Predigt im Ökumenischen Gottesdienst in Riga

Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche

Es gilt das gesprochene Wort.

Kurzpredigt zu Hesekiel 36

Liebe Schwestern und Brüder –

Wie gut ist es, dass wir gemeinsam feiern, trotz aller Unterschiede. Verbunden im Namen dessen, der uns eint: Jesus Christus! Wie gut ist das in Zeiten, wo wir weltweit so viel Zertrennung und Spaltung erleben. Mauern werden gebaut, Wut geschürt. Die Menschen in Europa suchen Zusammenhalt in unseren Gesellschaften, mehr denn je. Es braucht jetzt besonders die Freundschaft der Demokraten, derer, die sich einsetzen für die Freiheit der Gedanken und für die Liebe zum Nächsten. Unbeirrt. Auch jenseits des Atlantik.

Gerade mit diesem Reformationsjubiläum geht´s um solch neuen Zukunftsmut! Mit einem neuen Herzen und neuem Geist, sagt Ezechiel. Aus der starken Wurzel unseres Ursprungs heraus. Gemeinsam.

Gemeinsam mit einer Delegation der katholischen Bischofskonferenz sind wir deshalb vom Rat der EKD im Heiligen Land auf den Spuren Jesu gepilgert. Im Oktober, bei 30 Grad im Schatten. Da sind nicht nur die Füße, sondern auch die Herzen warm geworden. Und wir sind uns so nahe gekommen in diesen gemeinsamen Stunden der Entdeckung! Wir sahen die tiefe Schönheit des heiligen Landes, das zugleich so heillos zerstritten ist. Wir standen an der Wiege des Christentums, uns gegenüber eine acht Meter hohe, hoffnungsverstörende Mauer. Wir sahen das Friedenszeugnis auch der Orthodoxen und altorientalischen Geschwister, die dort seit Jahrhunderten leben, und wir sangen und beteten. Gemeinsam.

Und dann konnten wir Bischöfe eben nicht gemeinsam Abendmahl feiern. Ein tiefer Schmerz, für alle. Aber er war wichtig zu fühlen. Weil er uns hat verstehen lassen, dass es ans Herz geht, wenn etwas uns trennt. In der Art, wie wir Kirche sind: Nicht nur katholisch und orthodox und evangelisch, sondern auch lutherisch hier und lutherisch dort.

Der Schmerz hat uns sensibler gemacht. Dafür, wie leichtfertig wir manchmal mit dogmatischer Zurechtweisung des jeweils anderen bei der Hand sind. Und auf einmal konnten wir neu reden. Zugewandter. Ehrlicher.

Die Wahrhaftigkeit unseres Glaubens liegt nicht in Einheitsparolen. Sondern ist kluge Bildung mit Herz. Eine Theologie der freien Gedanken. Von Brüdern UND Schwestern. Zutiefst fähig, die Pluralität zu würdigen und zu fragen:  Wie gehen wir mit verschiedenen Ansichten um, zwischen unseren Konfessionen und innerhalb einer Konfession? Möge es doch gelingen, einen Ansporn in dem zu sehen, was uns trennt – und zugleich zu glauben, dass es anders werden kann.

Hesekiel setzt ja auch alles auf Anfang. „Gott spricht: Ich … lege einen neuen Geist in euch“. Er weiß: ohne inneren Kompass, ohne Orientierung wächst die Angst. Und das Herz versteinert, sagt Hesekiel. Da braucht es etwas, was das Herz neu pulsieren lässt: Ein rettender Gedanke, Christenmenschen, die Steine wegräumen und Lieder, die befreien!

Wir dürfen uns gerade in diesen Zeiten weltweiter Unsicherheit nicht zurückzuziehen in die eigne feste Burg. Sondern mit Mut den Suchenden entgegengehen. Einen neuen Geist legt Gott in uns – entgegen der Geistlosigkeit all der Engstirnigen dieser Welt. Fassen wir uns dazu ein Herz, liebe Geschwister, sind wir doch getragen von Gott, der mit uns über Mauern springt.

Amen