Nachträgliche Bitte um Verzeihung

Huber fordert Türken, Armenier und Deutsche auf Schuld zu bekennen

Er sehe „mit Beschämung die Verstrickung“ des deutschen Volkes in den Völkermord an den Armeniern. Dies erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, bei einer Seelenmesse anlässlich des 90. Jahrestages des Völkermords an den Armeniern am Samstag, 24. April, im Berliner Dom. Für die europäischen Großmächte jener Zeit und vor allem für das deutsche Kaiserreich seien eigene Interessen wichtiger gewesen als der Aufschrei für Menschen, „die zu Millionen ihr Leben lassen oder fliehen mussten“. Er schäme sich im Nachhinein für diese politische Gleichgültigkeit und bitte das armenische Volk um Verzeihung.

Der Genozid am armenischen Volk sei zu sehen vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der Erfahrung, die Deutsche in der Aufarbeitung dieser Ereignisse gemacht haben, erläuterte der Ratsvorsitzende: „Ohne die Erinnerung holen uns solche Ereignisse ein und machen uns zu ihren Gefangenen.“ Die Versuchung sei groß, durch Schweigen alles zu vergessen. Doch Zukunft könne nur gewinnen, wer die Erfahrung nicht verschweigt. Deshalb fordere die evangelische Kirche die türkische Regierung auf, „sich mit ihrer Rolle gegenüber dem armenischen Volk in Geschichte und Gegenwart auseinanderzusetzen“. Das türkische und das armenische Volk sollen sich für die Versöhnung untereinander einsetzen und die zwischenstaatlichen Beziehungen normalisieren. An die deutsche Regierung richtete er die Bitte, „sich zur deutschen Mitschuld zu bekennen, den deutschen Anteil an den Ereignissen aufzuarbeiten und im eigenen politischen Handeln daraus Konsequenzen zu ziehen.“

Schon im Vorfeld des 90. Jahrestags des Völkermords an den Armeniern hatte der Rat der EKD erklärt, dass „Erinnern um der Versöhnung willen“ nötig sei: „Die Vergangenheit lässt uns nicht los, bis sie wirklich aufgearbeitet ist. Schuld muss angenommen werden, die Wahrheit muss verkündet werden. Dieser schwere Schritt der Rückwendung zur eigenen Geschichte ist notwendig, um den Weg zur Vergebung zu öffnen, bittere Erinnerungen zu heilen und eine gemeinsame Zukunft zu gewinnen.“

Hannover / Berlin, 23. April 2005

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Text der Gedenkrede