Grußwort auf dem Empfang anlässlich der Einführung für die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017

Katrin Göring-Eckardt

Berlin

Achtung! Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, 

gerade haben wir in den Dienst eingeführt: „Die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017“. Kann man sich einen schöneren Titel vorstellen? Natürlich ist er zu lang und zu sperrig; aber er ist in der Sache richtig. Dagegen zeigt die umgangssprachliche Rede von der Luther-Botschafterin in die falsche Richtung: Denn weder ist die Luther-Botschafterin beauftragt, Künderin Martin Luthers zu sein, noch wollte der eine Botschafterin für sich selbst haben – vielleicht jenseits von seiner Käthe. Und womöglich hätte Martin Luther sich auch nicht träumen lassen, dass einst ein Weib Reformationsbotschafterin würde, wo er doch Frauen eher nachgeordnet wichtig fand. Doch es steht der evangelischen Kirche des 21. Jahrhunderts gut zu Gesicht, dass ihre „beauftragteste“ Künderin Rock trägt und Absatz.

Luther-Botschafterin also trifft es nicht. Beim Reformationsjubiläum soll es ja gerade nicht zuerst um die Person gehen, sondern um das Evangelium. Es sollen nicht, wie vor hundert Jahren noch, Luthers heldenhafte Taten bejubelt werden. Sondern um die von Martin Luther wiederentdeckte Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes soll es gehen, auch 500 Jahre nachdem die Welt diese Botschaft durch ihn gehört hat. Evangeliums-Botschafterin also müsste es heißen, doch das sind alle Christinnen und Christen; also am besten: Reformations-Botschafterin. 

Es ist die Botschaft der Reformation, die von Wittenberg aus in ganz Europa gehört wurde. Es ist die Botschaft von Freiheit und Gnade, die die Reformatoren – und ja auch Reformatorinnen - von allerhand Verstellungen befreit ans Licht gebracht haben. Und es ist die Schlüsselfrage für alle, die sich auf das Reformationsjubiläum 2017 vorbreiten, wie diese Botschaft des Evangelium heute verkündet werden kann, so dass Menschen begreifen: das hat mit mir zu tun. Um vielleicht ganz neu diese Urerfahrung machen können, frei zu sein, geliebt und eben: gerechtfertigt allein aus Gnade.

Dazu braucht man heute einen Botschafts-Botschafter, eine Öffentlichkeits-Arbeiterin, die klug reden kann von Gott, die mit den Medien umzugehen weiß, die Menschen begeistert. 
Nun ist eine Reformations-Botschafterin beauftragt, die Martin Luther ein kritisch zu würdigendes Vorbild nennt. Viel Zustimmung erhält der klare Kopf und kräftige Polterer aus Wittenberg, aber auch Kritik und Einwände, Auseinandersetzung und Distanzierung. Luther ist theologisch kein sakrosankter Heiliger, wir sollen auch ihn und seine Lehre prüfen an dem Kriterium, dass alle Reformatoren uns einprägten: der Heiligen Schrift.

Reformations-Botschafterin ist mit Margot Käßmann eine Frau, die das Evangelium in eine Sprache übersetzt, die heute verstanden und gerne gelesen wird. Es heißt von ihr, sie habe die Religion zurück an die Küchentische gebracht. Es ist eine, die gehört wird und gehört werden will, die dem „Volk aufs Maul“ schaut, die den Ton kennt, der nachhallt und den Nerv der Zeit trifft. Eine, für die das Evangelium politisch ist und die Stimme der Kirche in die Gesellschaft hinein laut sein soll – gleichwohl es dabei nicht immer ausreicht, dem Volk aufs Maul zu schauen.

Margot Käßmann ist eine Frau, die mit solcher Überzeugung von Gottes heilbringender Kraft zu erzählen vermag, dass Menschen gestärkt weitergehen können und Zweifelnde klarer sehen, dass Brüche im Leben nicht Scheitern sein müssen, sondern dass man neu anfangen kann - im Vertrauen darauf, dass Gott sich immer wieder finden lässt, mitten in gottlosen Zeiten.   

Als Botschafterin nun ist ihr die nicht unbedingt leichte Aufgabe übertragen, die Anliegen der Reformation ins öffentliche Bewusstsein, in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen. Sie soll erzählen von den Aufbrüchen des Anfangs, von diesem unfassbaren Geschenk der Freiheit und davon, keine Angst mehr haben zu müssen. Sie soll unsere Verfangenheiten heute benennen, aus denen wir uns so sehnen auszubrechen – was wir können, wenn wir uns von der befreienden Botschaft des Evangeliums berühren lassen. Ja, wir wünschen uns, dass die Menschen wieder neugierig werden auf Gott.

Mit Luther, natürlich, aber ohne beim Luther-Zitieren stehen zu bleiben. Denn die Reformation hat eine lange und breite Wirkungsgeschichte bis heute: Viele Selbstverständlichkeiten unserer heutigen Kultur wurzeln in der Reformation: von der berühmten „Mündigkeit eines Christenmenschen“, die sich in demokratischen Grundspielregeln heute wiederfindet, bis zum reformatorischen Freiheitsbegriff, der unsere gemeinsame Geschichte in Ost und West im letzten Jahrhundert prägte. Vom Bildungsaufbruch der Reformation, der eine – heute würde man sagen – grundsätzliche Beteiligungsgerechtigkeit eröffnete, bis hin zur nur mühsam akzeptierten Vielfalt von Religionen in einem Land. Die Reformation hat nicht nur Prägekraft, sondern auch viel Unabgegoltenes, das segensreich ist auch für das 21. Jahrhundert.

Dies braucht und verdient viele Botschafter und Botschafterinnen, und eine ganz besonders:  Nämlich dich, liebe Margot. Dir wünsche ich, dass es dir gelingt umzugehen mit den Erwartungen und Ansprüchen, die nun von verschiedenen Seiten an dich herangetragen werden. Vielleicht mit dem Luthersatz im Rücken: „Die Worte Christi sind immer treffend. Haben Hände und Füße. Sie gehen über alle Weisheit, Ratschläge und List der Weisen hinaus.“ Ich hoffe, dass es dir gelingt, vom Evangelium zu erzählen, gewinnend und fröhlich. Und dass du von der Botschaft der Reformation so sprechen kannst, dass die Menschen „mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist“, die die Reformation im Evangelium freigelegt hat (vgl. Eph 3, 18)   

Liebe Margot, wir werden in den kommenden Jahren viel von dir hören und noch mehr lesen – und ich freue mich darauf. Alles Gute und Gottes Segen.