Gemeinsam evangelisch

200 Jahre lutherisch-reformierte Unionen in Deutschland: Erklärung der Vollkonferenz der UEK am 5.11.2016 in Magdeburg

5. November 2016

UEK-Vollkonferenz

Anlässlich der bevorstehenden 200-jährigen Jubiläen der lutherisch-reformierten Unionen in Deutschland erklärt die Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen in der EKD auf ihrer Tagung am 4. und 5. November 2016 in Magdeburg:

  1. Überbrückung konfessioneller Gegensätze

    Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums erinnert die UEK dankbar auch an inzwischen 200 Jahre lutherisch-reformierter Unionen. Die Überwindung der theologischen und gemeindlichen Trennungen zwischen Lutheranern und Reformierten hat die Gemeinsamkeit der reformatorischen Impulse neu zur Geltung gebracht. Sie hat einen Horizont der Einheit des evangelischen Glaubens geschaffen, der für die meisten evangelischen Christen in Deutschland heute selbstverständlich ist. Die reformatorischen Bewegungen in Europa wollten die Kirche aus Gottes Wort erneuern. Das führte ungewollt auch zu einem konfliktreichen Gegeneinander von Kirchen. Damit konnten sich die evangelischen Kirchen von Beginn an nicht abfinden und können es bis heute nicht. Sowohl die Differenzen zwischen römisch-katholischer und evangelischen Kirchen als auch das Gegenüber von lutherischen und reformierten Kirchen verpflichten die Kirchen der Reformation, nach einer Überbrückung konfessioneller Gegensätze in der Lehre und im kirchlichen Leben zu suchen. Für die UEK sind die vor 200 Jahren in Deutschland vollzogenen lutherisch-reformierten Unionen ein erfolgreicher Aufbruch auf einem verheißungsvollen Weg zu größerer kirchlicher Einheit, die den Reichtum der Vielfalt in sich aufnimmt.

  2. Lern- und Segensgeschichte

    Die konfessionelle Ausdifferenzierung der westlichen Kirche im 16. Jahrhundert war von Ausgrenzungen, Verwerfungen und Herabsetzungen bestimmt. Bereits damals waren neben theologischen auch andere, z.B. politische und kirchenpolitische Faktoren von Bedeutung. So war es zum Teil auch bei den Unionsbildungen am Anfang des 19. Jahrhunderts. Das ist aber kein Grund, den Begriff der Union und ihr Anliegen, lutherische und reformierte Kirchen und Gemeinden zu vereinen, geringzuschätzen. Die Geschichte der Union ist vor allem eine gemeinsame evangelische Lerngeschichte. Die UEK erinnert besonders an die Theologische Erklärung der Bekenntnissynode in Barmen 1934. Damals bekannten sich Synodale aus lutherischen, reformierten und unierten Kirchen angesichts der nationalsozialistischen Unterwanderung der Kirche zu "evangelischen Wahrheiten", die sie in sechs Thesen formulierten. Die UEK erinnert weiter an die wesentlich von "Barmen" ausgelösten Entwicklungen, die in die Arnoldshainer Abendmahlsthesen und in die Leuenberger Konkordie mündeten. Dadurch ist unter den deutschen Landeskirchen und unter den meisten evangelischen Kirchen in Europa die Kircheneinheit als echte, theologisch begründete und gottesdienstlich gelebte Kirchengemeinschaft neu gewonnen worden. Die UEK stellt sich auch den belastenden Aspekten ihrer Vorgeschichte, z.B. - in Erinnerung an die Umstände der Einführung der preußischen Agende - in den aktuellen Gesprächen mit der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Dankbar erinnert die UEK daran, dass sich die frühere Evangelische Kirche der Union gerade in der Zeit der deutschen Teilung und danach als eine stabile Brücke zwischen Ost und West bewährt hat. Die Geschichte der Union ist für viele Menschen bis heute eine Segensgeschichte.

  3. Besonderheiten und Gemeinsamkeit

    In der UEK haben sich im Jahr 2003 unierte und reformierte Landeskirchen zusammengeschlossen. Sie waren schon zuvor in der Evangelischen Kirche der Union (EKU) und in der Arnoldshainer Konferenz verbunden. Als Gastkirchen gehören auch lutherische Landeskirchen zur Familie. Die UEK will die Gemeinschaft aller in der EKD verbundenen Gliedkirchen und damit die Einheit des deutschen Protestantismus insgesamt stärken. Sie setzt sich für die Vertiefung und Verdichtung der Verbindung von EKD, UEK und VELKD ein. In ihrer theologischen und liturgischen Arbeit tritt die UEK für eine abgestimmte Kooperation mit der VELKD ein. Dadurch können konfessionelle und sonstige Besonderheiten unter dem Vorzeichen evangelischer Gemeinsamkeit zum Zuge kommen. Modell und Ausdruck dafür ist für die UEK z.B. das gemeinsame Evangelische Gottesdienstbuch.

  4. Union und innerevangelische Ökumene

    Die UEK will die Zusammengehörigkeit von Lutheranern, Reformierten und Unierten stärken und ihr Gestalt geben. In Deutschland ist sie zur EKD hin orientiert, europäisch unterstützt sie die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und weltweit den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Die UEK betreibt daher nicht den Aufbau oder Ausbau eigenständiger unierter Einheiten neben oder zwischen lutherischen und reformierten Zusammenschlüssen (Lutherischer Weltbund; Weltgemeinschaft reformierter Kirchen). Vielmehr unterstützt sie innerhalb der Zusammenschlüsse diejenigen Kräfte, die sich dem gemeinsamen reformatorischen Ursprung und von daher einer gemeinsamen evangelischen Sendung verpflichtet wissen. So steht die UEK der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen (WGRK) besonders nahe. Wie der UEK die Evangelisch-reformierte Kirche und die mehrheitlich reformierte Lippische Landeskirche als Mitglieder angehören, so sind umgekehrt zahlreiche unierte Kirchen Mitglieder der WGRK. Ebenso gehören dem LWB unierte Kirchen an und arbeiten in ihm mit. Mit der United Church of Christ in den USA und in Kanada verbindet die UEK eine lebendige Kirchengemeinschaft, die aus den gemeinsamen Wurzeln lebt. Auch zur United Church of Christ in Japan bestehen enge Verbindungen.

  5. Union und außerevangelische Ökumene

    Von ihrem Ursprung her dient die Union der Einheit der evangelischen Kirche. Daher erklärt es sich, dass die UEK selbst, anders als ihre Mitglieds- und Gastkirchen und anders als VELKD und EKD, keine eigenständigen Beziehungen zur römisch-katholischen und zu anderen Kirchen unterhält. Die UEK begleitet aber zahlreiche ökumenische Kontakte, beteiligt sich an Gesprächen, die auf verschiedenen Ebenen der Ökumene geführt werden, und rezipiert für ihre Mitgliedskirchen Gesprächsergebnisse. Für die UEK sind solche ökumenischen Verständigungen Schritte auf dem Weg, kirchliche Einheit in versöhnter Verschiedenheit zu verwirklichen. Sie nimmt das Anliegen Jesu ernst, dass "sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast" (Johannes 17,20).

  6. Mit Differenzen leben

    Scharfe innerkirchliche Gegensätze können durch den gemeinsamen Bezug auf das Zeugnis der Heiligen Schrift überwunden werden, zumal in besonders herausfordernden geschichtlichen Situationen. Diese Erfahrung gehört zu den Ressourcen, die die Union nach 200 Jahren einbringen kann. Ebenso zählt dazu die Erfahrung, mit Differenzen leben zu können. Die Unionsgeschichte ist auch eine Lerngeschichte für eine Differenzkultur, in der unterschiedlich geprägte Kirchen mit Interesse, Respekt und Toleranz zusammenleben: zum Miteinander verpflichtet, aber ohne den Zwang zur Homogenisierung. Dieses Erfahrungspotenzial der Union bringt die evangelische Kirche ein: in inner- und außerevangelische ökumenische Prozesse, in interreligiöse Begegnungen und Dialoge und ebenso in die nationalen und internationalen Diskurse in Gesellschaft und Politik.