Redebeitrag auf dem Zukunftsforum 2017 in Bochum

Margot Käßmann

Liebe Teilnehmende,

meine Aufgabe ist nun der Werbeblock für 2017. Oh ja, schon höre ich Bedenken! Ist das denn das richtige Datum, war Luther da nicht noch Reformkatholik und hat er wirklich die Thesen an die Tür geschlagen? Außerdem: Darf denn eine Kirche feiern, die selbst mit zurückgehenden Mitgliederzahlen und Sparmaßnahmen zu kämpfen hat? Was soll das denn kosten? Und gibt es nicht eine Eventisierung, würde nicht ein kleines feines Wissenschaftssymposion reichen?

Ach ja, so könnten wir nun lamentieren und sagen: Lass fahren dahin. Ich möchte gern sagen: Wir wären doch im wahrsten Sinne ver-rückt, wenn wir fünfhundert Jahre Reformation nicht feiern würden. Oja, die Erfahrung der Freiheit eines Christenmenschen, die Rückbesinnung auf die Bibel, die Offenbarung der Rechtfertigung allein aus Glauben und allein aus Gnade, die Entdeckung des Priestertums aller glaubenden Getauften. Und wenn wir das dann auch noch übersetzen können in unsere säkulare Erfolgsgesellschaft hinein, das wäre wahrhaftig Grund zu feiern.

Und feiern können wir auch, dass die ecclesia reformata sich wahrhaftig weiter reformiert hat, eine Lerngeschichte gibt es. Wir haben die Judenfeindschaft überwunden, sind angekommen im demokratischen Staat, kennen eine ökumenische Bewegung und haben verstanden: Wenn alle, die aus der Taufe gekrochen sind, Priester, Bischof, Papst sind – dann auch die Frauen! Wenn das alles kein Grund zum Feiern ist! Ich kann mir vorstellen, dass wir beispielsweise mit römischen Katholiken pilgern – das wäre ein schönes Signal für einen Weg nach vorn. Der Rat der EKD und die Deutsche Bischofskonferenz, aber auch ein Kirchenkreis, Gemeinden, sie könnten ökumenisch pilgern. Ja, wir haben uns auf getrennte Wege begeben ab 1517 bzw. 1520. Aber 2017 wissen wir sehr wohl: Es ist gut, gemeinsame Wege nach vorn zu gehen! Gehen wir das Jubiläum also fröhlich an, lassen wir es ein Fest werden! Luther ist die Symbolfigur, 1517 ist das Symboldatum für einen weiten Prozess der Erneuerung von Glauben, Kirche und Welt.

Hören wir dazu Luther: „So höret nun, was wir in Gottes Namen zu Euch sagen, nämlich, dass Ihr fröhlich sein sollt in Christus, der Euer gnädiger Herr ist. Lasst ihn für Euch sorgen: er sorgt auch für Euch, wenn Ihr auch noch nicht habt, was Ihr gern hättet. Er lebt noch, und erwartet das Beste von ihm, das gefällt ihm, wie die Schrift sagt, als das beste Opfer. Denn es gibt kein lieblicheres Opfer als ein fröhliches Herz.“[1]

Vor ihnen liegt nun auf dem Tisch ein Holzwürfel. Vielen Dank an dieser Stelle an Ulrich Schneider und Luise Woldt sowie die Geschäftsstelle 2017 insgesamt, die in relativ kurzer Zeit überlegt haben, was sie Ihnen mitgeben können. Lassen Sie mich einen Vorschlag machen: Der Würfel geht auf Ihren Schreibtisch bis 2017 – immer das Ziel vor Augen. Und danach hüten Sie ihn! Es gibt nur 1000 Stück, alsbald könnte das bei ebay eine Rarität werden...

Also: Es wird beginnen mit einem Festgottesdienst am 31. Oktober 2016. Anfang November wird eine Art Reformationstruck quer durch Europa fahren. Auf einem europäischen Stationenweg soll gefragt werden: Was meint Reformation heute in Prag und in Genf, in Straßburg und in Budapest? Auch deutsche Städte sollen dabei sein: Coburg und Aurich, Worms und Marburg. Nutzen Sie das! Es ist eine Chance, in Ihrer Stadt, an ihrem Ort mitzumachen nicht allein bei einem historisierenden Ereignis, sondern bei der Frage: Wie geht unsere Kirche in die Zukunft des 21. Jahrhunderts?

Dieser Stationenweg soll am 4. Mai, dem Tag der Ankunft Luthers auf der Wartburg, Eisenach erreichen und am 20. Mai in Wittenberg ankommen. Dann wollen wir die Weltausstellung der Reformation eröffnen. Es geht um die Tore nach Wittenberg, die sich öffnen werden. Wittenberg ist zwar kleiner als Bochum, aber in aller Welt deutlich besser bekannt! Gerade in Übersee sind viele voller gespannter Vorfreude, diese Tore zu durchschreiten. Wie ist es mit dem Thema Gerechtigkeit, die im Tor gesprochen wird? Wie mit dem Tor zur Welt, das die Reformation war? Wie öffnen sich Tore zur Freiheit, etwas im ehemaligen Wittenberger Gefängnis, das zum Ort der Kunst und Kultur werden soll. Bis in den  September hinein hoffe ich auf eine kreative Vielfalt, die zeigt: 2017 wird nicht deutsch-national-lutherisch gefeiert, sondern es wird ein internationaler Sommer der Reformation mit deutlich ökumenischem Horizont.

Parallel dazu wird es ein internationales Jugendcamp geben. Konfirmanden- und Jugendgruppen können zusammenkommen, 2000 Jugendliche je parallel auf ein paar Tage, ein oder zwei Wochen. Wir hoffen, dass Sie Interesse finden an der Reformation, vielleicht Luther twittern, wer weiß. Sie können den Jugendlichen bei Ihnen vor Ort sagen: Lasst uns im Sommer 2017 nach Wittenberg gehen! Vielleicht erleben wir da ja eine Art reformatorisches Woodstock 2017, das wäre doch großartig.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag findet vom 25.-27. Mai 2017 in Berlin statt. Parallel wird es Kirchentage auf dem Wege geben in der Tradition der Kirchentage in der DDR. Die Kirchen in Jena und Halle, in Erfurt und Weimar, in Magdeburg, Dessau, Halle und Leipzig wollen zeigen, was kirchliches Leben heute ist an den Orten der historischen Reformation.

Diese Kirchentage finden ihren Höhepunkt am 28. Mai 2017 mit einem Festgottesdienst auf den Elbwiesen vor Wittenberg. Wir erwarten 300 000 Menschen und Sie alle sollten mit Ihren Kirchenkreisen dabei sein. Ein Jahrhundertereignis – nehmen Sie die Chance wahr, dabei zu sein!

Der 31.10.17 wird dann Feiertag sein in ganz Deutschland. Wir werden ihn mit vielen Gottesdiensten an vielen Orten kreativ feiern. Dieser Tag wird der Abschluss des Festjahres sein und gleichzeitig den Beginn des reformatorischen Aufbruchs hinein in das 21. Jahrhundert markieren. 

Seit zwei Jahren bin ich Botschafter des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum. Das ist eine wunderbare Aufgabe. Ich erlebe, dass die Menschen, ob Richter oder Ärzte oder Unternehmer spannend finden, was Reformation für sie bedeutet. Nun ist die Idee entstanden, dieses Konzept zu vervielfältigen. Warum nicht in jedem Kirchenkreis ein Botschafter, eine Botschafterin. Das ist eine tolle Idee, ich unterstütze sie gern. Nutzen wir die Chance! Wir feiern 500 Jahre Reformation, es gibt rund 500 Kirchenkreise in der EKD. Warum sollte es nicht mindestens 500 Botschafterinnen und Botschafter der Reformation geben?

Gerade erst hat die positive Resonanz, die wir zu dem Text „Rechtfertigung und Freiheit“, den wir in einer kleinen Kommission unter Leitung von Professor Markschies erarbeitet haben, gezeigt: Es gibt öffentliches Interesse an den theologischen Themen der Reformation. Über Sünde, Rechtfertigung, Gnade zu sprechen – die Nachfrage ist größer als so mancher und manche vielleicht gedacht hätten. Die Aufnahme des aktuellen EKD-Textes zu 2017 macht Mut, das Reformationsjubiläum als Chance zu verstehen, über Kernthemen des Glaubens in unserem Land wieder ins Gespräch zu kommen. Ich bin gespannt auf Ihre Eindrücke und Reaktionen, wenn Sie den Text heute mit auf den Weg in Kirchenkreise und Gemeinden nehmen.

Lassen Sie mich enden mit einem Aufruf zur Vorfreude und gleichzeitig zur Gelassenheit angesichts aller Planungen für 2017. Oja, es gibt Angst vor Eventisierung, die Befürchtung, Luthersocken und Tassen zu den Frauen der Reformation könnten alles merchandisen, es wird ein Lutheroratorium, Lutherfilme, Lutherlieder geben, die Interessen von Landeskirchen, EKD, Bundesländern, Bundesregierung sind vielfältig. Aber Luther hat einmal gesagt, das Evangelium könne nur mit Humor gepredigt werden. Das hat mir schon immer gut gefallen. Werner Thiede schreibt: In Luthers Humor begegnet kein weltentrücktes, immer heiteres Lächeln, sondern ein mitunter kampfeslustiges Lachen, wie es in den Auseinandersetzungen der Reformation notgedrungen seinen Ort hatte.“[2]  Da ist nicht die Komik unserer Talkshow-Welt gemeint, auch kein dralles Lachen, sondern eine Glaubensheiterkeit im Sinne Spittas, die von tief innen kommt. Wir glauben an den Auferstandenen und nicht an einen Toten!   Strahlen wir etwas aus von diesem Bewusstsein der Rechtfertigung, des Erlöstseins, der Gnade Gottes! Ich kann Thiede nur zustimmen, wenn er folgert: „Christen sind Studenten eines im Glauben gegründeten Humors. Sie dürfen bereits hier und heute das eschatologische Gelächter einüben … „[3]. Das gilt auch mit Blick auf 2017! Gehen wir also voller Vorfreude und gelassen auf das Jubiläumsjahr zu, fröhlich mit evangelischem Profil, offen mit ökumenischem Horizont, gespannt in internationaler Weite und voller Lust auf theologische Diskussionen über Reformation und Freiheit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Fußnoten:

1 Schlag nach bei Luther, hg. v. Margot Käßmann, Frankfurt 2012, S. 84. 
2 Werner Thiede, Luthers Humor, in: Nachrichten der ev.-luth. Kirche in Bayern 11/2008, S. 321ff.; S. 324.
3 Ebd. S. 326.