„Autobahnkirchen müssen neu gestaltet werden“

Zum Tag der Autobahnkirchen empfieht der Soziologe Michael Ebertz Veränderungen

Autobahnkirchen in Deutschland gibt es immer mehr davon: waren es 2011 noch 38, sind es inzwischen 44. Jedes Jahr kommen nach Angaben der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen, die sich für die Autobahnkirchen engagiert, rund eine Million Besucher. Doch sollten die Kirchen ihre Angebote modernisieren, sagt Michael Ebertz, Soziologe von der Katholischen Hochschule in Freiburg, der Autobahnkirchen erforscht hat.

Schild Autobahnkirche

Eine Million Menschen gehen jedes Jahr in Autobahnkirchen - was suchen sie dort?

Michael Ebertz: Die Autofahrer wollen eine Pause machen, aber nicht im klassischen Konsumtempel einer gewöhnlichen Raststätte. In die Autobahnkirchen gehen vor allem Menschen mittleren und höheren Alters. Die meisten bleiben nur etwa fünf Minuten. Viele schreiben ein kurzes Gebet auf oder zünden eine Kerze an. Autobahnkirchen dienen der Entschleunigung. Viele Besucher wollen ihre Reise unter den Schutz Gottes stellen. Die Erwartung der Kirche, dass man in den Autobahnkirchen insbesondere kirchenferne Menschen erreicht, erfüllt sich eher nicht: Viele Besucher engagieren sich bereits in ihrer Heimatgemeinde und gehen auch sonst regelmäßig zum Gottesdienst.

Warum kommen denn kaum Kirchenferne?

Ebertz: Einige Autobahnkirchen wirken sehr verlassen. Die Kirchen verpassen die Chance, Reisende anderer, kirchenferner Milieus zu erreichen. Dafür müssten die Gotteshäuser neu gestaltet und bespielt werden. Wenn das nicht passiert, haben wir nur ein paar Außenstellen von ohnehin schrumpfenden Gemeindekirchen mehr. Die Menschen brauchen heute unterschiedliche Angebote – aber das gelingt weder in den meisten Ortsgemeinden, noch in vielen Autobahnkirchen.

Wie müssten solche verschiedenen Angebote aussehen?

Ebertz: Warum nicht einmal eine Musikbox mit verschiedenen Liedern aufstellen, oder eine Losungs- und Evangeliumsbox: „Nimm und lies, Deine Frohe Botschaft für heute!“? Die Kirchen könnten zum Beispiel unterscheiden zwischen Reisenden, die gläubig und denjenigen, die Suchende sind, zufällig in die Kirche hineinschneien und eine kurze spirituelle Botschaft brauchen. Aus Studien wissen wir: Viele Kirchenferne wollen nur eine Kerze anzünden und das in einem ansprechenden Raum ohne die typischen christlichen Symbole. Sie suchen eine Art Fast-Food-Kirche. In manchen Gotteshäusern gibt es dafür einen Vorraum – in den Autobahnkirchen bislang kaum. Wer dann mehr will, der kann den Schritt gehen, den Kirchenraum betreten und in sein Geheimnis eintauchen. Diese Unterscheidung entspricht den heutigen religiösen Verhältnissen.

Interview: Theresa Liebig

Am Sonntag, 18. Juni 2017, ist Tag der Autobahnkirchen. Alle Autobahnkirchen laden an diesem Tag zu besonderen Gottesdiensten und Veranstaltungen ein.