„Wenn Populismus populär wird“

Treffen von Kirchenvertretern und Rabbinern in Recklinghausen

Um die Herausforderungen des Rechtspopulismus aus christlicher und jüdischer Sicht ging es heute (12. März 2018) bei einer Veranstaltung während der Woche der Brüderlichkeit, zu der Rabbiner und Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen in Kooperation mit dem Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit nach Recklinghausen eingeladen hatten.

In seiner Begrüßung verwies der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Ulrich Neymeyr (Erfurt), auf die aggressive Rhetorik der Rechtspopulisten: „Wir dürfen nicht zulassen, dass der Respekt, den wir jedem Menschen schulden, als ‚Gutmenschentum‘ oder ‚politische Korrektheit‘ lächerlich gemacht wird.“ Die Achtung vor der Würde des Menschen sei kein Tabu, das es zu brechen gelte, sondern die moralische Grundlage unseres Zusammenlebens. Rabbiner Jonah Sievers (Berlin) ging in seinem Grußwort vor allem auf das Erstarken des Antisemitismus ein. „Leider mussten wir in der letzten Zeit erkennen, dass der latent immer schon vorhandene Antisemitismus seine hässliche Fratze immer ungenierter in der Öffentlichkeit zeigt, sei es als klassischer Antisemitismus oder getarnt als Israel-Kritik. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar.“

Landesbischof Ralf Meister (Hannover) verurteilte in seinem Vortrag die aggressive und ausgrenzende Rhetorik von Rechtspopulisten. „Christen und Juden sind gemeinsam herausgefordert durch populistische Stimmen und Stimmungen, die unsere Gesellschaft und ihren Zusammenhalt erschüttern!“ Rechtspopulismus sei das Symptom einer verängstigten Gesellschaft. Er reagiere auf eine gesellschaftliche Identitätskrise, für die unter anderem auch ein beschleunigter sozialer Wandel ursächlich sei. Es gehe darum, „Abstiegsängste wahrzunehmen, Gespräche zu führen, Konflikte auszutragen.“ Grenzüberschreitungen, mit denen die Grundlagen unserer demokratischen Kultur verschoben werden sollen, seien nicht hinnehmbar. Für Meister sind Kirchen und Synagogen wichtige Orte demokratischer Beteiligung, die für Versöhnung und Verständigung eintreten. Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil (Osnabrück) wies in seinem Vortrag darauf hin, dass Strukturelemente des Rechtspopulismus bereits im biblischen Buch Exodus, konkret im Verhalten des Pharao, der das Volk Israel zur Knechtschaft zwang, identifiziert werden können. „Was jeden Rechtspopulisten ausmacht, ist die Tatsache, dass er versucht, dem eigenen Volk zu vermitteln, dass sie die eigentlichen Opfer im eigenen Land sind, die von den Fremden schamlos ausgebeutet und gefährdet werden.“ Diese Sündenbockstrategie schade nicht nur den Fremden, sondern am Ende allen Bürgern. Deshalb appellierte der Rabbiner: „Jeder Hasspredigt und jeder fremdenfeindlichen Äußerung egal, ob sie religiös, politisch oder gesellschaftlich motiviert ist, muss man vehement entgegentreten.“

Der öffentlichen Veranstaltung war ein internes Gespräch vorausgegangen, in dem sich Rabbiner und Kirchenvertreter über die Bedeutung des interreligiösen Dialogs austauschten.

Seit 2006 treffen sich Mitglieder der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ARK) und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD) mit Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD jährlich zu einem ausführlichen Meinungsaustausch. Alle zwei Jahre führen sie gemeinsam mit dem Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eine öffentliche Veranstaltung durch.

Weitere Informationen unter:

Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschlands – www.a-r-k.de

Deutsche Bischofskonferenz – www.dbk.de

Evangelische Kirche in Deutschland – www.ekd.de

Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschlands – www.ordonline.de

Deutscher Koordinierungsrat – www.deutscher-koordinierungsrat.de

Hannover, 12. März 2018

Pressestelle der EKD
Carsten Splitt