Kritik an Sammelabschiebung nach Afghanistan

Erzbischof Heße und Präses Rekowski fordern Sicherheit der Person vor migrationspolitischen Überlegungen

Gestern Abend (23. Januar 2017) ist die zweite Sammelabschiebung von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan durchgeführt worden. Der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), und der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Rekowski (Evangelische Kirche im Rheinland), kritisieren die Rückführungen nach Afghanistan: „Kein Mensch darf in eine Region zurückgeschickt werden, in der sein Leben durch Krieg und Gewalt bedroht ist. Die Sicherheit der Person muss stets Vorrang haben gegenüber migrationspolitischen Erwägungen.“

Erzbischof Heße wies darauf hin, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan im Verlauf des letzten Jahres weiter verschlechtert habe: „Die innerstaatlichen bewaffneten Konflikte in Afghanistan haben sich zugespitzt, zugleich hat auch die Zahl der innerhalb des Landes in die Flucht getriebenen Menschen zugenommen.“ Da immer mehr Binnenvertriebene in der afghanischen Hauptstadt Kabul Schutz suchten, sei auch dort die Situation schwieriger geworden. „Die Berichte des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen und weiterer internationaler Organisationen deuten darauf hin, dass Rückführungen nach Afghanistan humanitär unverantwortlich sind. Wenn die Sicherheitslage prekär ist, sind auch die Menschenrechte in Gefahr“, betonte Präses Rekowski. Auch die Internationale Organisation für Migration und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen würden von einer erheblichen Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan und teilweise bürgerkriegsähnlichen Zuständen berichten.

Die beiden Kirchen sprechen sich nicht grundsätzlich dagegen aus, dass Personen, die in Deutschland keine Bleibeperspektive haben, in ihre Heimat zurückgeführt werden. Abschiebungen in lebensgefährliche Gebiete seien jedoch inakzeptabel, so Erzbischof Heße und Präses Rekowski. „Wenn ein Asylbewerber infolge eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens in seine Heimat zurückkehren muss, trägt unser Land die Verantwortung für sein Wohlergehen. Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob Gefahren für Leib und Leben drohen und ob eine Rückkehr tatsächlich zumutbar ist“, hoben Erzbischof Heße und Präses Rekowski hervor. Rückgeführte Personen sollten weiterhin dabei unterstützt werden, für sich und ihre Familien ein menschenwürdiges Leben aufzubauen.

Hannover, 24. Januar 2017

Pressestelle der EKD
Carsten Splitt