Partnerkonferenz mit ökumenischen Gästen der EKD-Synode

Toleranz aus internationaler Perspektive

Zum ersten Mal hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Vertreter aller weltweit vertraglich mit ihr verbundenen Kirchen vor der jährlichen EKD-Synodentagung zu einer gesonderten Partnerkonferenz eingeladen. Kirchenleitende aus Afrika, Nord- und Südamerika und Europa sind seit Mittwoch, dem 2. November, im Evangelischen Johannisstift in Berlin-Spandau versammelt. Am Freitag, den 4. November, ist der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, mit Vertretern aus deutschen Kirchen und Werken zu einem festlichen Abendessen auf der Partnerkonferenz zu Gast.

Nach dem Austausch in Regionalgruppen am Donnerstag, den 3. November, stand am Freitag die Beschäftigung mit dem Schwerpunktthema der EKD-Synodentagung „Tolerant aus Glauben“ im Mittelpunkt. Nachdem Reinhard Hempelmann, Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, am Vormittag über „Vielfalt in Deutschland“ referiert hat, berichteten Vertreter der ökumenischen Gäste davon, wie sich Christsein in religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaften außerhalb Deutschlands gestalten lässt.

Kirchenpräsident Federico Schäfer von der Evangelischen Kirche am La Plata/Argentinien erläuterte, dass sein Land noch bis ins 19. Jahrhundert fast ausschließlich katholisch geprägt war. So öffnete zum Beispiel erst eine Verfassungs-Novellierung im Jahr 1994 den Weg, dass ein Nicht-Katholik zum Staatspräsidenten gewählt werden kann. Unter anderem durch Einwanderung und Mission sei inzwischen ein religiöser, kultureller und weltanschaulicher Pluralismus entstanden, der „mindestens so mannigfaltig, wenn nicht noch mannigfaltiger ist als der, der in Deutschland und Europa zu erfahren ist.“ Kommunistische Gruppen, die in der Vergangenheit auf eine atheistische Haltung Wert legten, seien eine Minderheit, so Schäfer: „Atheismus ist nicht mehr „in“.“ Allerdings klaffe zwischen dem Bekenntnis zum Glauben und der Alltagsrelevanz dieses Glaubens eine Lücke. Das alltägliche Leben gehe so vonstatten, als wenn es Gott gar nicht gebe. „Ich sage hiermit nichts Neues“, erklärte Schäfer – in Bezug auf die Säkularisierung sei die Situation in Südamerika nicht viel anders als in Deutschland und Europa. Von den reformatorischen Kirchen in Südamerika wünsche er sich, dass sie deutlich Profil zeigten. „Ein zerstückeltes Zeugnis ist ein schlechtes Zeugnis von Jesus Christus.“

Bischof Michael Pryse von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kanada berichtete von einer Umfrage aus dem Jahr 2001, nach der es in Kanada 34 religiöse Gruppierungen mit mehr als 20.000 Mitgliedern gibt. Vor allem die Mitgliederzahlen von nicht-christlichen Religionsgruppen wie Islam, Buddhismus und Hinduismus verzeichneten aufgrund von Migration Zuwachs. 29,2 Prozent der Bevölkerung gehörten im Jahr 2001 protestantischen Kirchen an, zwanzig Jahre früher waren es noch 41,2 Prozent. Die Kirchenmitglieder zeigten steigendes Interesse am Gemeindeleben: 46 Prozent besuchen mindestens einmal im Monat den Gottesdienst – die höchste Zahl seit Beginn regelmäßiger Umfragen im Jahr 1975. Die Säkularisation habe also das Christentum nicht zum Verschwinden gebracht, so Bischof Pryses Schlussfolgerung. Das Christentum habe sich aber von einer sozialen Institution zu einer kulturellen Resource gewandelt. Von gänzlich anderen Rahmenbedingungen konnte Friedrich Gunesch von der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien erzählen. Rumänien sei seit Einführung der Religionsfreiheit 1568 eine multi-ethnische und multi-religiöse Gesellschaft. Und vor allem eine gläubige Gesellschaft: nicht einmal 2 Prozent bezeichnen sich als konfessionslos.

Der südafrikanische Bischof Dieter Lilje erläuterte, wie die Evangelisch-Lutherische Kirche im südlichen Afrika innerhalb weniger Jahre aus einer rein deutschsprachigen zu einer Kirche geworden ist, in der viele verschiedene Sprachen gesprochen werden und viele unterschiedliche Kulturen und Traditionen vertreten sind. Nach der politischen Wende 1994 in Südafrika kamen Menschen aus der schwarzen Bevölkerung in die ehemaligen „weißen“ Stadtteile und suchten neue Kirchengemeinden. So sei Englisch zur gemeinsamen Sprache geworden, obgleich die meisten Gemeindemitglieder andere Muttersprachen hätten. Doch wie könne aus einer so bunten Mischung eine Einheit entstehen? „Wer soll was aufgeben, wer ist bereit dazu?“ Bischof Lilje bezog sich auf Martin Luther: „Der Christ ist nie im Sein, sondern immer im Werden.“ Das gelte auch für die Kirche. Beispielsweise würden gemeinsame Gottesdienste gestaltet, die dann die bunte Vielfalt an Liturgie, Sprache, Musik und Tradition widerspiegelten. „Bei solchen Gottesdiensten wird der unendliche Reichtum der Vielfalt erlebt.“

Charles Hill, Geschäftsführer der Meißen Kommission in der Church of England, ging in seinem Vortrag auf die spezifischen Herausforderungen ein, der sich die ehemalige Weltmacht in Zeiten des Pluralismus gegenübersieht. Während die britische Gesellschaft für Westeuropa recht typisch sei, was die religiöse und kulturelle Vielfalt angehe, werde darüber hinaus auf den britischen Inseln eine andauernde Debatte über nationale Identität geführt. Hill stellte eine Erklärung des Interfaith Network for the UK vor, die Grundlinien für den Umgang der verschiedenen Glaubensgemeinschaften miteinander enthält. Basis des friedlichen Zusammenlebens könnten nur der gegenseitige Respekt, Offenheit und Vertrauen sein. „Das bedeutet, dass wir Wege finden müssen, wo wir unseren Glauben mit Integrität praktizieren können, und es anderen gleichfalls ermöglichen.“

Berlin, 04. November 2005

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi