen massives Unrecht geschieht oder wo sie Willkür ausgesetzt sind, begehren sie auf. Zur Gerechtigkeit gehört das Recht, eine verlässliche Rechtsprechung und Rechtssicherheit.

Karlsruhe mit dem Bundesverfassungsgericht ist eine Stadt des Rechts – ideal für das Treffen der ÖRK-Vollversammlung. Karlsruhe ist zudem geprägt von Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersglaubenden. Über viele Jahrhunderte hinweg haben die Menschen in der Stadt Protestanten, Mennoniten und Waldenser aufgenommen, seit den 1960er Jahren auch orthodoxe Migranten aus Griechenland, Serbien und Rumänien. Heute ist die Gemeinde der „Griechisch-orthodoxen Kirche von Antiochien“ ein Ort der Integration für christliche Flüchtlinge aus Syrien. Christinnen und Christen sind Weltbürger. Trotzdem blicken wir als Kirche oft zunächst auf uns selbst: Wie steht es um unsere Mitgliederzahlen? Wie ist es um die evangelisch-katholische Ökumene bestellt? Wie feiern wir unsere Gottesdienste geistlich und lebendig? Das sind ohne Zweifel wichtige Fragen. Doch manchmal hilft ein Blick über den Tellerrand, um neue Impulse zu bekommen.

Zentrale Fragen der Zeit international und gemeinsam lösen

Wenn Tausende Christinnen und Christen aus allen Teilen der Welt 2021 in Karlsruhe zusammen beten und singen und über Fragen von Gerechtigkeit und Frieden miteinander ins Gespräch kommen, dann bin ich sicher: Die Ideen und Inspirationen, die davon ausgehen, werden auch in Deutschland Folgen haben – für unsere Gemeinden und für die ökumenische Bewegung.

Die zentralen Fragen der Zeit können heute nur international und gemeinsam gelöst werden. Im europäischen Raum wird das an der Frage des Umgangs mit den geflüchteten Menschen aktuell besonders deutlich. Aber als Christinnen und Christen können wir gar nicht anders, als alle im Blick zu behalten. Das geht deutlich besser, wenn wir uns kennen und einander vertrauen. Ich freue mich auf die geistliche Inspiration und die Glaubensfreude, die viele, die bei uns zu Gast sein werden, ganz anders ausleben, als wir es kennen. Und ich bin sicher: Als evangelische Christinnen und Christen in Deutschland brauchen wir die Ermutigung im Glauben, die mit solchen Begegnungen verbunden ist.

Irmgard Schwaetzer (für chrismon)