Generalsynode der VELKD zu „Pfarrerbild und Pfarrerbildung“

Die einstimmig gefasste Entschließung zum Schwerpunktthema im Wortlaut:

„Die gepflanzt sind im Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen.“ Psalm 92,14

I. Wahrnehmen

Pfarrerinnen und Pfarrer sind hoch angesehen, aber auch belastet

Pfarrerinnen und Pfarrer sind in der Öffentlichkeit hoch angesehen und genießen große Wertschätzung. Sie sind als Verkündiger und Seelsorger sehr sprachfähig und in der Lage, auch schwierige Situationen zu deuten, Menschen spirituell zu begleiten und diakonisch angemessen zu handeln. Deshalb werden sie in vielen Lebenslagen, in den Übergängen wie in den Hoch- und Krisenzeiten des Lebens gerne als Begleiter in Anspruch genommen.

Gemäß dem im Ordinationsversprechen genannten Grundauftrag der Kirche, das Evangelium zu verkündigen, sind sie bereit, sich mit vollem Einsatz ihrer Person einzubringen zum Wohle der Menschen und der Kirche. Sie widmen sich ihren Aufgaben fröhlich, mit persönlicher Überzeugung und in christlicher Freiheit. Es ist der Synode bewusst, dass ein großer Teil der pastoralen Arbeit still und unspektakulär geschieht und nicht in Erfolg und Qualität zu erfassen ist. Die Generalsynode nimmt die hohe Dienstbereitschaft mit großem Dank und Anerkennung wahr. Sie schätzt das, was Pfarrerinnen und Pfarrer an ihrem jeweiligen Ort leisten, und sieht die Komplexität der Anforderungen und die Vielfalt der Aufgaben.

Sie sieht auch die Belastungen der Pfarrerschaft. Mit Sorge beobachtet sie, dass Aufgabenkataloge anwachsen, ohne dass klar geregelt ist, wie andere Aufgaben losgelassen werden können.

Der gesellschaftliche Bedeutungs- und Traditionsverlust von kirchlich gebundener Religiosi¬tät führt zu verstärkten Herausforderungen. Die Verkündigung der frohen Botschaft von Gottes heilsamem Handeln erfordert heute ein hohes Maß an sprachlicher und kultureller Vermittlungskompetenz. Außerdem zeigen sich erhöhte Arbeitsbelastungen nicht allein im Verwaltungsbereich. Auch gesellschaftlich und kirchlich bedingter Reformdruck wächst.

Kritisch nimmt die Synode wahr, dass Konflikte in Gemeinden mitunter nicht angegangen und bearbeitet werden. Ehrenamtliche beklagen nicht selten, dass es Pfarrerinnen und Pfarrer an der Bereitschaft mangelt, Aufgaben abzugeben. Die Abgrenzung gegen überzogene Ansprüche aus der Gemeinde fällt ihnen bisweilen schwer, zudem werden die Chancen zur Teamarbeit nicht immer ausreichend genutzt.

II. Orientieren

Konzentration auf die öffentliche Wortverkündigung

Die Generalsynode hat sich im Rahmen ihrer 3. Tagung dem Schwerpunktthema auf vielfältige Weise genähert. Eröffnet wurde die Arbeit mit fünf synodalen Statements. In humorvoller Weise griffen diese das bekannte Motto „Frisch – fromm – fröhlich – frei“ auf. Ein fünfter Beitrag gab zu bedenken, ob Pfarrerinnen und Pfarrer manchmal nicht auch faul sein dürfen oder sogar müssen. Anschließend hielt Prof. Dr. Michael Herbst den Hauptvortrag mit dem Titel „Was bin ich? Pfarrerinnen und Pfarrer zwischen Zuspruch und Zumutung.“

Den Synodalen wurde deutlich, dass es für die aufgezeigten Probleme, die den Pfarrberuf gegenwärtig belasten, keine einfachen Lösungen gibt. Kirche und wissenschaftliche Theologie befinden sich diesbezüglich vielmehr in einem laufenden Prozess. Es ist nicht mehr möglich, zu einem einheitlichen Pfarrerbild vergangener Jahrhunderte zurückzukehren, da wir neben dem gemeindlichen Pfarramt auch Pfarrerinnen und Pfarrer in besonderen Pfarrämtern und Funktionen tätig sind. Gerade deshalb bedarf es einer Konzentration auf biblisch-theologische Grundaussagen im Hinblick auf das Amt der Verkündigung und auf die sich daraus ergebenden praktischen Konsequenzen.

Prof. Michael Herbst wies in seinem Vortrag darauf hin, dass Pfarrerinnen und Pfarrer in erster Linie „allgemeine Priester“ sind. „Sie gehören mithin zuerst zur Gemeinde, mit der sie die Taufe und den Glauben teilen. Sie sind Gemeindeglieder. Sie leben aus derselben Quelle. Sie stehen Christus, dem Haupt des Leibes, ebenso gegenüber. Sie bedürfen der Lehre, des Trostes, der Vergebung, der Ermutigung und der Ergänzung.“ Dabei wurde klar, dass neben dem entlastenden Votum von Prof. Herbst auch der Aspekt des Amtes in seinem Gegenüber zur Gemeinde und allen, denen die Verkündigung gilt, bedacht werden muss.

Es ist nach evangelischem Verständnis ein Amt, das allen Christen anvertraut ist. Pfarrerinnen und Pfarrern nehmen dieses jedoch in einer besonderen Weise wahr. Gemäß dem Augsburger Bekenntnis (Artikel 14) sind sie ordnungsgemäß berufen, den allen Christen anvertrauten Auftrag, das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen, öffentlich wahrzunehmen.

III. Gestalten

Mündige Gemeinde fördern und Freiräume nutzen

Christliche Gemeinde ist mündige Gemeinde. Sie ist eine Gemeinschaft von Menschen, die allezeit bereit und fähig sind, über ihren Glauben Auskunft zu geben und für das gemeindliche Leben Verantwortung zu übernehmen. Pfarrerinnen und Pfarrern obliegt die Aufgabe, dies zu fördern.

Im Anschluss an die Bearbeitung des Schwerpunktthemas gibt die Synode außerdem zu bedenken, dass die weit verbreitete Pfarrerzentrierung in den Gemeinden wie auch im öffentlichen Bewusstsein der Gesellschaft dem Verhältnis von allgemeinem Priestertum und dem Amt der öffentlichen Wortverkündigung, wie das Augsburger Bekenntnis es in den Artikeln 5 und 14 bestimmt, nicht entspricht. Es ist und bleibt eine wichtige Aufgabe für die Zukunft, daran zu arbeiten, dass das eine Amt der Verkündigung des Evangeliums von Gemeindegliedern und ordnungsgemäß berufenen Amtsträgern gemeinsam wahrgenommen und verantwortet wird.

Eine weitere Aufgabe besteht darin, den im Augsburger Bekenntnis (Artikel 14) beschriebenen Auftrag zur öffentlichen Verkündigung der Ordinierten immer wieder neu in den Blick zu nehmen. Die Synode sieht es als Aufgabe, eine Konzentration auf den Grund¬auftrag auf verschiedenen Ebenen der Kirche zu bedenken. So können Kriterien gewonnen werden, die es ermöglichen, die Fülle der Aufgaben, Anforderungen und Zumutungen an das Pfarrerbild und die Pfarrerbildung zu ordnen und Prioritäten zu setzen.

Kirchenleitungen wie auch Gemeindeleitungen sind dafür verantwortlich, Rahmen¬bedingungen zu schaffen, in denen Pfarrerinnen und Pfarrer ihre vorrangigen Aufgaben klären und sachgemäß wahrnehmen können. Dazu gehört es, dass Pfarrerinnen und Pfarrer über Frei¬räume für Fortbildung und persönliches Selbststudium, geistliche Einkehr und gelebte Spiri¬tualität verfügen. Ein geregelter Austausch in der Gemeinschaft der Ordinierten sowie Beglei¬tung und Beratung - wie zum Beispiel Supervision   sollten jederzeit möglich sein.

Die Synode hält fest, dass eine geregelte Aus-, Fort- und Selbstbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer unverzichtbar ist.

In diesen Perspektiven erschließt sich die Verheißung des 92. Psalms: „Die gepflanzt sind im Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein, dass sie verkündigen, wie der HERR es recht macht.“

Hannover, 09. November 2010

Udo Hahn
Pressesprecher