Grußworte anlässlich der Eröffnung des Europäischen Stationenweges in Riga

Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Bischöfe und Exzellenzen,
liebe Bürgerinnen und Bürger von Riga,
liebe Schwestern und Brüder,

Ich danke Ihnen allen für die Einladung nach Riga und freue mich sehr, bei der Eröffnung des Stationenweges dabei zu sein! Herzliche Grüße und Segenwünsche überbringe ich von der Evangelischen Kirche in Deutschland und von meiner Heimatkirche, der Nordkirche, die ja schon sehr lange mit dem Luthertum hier in Lettland verbunden ist.

Wir feiern 500 Jahre Reformation – dies allerdings deutlich anders als in den Jahrhunderten zuvor: Wir feiern es international und europäisch. Wir feiern es geschwisterlich – Männer und Frauen gemeinsam. Und wir feiern es ökumenisch – in Gemeinschaft mit anderen Konfessionen.

Indem wir – erstens - europäisch feiern, erwecken wir zum Leben, wie vieles uns von Anbeginn der Reformation verbindet! Denn aus Pommern, das ja in meiner Landeskirche liegt, kam Pfarrer Andreas Knöpken, der 1522 die Reformation nach Riga brachte. Riga übernahm immerhin als eine der ersten Städte in Europa die neue Konfession, samt Rat und Bürgerschaft!

Der Stationenweg zeichnet diese europäische Dynamik der Reformation nach: wie sie von Rom über Bergen, von Dublin bis eben nach Riga gelangte. Er beleuchtet damit auch die Vielfalt und zugleich die Gemeinschaft der reformatorischen Kirchen. Und er erinnert uns daran, dass evangelische Kirchen immer dann überzeugend sind, wenn sie das Evangelium ins Zentrum stellen, wenn sie also das Verbindende suchen und Vielfalt als Stärke verstehen und positiv gestalten.

Uns allen ist bewusst, dass wir dies Jubiläum begehen in einer Zeit, in der das Miteinander der Völker Europas stark gefährdet ist. Nationalistische und ausgrenzende Töne werden wieder lauter. Der Stationenweg setzt klar ein anderes Zeichen und sagt: Uns verbindet mehr, als uns trennt. Vielfalt ist eine Stärke, wenn sie im Geist der Gemeinschaft gelebt wird. Der gemeinsame Glaube an Christus als den Herrn der Welt ruft uns täglich heraus – „pro-voziert“ uns im Wortsinne – in der Nachfolge Jesu unbeirrt dem Frieden zu dienen, der Gerechtigkeit aufzuhelfen und Gemeinschaft zu stiften. So sind wir als Kirchen der Reformation gerade jetzt herausgefordert, einzustehen für ein geeintes und menschliches Europa, ein Europa, das sich auch über die eigenen Grenzen hinaus solidarisch zeigt mit der ganzen Welt.

Zweitens: Wir feiern dieses Reformationsjubiläum geschwisterlich – Männer und Frauen gemeinsam. Und das heißt auch, dass die Beiträge, die die Frauen für die Reformation geleistet haben, neu entdeckt, erforscht und gewürdigt werden. Katharina von Bora, Katharina Zell, Anna von Dänemark – sie und viele andere haben mit ihren Bildungsimpulsen die Reformation entscheidend mitgeprägt. Und es ist ihr besonderes Erbe, dass wir in unseren Kirchen seit Jahrzehnten schon Pastorinnen ordinieren und Bischöfinnen einsetzen.  Dies benenne ich deshalb heute mit solch eindringlichem Ernst, weil die jüngste Entscheidung der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands, Frauen künftig nicht mehr ins Pfarramt zu ordinieren, innerhalb und außerhalb Lettlands große Erschütterung, ja Empörung ausgelöst hat. Dabei haben wir so lange Jahre das Gespräch gesucht! Und wir werden es beharrlich weiter suchen. Ich hoffe sehr, dass sich die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands dem weiteren Dialog nicht verschließt, der in hohem Interesse des Lutherischen Weltbundes und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa liegt. Möge die lettische Kirche doch zukünftig das geistliche Potenzial von Frauen in vollem Umfang nutzen. Umso wichtiger, dass in Riga das Forschungsprojekt „Frauen auf den Wegen der Reformation“ gestartet worden ist, wir sind gespannt auf die Ergebnisse im Herbst!

Schließlich: Wir feiern das Reformationsjubiläum ökumenisch. Aufmerksam und sensibel schauen wir dabei auch auf die Wunden, die man sich über die Jahrhunderte gegenseitig zugefügt hat. So haben Katholiken und Protestanten am vergangenen Wochenende in Deutschland einen gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim gefeiert. Wir haben Gott um Vergebung gebeten für unser aller Versagen. Zugleich haben wir dankbar sagen können: Wie viel Kraft liegt darin, dass wir die Unterschiede der Konfessionen als Reichtum verstehen können! Und so freue ich mich sehr und empfinde es als Ehre, heute Abend im ökumenischen Gottesdienst im Dom zu predigen.

Bleibt mir, zu schließen womit ich begonnen habe: mit einem herzlichen Dank. Danke sage ich, dass dieses Story-Mobil-Truck des Europäischen Stationenweges samt Team hier so gut unterstützt und gastfreundlich aufgenommen wurde in dieser wunderschönen Stadt Riga. Wir sind gespannt auf die Geschichten, die Sie uns ins Geschichtsbuch der Reformation des 21. Jahrhunderts schreiben werden. Sind wir doch alle - europäisch, geschwisterlich und ökumenisch - stets neu auf der Suche nach Gott.