Bischof Huber protestiert gegen Neonaziaufmarsch in Halbe

Ratsvorsitzender ruft zur Teilnahme an Gegenkundgebungen auf

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Wolfgang Huber, wird am Samstag, den 18. Juni 2005, in der regelmäßigen Sendereihe „Wort des Bischofs“ auf 88,8 im RBB zur Teilnahme am Protest gegen den Naziaufmarsch im brandenburgischen Halbe aufrufen. Er hoffe, dass viele Bürgerinnen und Bürger ein Zeichen setzen werden, wie am 8. Mai in Berlin. Neonazistische Aufmärsche, Parolen oder sogar Gewalttaten dürften nicht den Alltag bestimmen. Kirchen, Politik, Nachbarn, Lehrer und Eltern sind gefordert, gemeinsam hinzuschauen und einzugreifen, wenn Kinder in den Bann einer rechten Jugendkultur geraten. „Nur durch das Einstehen für die Würde des Menschen im Alltag behält unser Land ein menschliches Gesicht.“

Hannover / Berlin, 15. Juni 2005

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Nachfolgend der Wortlaut des Bischofswortes am Samstag, 18. Juni 2005

BISCHOFSWORT FÜR DEN 18. JUNI 2005 / RBB 88ACHT

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Auf dem Soldatenfriedhof im brandenburgischen Halbe haben die wenigsten Toten einen Namen. Die meisten mussten anonym bestattet werden. Nur einige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges starben bei der Kesselschlacht in den Wäldern um Halbe 30 000 deutsche Soldaten, 20 000 sowjetische Soldaten und 10 000 Zivilisten. In Halbe liegt somit die größte Kriegsgräberstätte der Bundesrepublik. Im November des vorigen Jahres marschierten Neonazis zum Soldatenfriedhof. Schon damals versuchten sie, den Friedhof für ihr so genanntes „Heldengedenken“ zu missbrauchen.

Für heute haben die Neonazis erneut eine Demonstration angemeldet. Dabei wollen sie testen, wie ernst es der brandenburgischen Regierung mit der Durchsetzung des neuen Gedenkstättengesetzes ist. Doch nur die Toten selbst – Soldaten wie Zivilisten –, die in den letzten Tagen des Krieges hier ihr Leben verloren haben, könnten den Neonazis sagen, wie wenig heldenhaft das Sterben im Kessel von Halbe war, wie viel Angst sie vor dem Tod hatten, und wie gern sie weitergelebt hätten, um ihre Frauen und Kinder wieder zu sehen. Sie alle wussten in jenen Tagen, dass der Krieg bald zu Ende sein würde.

Da die Toten von dem Grauen nicht mehr berichten können, ist es an uns, dies zu tun. Mehr noch, es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass unser Land nicht noch einmal unter den Bann eines Denkens gerät, das mit einer falschen Heldenverehrung und einer absurden Todessehnsucht nichts als Leid über die Menschen brachte. Politik, Kirchen und Verbände müssen hierbei zusammenstehen.

Landesweit ist in Brandenburg ein Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit tätig. Nötig sind solche Bündnisse aber auch vor Ort in den brandenburgischen Städten und Orten, damit nicht neonazistische Aufmärsche, Parolen oder gar Gewalttaten die Alltagswirklichkeit bestimmen. Denn dort, wo Nachbarn, Lehrer und Politiker nicht wegschauen, kann sich die Atmosphäre zum Besseren verändern. Wer in einer Demokratie leben will, muss auch für eine demokratische Kultur im Land kämpfen. Niemand darf zulassen, dass Angsträume entstehen, in die sich andere nicht mehr hineintrauen. Eltern sollten nicht schweigend zuschauen, wenn ihre Kinder in den Bann einer rechten Jugendkultur geraten. Wir alle müssen hinschauen und falls nötig eingreifen, statt tatenlos zusehen.

Ich hoffe, dass viele Bürgerinnen und Bürger heute in Halbe gegen den Aufmarsch der Neonazis ein Zeichen setzen werden, wie das am 8. Mai auch in Berlin der Fall war. Jeder sollte frei von Angst leben können, ob er an einer Bushaltestelle steht, einen türkischen Imbiss betreibt oder in einem Jugendclub feiert. Nur durch das Einstehen für die Würde des Menschen im Alltag behält unser Land ein menschliches Gesicht.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Bleiben Sie behütet!