Kirchlich Leiten heisst geleitet werden

Bundesweite Fachtagung „Kirchenleitung“ im Theologischen Studienseminar Pullach

Die Kirche wird durch das Wort Gottes geleitet: Dies war das eindeutige Votum der Teilnehmer einer Fachtagung zum Thema „Was kennzeichnet Kirchenleitung nach lutherischem Verständnis?“ im Theologischen Studienseminar der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Pullach. „Man ist wieder dabei zu lernen, dass theologische und nicht nur organisatorische Fragen im Vordergrund stehen müssen“, so Rektor Matthias Rein. „Es bleibt Unverfügbares“, so Rein weiter. „Es bleibt etwas, das die Kirchenleitung nicht einfach in der Hand hat.“

Auf dem viertägigen Treffen von rund 25 Führungskräften aus 13 Landeskirchen betonte der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler und Organisationstheoretiker Prof. Dr. Günther Ortmann, wie notwendig moralische Leitlinien für Organisationen seien. Organisationen trügen moralische Verantwortung für ihr Handeln, auch wenn sie zur Moralverdrängung neigten. Daher sei einer Verselbstständigung von Organisationen entgegenzutreten. Allerdings sei eine über das Funktionieren der Organisation hinausgehende Moral nicht direkt herstellbar. „Insbesondere kann man sie nicht kaufen.“ Loyalität, Anerkennung und Vertrauen müssten „als Nebenprodukt eigenen loyalen, vertrauenswürdigen Verhaltens der Organisation und besonders ihrer Leitenden gewonnen und als Gabe weiter gereicht werden“, so Ortmann.

Der Kieler Bischof Gerhard Ulrich, seit Anfang November Leitender Bischof der VELKD, brachte in seinem Beitrag die Anforderungen kirchlichen Leitens auf den Punkt. Das Instrument zur Leitung der Kirche sei das Wort Gottes. Daraus ergebe sich, dass Kirchenleitung selbst immer durch das Wort geleitet sei. Die Kirche brauche zuerst Lust am Wort und lebe „aus und von der Begeisterung für die Sache Gottes“, so Ulrich weiter. Ein guter Bischof komme als Gast, um hinzuhören. Im zweiten Schritt habe er dann „die Predigt des Evangeliums in Wort und Tat“ mitzubringen.

Propst Dr. Horst Gorski (Hamburg) gab einen Einblick in den spannenden Entstehungsprozess der Verfassung der im kommenden Jahr neu zu bildenden Nordkirche, in der es in Artikel 2 über die Kirche heißt: „Sie lebt als Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern im Hören auf Gottes Wort, in der Feier der Sakramente und im Dienst an den Menschen.“ Das Hören auf Gottes Wort sei unverzichtbar, wenn die Kirche von der Mitte ihrer Botschaft her leben wolle. „Man ist vor einiger Zeit wieder zu der Einsicht gekommen, dass es um Verkündigung und nicht um Selbsterhaltung geht“, erläuterte Matthias Rein. Die Schattenseiten, die jede Organisation mit sich bringe, seien zu bändigen. „Sonst macht die Organisation mit uns, was sie will“, so der Pullacher Rektor.

Vizepräsident Dr. Thies Gundlach vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fragte in seinem Statement, wie viel profiliertes Reden eine Kirchenleitung sich leisten könne. Leitung dürfe nicht farblos werden, sie sei notwendigerweise „ein Top-down-Prozess, der erst in einem zweiten Schritt ein Bottom-up-Prozess“ werde. Dadurch, dass Kirchenleitung durch Wahrheit und Klarheit provoziere, setze sie in geradezu klassischer Weise „Leitung durch das Wort“ um, so Gundlach.

Weitere Beiträge befassten sich mit der Förderung des Anteils von Frauen in kirchenleitender Verantwortung sowie mit der wachsenden Bedeutung der Region als wichtige kirchliche Gestaltungsebene.

Als Teilnehmer der Fachtagung waren Bischöfe, kirchenleitend Verantwortliche aus den Landeskirchenämtern und von der ephoralen Leitungsebene aus allen Teilen Deutschlands sowie Mitarbeiter des EKD-Reformbüros zusammengekommen. Die Thesen, Beiträge und Ergebnisse der Tagung zu Themen kirchlicher Leitung sollen in einer Publikation zugänglich gemacht werden.

Hannover, 21. November 2011

Dr. Eberhard Blanke
Pressesprecher der VELKD