„Kultur und Identität“

Januartagung der Evangelischen Forschungsakademie

11. Januar 2016

Der Direktor der EFA A. Lindemann (2. v.r.) mit den neuen Mitgliedern (v.l.) B. Weidmann, R. Rausch und H. Poetschick
Der Direktor der EFA A. Lindemann (2. v.r.) mit den neuen Mitgliedern (v.l.) B. Weidmann, R. Rausch und H. Poetschick

„Kultur und Identität“ war das Rahmenthema der mittlerweile 136. Tagung der Evangelischen Forschungsakademie (EFA), zu der von 8. bis 10. Januar ca. 85 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Berlin zusammenkamen. Durch aktuelle Entwicklungen und Debatten, insbesondere zu "Religion und Gewalt" und zur europäischen Finanz- und Migrationskrise, hatte das bereits vor zwei Jahren festgelegte Tagungsthema eine nicht vorhersehbare Aktualität gewonnen.

Nach der Tagungseröffnung durch den Direktor der EFA, Prof. Dr. Andreas Lindemann (Bielefeld), wurde das thematische Feld in sieben Vorträgen reflektiert. Europa stand im Fokus der Beiträge von Enno Rudolph, Luzern („Europas Vermächtnis“) und Cornelis J.M. Schuyt, Utrecht („Identität und Kultur in Europa“). Die z.T. kontroversen Diskussionen (z.B. zur Rolle des Islam für die europäische Identität und Kultur) setzten sich im Gespräch mit dem bosnisch-deutschen Autor Saša Stanišić fort, der aus seinen Werken las. Die Tagungssektion „Identitätskonstruktionen“ wurde interdisziplinär bearbeitet durch Vorträge aus den Bereichen Theologie, Islamforschung, Soziologie und Literaturwissenschaft.

Der Bonner Neutestamentler Michael Wolter zeichnete die Inkulturation der „Christen“ im 1. Jahrhundert in seinen jüdischen und griechischen Kontexten nach; das Christentum habe seine Identität durch den konstitutiven Bezug auf Jesus als Christus und sei kulturell im Prinzip indifferent. Armina Omerika, Frankfurt a.M., skizzierte die religionsbezogene Identitätsbildung von Muslimen in verschiedenen europäischen Kontexten. Heiner Keupp, München, fragte nach den Ressourcen der Identitätsfindung unter den Bedingungen von Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung. Andrea Geier, Trier, gab einen Einblick in Gender-Theorien und -Debatten und informierte über Konstruktion, Repräsentation und Praxen der Geschlechterdifferenz; engagiert wandte sie sich gegen aktuelle Trends der Retraditionalisierung. Den Abschluss der Tagung bildeten Beobachtungen der Zürcher systematischen Theologin Christiane Tietz zur Bedeutung von Wort und Bild für religiöse Identität.

Im Tagungsgottesdienst predigte die Leiterin des Amtes der UEK, Bischöfin Petra Bosse-Huber, die auch den traditionellen Bericht zur kirchlichen Lage gab und dabei insbesondere auf Herausforderungen der Auslandsarbeit der EKD und der Ökumene einging.

Die Tagung wird in einem Tagungsband dokumentiert werden, der im Lauf des Jahres 2016 bei der Evangelischen Verlagsanstalt, Leipzig, erscheinen wird. Im Rahmen der Tagung wurden drei neue Mitglieder in die EFA aufgenommen: Dipl.-Ing. Holger Pötschick (Berlin), Oberkirchenrat Dr. iur. Rainer Rausch (Dessau) und Dr. phil. Bernd Weidmann (Heidelberg).

Die Evangelische Forschungsakademie ist eine Einrichtung der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK). Sie wurde 1948 mit dem Ziel gegründet, in Deutschland nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft eine Neubesinnung für das Zusammenleben und damit auch für die wissenschaftliche Arbeit auf evangelischer Grundlage zu fördern. Später ist es der EFA gelungen, gegen die ideologische Einengung des wissenschaftlichen Diskurses in der DDR einen Freiraum zum interdisziplinären Gespräch zu erhalten. Seit der deutschen Einheit im Jahre 1990 stellt die Akademie sich in ihrer Arbeit den neuen globalen Herausforderungen im Prozess einer fortschreitenden Säkularisierung. Sie lädt ihre Mitglieder und ständigen Gäste zweimal jährlich zum interdisziplinären Austausch unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein.