„Vortrag auf der Tagung ‚Religion im öffentlichen Raum‘ der Konrad-Adenauer-Stiftung

Dr. Hans Ulrich Anke

Die Struktur kirchlicher Finanzen - Vom Haushalten über Gottes mancherlei Gaben[1]

„Und dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnaden Gottes« (Petrus 4,10).

So lautet der Leitsatz für die Kirchenkreiskonzeption des ev. Kirchenkreises Herford. Vor ein paar Monaten hat dieser Kirchenkreis mit seinem Haushalten unfreiwillig öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Es fand sich ein Kirchenschatz der ganz besonderen Art: vor rund 50 Jahren hatten ein paar vermeintlich clevere Haushälter einen Betrag von rd. 1,5 Millionen D-Mark an allen Gremien und Aufsichtsorganen des Kirchenkreises vorbei „für schlechte Zeiten“ „auf die hohe Kante gelegt“. Bei allen folgenden einschneidenden Finanz- und Kürzungsdebatten im Kirchenkreis blieb dieses Geld verborgen. Jetzt half ein Wechsel des Superintendenten den Schatz zu heben: 50 Millionen Euro sind daraus geworden! Und dieser Schatz löste reihenweise Straf- und Disziplinarverfahren gegen die Verantwortlichen aus.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Finanzstrukturen sind besonders anschauliche Kennzeichen dafür, wie eine Religionsgemeinschaft wirkt, was ihr wichtig ist und wie sie ihren Gemeindeaufbau gestaltet.  Es macht einen großen Unterschied, ob sich die Kirchen vornehmlich vom Steuerzahler, aus dem Klingelbeutel oder durch Entgelte für ihre Gottesdienste, Orgelkonzerte, Taufen, Trauungen und Seelsorgegespräche finanzieren. Dabei wirken die Kirchen mit ihren Finanzen kräftig in den öffentlichen Raum hinein. Allein in der ev. Kirche und ihrer Diakonie verdienen 660.000 Menschen hauptamtlich ihr Geld.

Es geht mir darum, Ihnen aufzuzeigen, dass die Kirche im Öffentlichen Raum ihr Geld wert ist. Für die Diskussion habe ich Ihnen einige Thesen erstellt, die zugleich den Vortrag gliedern. Am Beispiel der ev. Kirche werde ich zunächst einige Strukturelemente kirchlicher Finanzen darstellen (I.). Dann gehe ich auf die Vorstellungen des Grundgesetzes zu der Finanzierung von Religionsgemeinschaften ein (II.). Beide Perspektiven, die staatliche und die der jeweiligen Religionsgemeinschaft, sind vor dem Hintergrund der Trennung von Staat und Kirche sorgfältig zu unterscheiden. Den Abschluss bildet ein Ausblick auf die weitere Entwicklung (III.).

I. Aus kirchlicher Perspektive: Strukturelemente kirchlicher Finanzen

1. Das Geld hat in der Kirche eine dienende Funktion und ermöglicht vielfältige Dienste am Menschen in Verkündigung, Seelsorge, Diakonie und Bildung!

Das Geld hat in der Kirche eine dienende Funktion. Aus ihrem Auftrag heraus gibt die ev. Kirche rund 10 Mrd. € jährlich für ihre vielfältigen Dienste in Verkündigung, Seelsorge, Diakonie und Bildung aus. Mehr als zwei Drittel des Geldes geht unmittelbar in die Gemeindearbeit. Aber auch zentrale Aufgaben dienen der Gemeinde. Denn die Kirche ist mehr als die Summe ihrer Gemeinden!
Auf dieser Grundlage werden jährlich u.a.

  • 200.000 Taufen vollzogen,
  • 50.000 kirchliche Trauungen gefeiert und
  • 300.000 Menschen kirchlich bestattet.
  • 230.000 Jugendliche werden im Konfirmandenunterricht ausgebildet und konfirmiert.
  • 1,2 Mio. Gottesdienste werden gefeiert.
  • 33.000 Kirchen- und Posaunenchöre musizieren regelmäßig zum Lobe Gottes und zur Freude vieler Menschen.
  • 50.000 ständige Gruppen arbeiten mit Kindern und Jugendlichen. Und so weiter. Und so weiter.[2]

Über dieses Engagement hinaus gibt es vielfältige Leistungen, die auch vielen Menschen außerhalb der Kirche und damit der Gesellschaft und dem Staat zu Gute kommen. Die Kirche nimmt aus ihrem Auftrag heraus z.B. im Sozial- und Bildungssektor vielfach Aufgaben wahr, bei denen der Staat auf das Engagement gesellschaftlicher Träger setzt. Geschätzt 27.000 diakonische Einrichtungen stehen hilfsbedürftigen Menschen mit rund 1.000.000 Plätzen in der Jugend- und Altenhilfe, durch Krankenpflege und in Einrichtungen für Behinderte bei. Die ev. Kirche trägt z.B. ein Sechstel der Kindertagesstätten in der Bundesrepublik.

Ein weiteres Beispiel ist die Baupflege: Kritiker der Kirchenfinanzen argumentieren oft damit, dass die Kirche einen reichen Immobilienbesitz habe. In der Tat gibt es in den ev. Landeskirchen insgesamt knapp 21.000 Kirchen und Kapellen als Gottesdienststätten. Diese haben sicherlich einen Zeitwert von mehr als 100 Mrd. €. Aber welchen Marktwert? Rund 80 % davon stammen aus der Zeit vor 1945 und stehen unter Denkmalschutz. Die ev. Kirche wendet für die Bauunterhaltung jährlich rund als 1,1 Mrd. € auf. Geschäfte macht die Kirche damit also nicht, sondern leistet vielmehr einen wesentlichen Beitrag dazu, prägende Elemente der Baukultur in unseren Städten und Dörfern zu erhalten – nicht nur für die Gottesdienstbesucher.

2. Die wesentlichen finanziellen Grundlagen der Kirche sind die Gaben der Gemeindeglieder!

Die wesentliche Finanzquelle gerade für die Gemeindearbeit ist die Kirchensteuer. Sie ist mit rd. 4,6 Mrd. € im Jahr mit Abstand die größte Einnahmequelle. Fasst man sämtliche kirchlichen Haushalte zusammen, macht sie einen Anteil von ca. 46 % aller Einnahmen aus. Dazu kommen Vermögenserträge, Entgelte für kirchliche Dienstleistungen  sowie Fördermittel aus öffentlichen Kassen, die die ev. Kirche wie andere gesellschaftliche Träger erhält. Die sog. Staatsleistungen machen mit 230 Mio. € lediglich 2 % der kirchlichen Einnahmen aus. 

3. Die Kirche bildet einen komplexen Finanzierungsverbund, der von Eigenverantwortlichkeit und Solidarität geprägt ist!

Dieses Jahresbudget von rd. 10 Mrd. € baut auf einer Vielzahl von Einzelhaushalten auf. In der ev. Kirche wird das Geld bei 22 Landeskirchen mit ihren Sprengeln, Kirchenkreisen und Kirchengemeinden in ca. 16.000 Haushalten bewirtschaftet. Dabei haben die Landeskirchen z.T. sehr unterschiedliche Finanzverfassungen. So gibt es allein für die Frage, wem die Kirchensteuereinnahmen zustehen, ganz verschiedene Lösungsmodelle.

Aber alle Finanzverfassungen weisen viele gemeinsame Strukturelemente auf. Ich nenne nur einige beispielhaft:

  1. Die Finanzverfassung setzt bei allen rd. 16.000 kirchlichen Haushalten auf Eigenverantwortlichkeit: Jede kirchliche Gliederung verantwortet ihr Budget selbst.
  2. Die Finanzverfassung sieht Elemente eines solidarischen Finanzausgleichs auf allen Ebenen vor.
  3. Die Finanzverfassung gewährleistet eine austarierte Gewichtung zwischen gemeindlichen und übergemeindlichen Aufgaben. 
  4. Die Finanzverfassung setzt bei den Entscheidungsstrukturen auf Funktionentrennung. Das Budgetrecht steht den gewählten Synoden zu, in denen insbesondere Ehrenamtliche mitwirken.
  5. Die Finanzverfassung etabliert wesentliche Standards des öffentlichen Haushaltswesens z.B. die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der Vollständigkeit, der Öffentlichkeit und Transparenz: Alle Haushaltspläne sind öffentlich. Die synodalen Haushaltsdebatten werden öffentlich geführt. 
  6. Die Finanzverfassung stellt  den angemessenen und verantwortlichen Umgang mit dem anvertrauten Geld nicht zuletzt durch eigene und unabhängige Rechnungsprüfungsämter sicher.

4.  Die Finanzkraft der Kirche geht in Folge von Mitgliederverlusten zurück!

Wie haben sich die Budgets über die Jahre entwickelt? Mitgliederverluste schlagen unmittelbar auf die Finanzkraft der Kirche durch. Diese hängen zum größeren Teil mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Deutschland hat weltweit eine der niedrigsten Geburtenraten. Dazu kommen aber auch Austritte, gerade bei jungen Erwachsenen. Jährlich werden nur halb so viele Kinder in die Gemeinschaft der Kirche getauft wie ev. Kirchenmitglieder versterben (179.000/338.000). Und es treten jährlich mehr als doppelt so viele aus der ev. Kirche aus als aufgenommen werden (150.000 /60.000). Diese Entwicklung hat zu einer anhaltenden Minderung der Finanzkraft der Kirche geführt. Zwar liegen die Kirchensteuereinnahmen derzeit nominell fast genau auf der Höhe von 1994. Freilich bedeutet dies preisbereinigt einen Verlust an finanzieller Leistungskraft der ev. Kirche von ca. 25 %.

5. Gute Haushälterschaft bedeutet für die Kirche, sich für heutige Aufgaben nicht auf Kosten der nächsten Generation zu verschulden!

Eine wuchernde Verschuldung, wie sie bei staatlichen und kommunalen Haushalten zu beobachten ist, kommt für die Kirche nicht in Frage. Auch dafür gibt es gute biblische Orientierungen, z. B. bei Lukas im 14. Kapitel (V. 28): „Denn wer unter Euch einen Turm bauen will, und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, es auszuführen?“. Ein generationengerechter Umgang mit dem Geld bedeutet, Vorsorge für die erkennbaren Lasten zu treffen. Und da gibt es für die ev. Kirche erhebliche Herausforderungen, etwa die Versorgungslasten der heute bei der Kirche Beschäftigten und der Gebäudebestand.

6. Die Kirchensteuer gewährleistet eine verlässliche, effiziente, weithin akzeptierte und von den Kirchengliedern nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit getragene Finanzierung der kirchlichen Arbeit!

Kritik an der Kirchensteuer setzt heute vor allem bei dem Zwangscharakter und dem Zusammenwirken mit den staatlichen Finanzämtern an. Die Finanzierungsform der Steuer erleichtert aber die Beitragsverwaltung in der Kirche und reduziert den organisatorischen Aufwand erheblich. Gegenüber dem Staat bleibt dabei die Unabhängigkeit der kirchlichen Finanzen gewahrt. Eine andere Form der Beitragszahlung, etwa als Vereinsbeitrag, würde die meisten der derzeitigen Kirchenaustritte nicht verhindern. Denn vielen geht es nicht um die Finanzierungsform, sondern darum, den Beitrag an die Kirche nicht mehr zu zahlen. Eine Kultussteuer, wie sie z.B. in Italien erhoben wird, könnte dieses zwar teilweise verhindern. Aber sie führte die Kirche in eine größere Abhängigkeit gegenüber dem Staat, brächte im Ergebnis ein deutlich geringeres Steueraufkommen und schränkte die Freiheit der Bürger insgesamt viel stärker ein. Denn dann wären alle Bürger gezwungen, ausgewählte religiöse oder gemeinnützige Zwecke zu finanzieren. Demgegenüber beruht die Kirchensteuerfinanzierung im Ansatz auf einer freiwilligen Grundlage, nämlich der Kirchenzugehörigkeit. Wer zur Kirche gehören will, fällt die Entscheidung, ganz dazu zu gehören, auch mit der Kirchensteuerpflicht – und dieses ganz freiwillig.

Weiter gibt es Kritik daran, dass die Kirchensteuer an die staatliche Einkommensteuer anknüpft. Dieser Maßstab ist aber nützlich. Denn er gewährleistet, dass Kirchen-glieder nach ihrer Leistungsfähigkeit zu den Aufwendungen der Kirche beitragen. Wer über viel Einkommen verfügt, soll verhältnismäßig viel zur Finanzierung beitragen. I.d.R. beträgt die Abgabe an die Kirche 1 % des Einkommens, maximal 3,5 %. Ein Beispiel: bei einer Familie mit zwei Kindern sind das monatlich bei einem Bruttoeinkommen 4.000 € rund 16 €, also weniger als eine solche Familie i.d.R. für Aktivitäten im Sportverein ausgibt. Dabei ist der Sonderausgabenabzug noch nicht berücksichtigt.

Schließlich ist bei dieser Frage wichtig: Finanzfragen dürfen die Kirche nicht dazu verführen, sich vornehmlich um eigene institutionelle Interessen zu kümmern. Die Sorge um das Geld kann freilich gerade bei Kollektenfinanzierung sehr kraftraubend sein und in großer Spannung zum Auftrag treten, etwa wenn die Kollektenbitten die Gottesdienstgestaltung und das Gemeindeleben bestimmen. Oder wenn die Kirchenfinanzen in Abhängigkeit von wenigen Großspendern geraten, die über ihr Geld das Wirken der Gemeinde beeinflussen.

Insgesamt gesehen genießt die Kirchensteuer deshalb breite Akzeptanz in der ev. Kirche. Denn sie ist eine besonders effektive, an der Leistungsfähigkeit der Kirchenglieder orientierte Abgabe, die eine solide, planbare Finanzierung der kirchlichen Aufgaben und einen Solidarausgleich zwischen den Gemeinden ermöglicht.

II. Aus staatlicher Perspektive: Eckpunkte für die Finanzierung von Kirchen und Religionsgemeinschaften

Wie sieht nun die staatliche Perspektive auf die Kirchenfinanzen aus?

7. Der Staat des Grundgesetzes erkennt das existenzielle Bedürfnis nach freier religiöser Entfaltung an und erwartet engagiertes Wirken von Kirchen und Religionsgemeinschaften!

Der Staat des Grundgesetzes stellt sein Handeln ganz in den Dienst der freien Entfaltung der Bürger. Das setzt die grundrechtlich verbürgte Betätigung der Menschen in vielfältigen Formen frei. In besonderer Weise gilt das für den Bereich der Religion. Hier kann und darf der religiös-neutrale Staat nicht selbst für eine bestimmte Religion als verbindliche Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens eintreten. Er erkennt aber das Bedürfnis der Menschen an, ihr Leben nach ihrem Glauben auszurichten. Und er kann erwarten, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften dazu beitragen, dass der freiheitliche Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe von seinen Bürgern und Bürgerinnen immer wieder neu angenommen wird.

Die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften haben in den offenen gesellschaftlichen Prozessen viel einzubringen. Dazu haben wir diese Tage Eindrucksvolles gehört. Religionsgemeinschaften sind nicht nur Eigeninteressen verpflichtet, sondern engagieren sich für die besonders Bedürftigen in der Gesellschaft. Die Kirchen bieten den Menschen Halt und Orientierung, sorgen für eine lebendige Vielfalt in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Und sie setzen dabei vielfältiges ehrenamtliches Engagement frei, allein rd. 1,1 Mio. Menschen in der ev. Kirche frei. Die Kirchen leisten so einen wesentlichen Beitrag für die Gestaltung unserer Gesellschaft, im Wohlfahrtswesen, in der Kultur, der Medienarbeit, im Bildungswesen und in der Wissenschaft.

8. Das Grundgesetz gewährleistet den Religionsgemeinschaften im Sinne fördernder Neutralität freiheitliche und verlässliche Finanzierungsbedingungen!

Das Grundgesetz sichert die Freiheit religiösen Wirkens umfassend auch in finanzieller Hinsicht und wahrt dabei zugleich die Rechte Dritter. Individuelle und korporative Gewährleistungen ergänzen die grundrechtliche Glaubensfreiheit.

Im Ergebnis lassen sich diese verfassungsrechtlichen Grundlagen so zusammenfassen:

  1. Sie schließen eine Alimentation von Kirchen und Religionsgemeinschaften durch den Staat aus.
  2. Sie gewährleisten, dass der Staat seine eigenen Aufgaben bei den sog. „gemeinsamen Angelegenheiten“, wie der Militärseelsorge, dem Religionsunterricht oder den Theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten, wahrnimmt und finanziert.
  3. Sie verwehren dem Staat, die Finanzierungsgrundlagen der Kirche auszuhöhlen oder ihr Beitragswesen zu unterlaufen.

So gewährleisten sie insgesamt den Kirchen und Religionsgemeinschaften eine freie, unabhängige, verlässliche, durchsetzbare und gleichheitswahrende Finanzierung ihres religiösen Wirkens.

9. Die Kirchensteuer ist wesentlicher Bestandteil des verfassungsrechtlichen Angebotes für das öffentliche Wirken der Religionsgemeinschaften und soll es bleiben!

Zu diesem verfassungsrechtlichen Angebot gehört auch die Kirchensteuerfinanzierung. Diese bedeutet keine Staatsfinanzierung kirchlicher Arbeit. Ganz im Gegenteil ist sie Ausdruck finanzieller Eigenverantwortung der Kirche. Denn die Einnahmen sind die Beiträge der Mitglieder. Der Staat wird für seine technische Unterstützung bei der Erhebung gut kostendeckend vergütet. Und er verletzt dabei keine Rechte Dritter. Davon zeugt in eindrucksvoller Weise die ständige Rechtsprechung in Kirchensteuerfragen, jüngst auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Schließlich trägt auch der Einwand nicht, die Kirchensteuer privilegiere einseitig einzelne Kirchen. Das Instrument Kirchensteuer steht grundsätzlich jeder öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaft offen. Etliche machen davon auch Gebrauch, wie z.B. jüdische Kultusgemeinden. Nur weil einige Religionsgemeinschaften nicht willens oder nicht fähig sind, solche staatlichen Angebote der Finanzierung für sich anzunehmen, dürfen diese Rechte nicht auch denjenigen entzogen werden, die sie bisher gut und rechtens für sich angenommen hatten. Freiheitsangebote auf den kleinsten Nenner aller potentiellen Berechtigten zu reduzieren, entspricht weder dem Gleichheits- noch dem Freiheitsverständnis des Grundgesetzes.

10. Die Religionsgemeinschaften erhalten wie andere freie Träger für Dienste Entgelte aus öffentlichen Kassen und profitieren wie andere gemeinnützige Organisationen vom staatlichen Gemeinnützigkeitsrecht!

Werden Kirchen und Religionsgemeinschaften darüber hinaus im Wettbewerb mit anderen freien Trägern finanziell vom Staat privilegiert? Im sog. „Violettbuch Kirchen-finanzen“ von Carsten Frerk ist zu lesen, dass die kath. und die ev. Kirche jährlich rund 19 Milliarden Euro staatliche Subventionen erhalten. Diese Darstellung ist freilich ebenso polemisch wie irreführend. Nur drei Beispiele:

  1. Das Buch prangert den Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer als wesentliche Finanzquelle der Kirche an! Die Entlastung bei der Einkommensteuer kommt aber nicht in kirchliche Kassen, sondern steht dem jeweiligen Steuerzahler zu. Und sie greift bei jeder Zuwendung und jedem Mitgliedsbeitrag an gemeinnützige Organisationen, egal ob es um den Naturschutzbund, die Gewerkschaft oder die AWO geht.
  2. Das Buch zählt Ausgaben des Staates für eigene Aufgaben mit Religionsbezug zu den Subventionen zu Gunsten der Kirche, z.B. beim Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Das ist sachwidrig.
  3. Frerk kritisiert die Entgelte, die kirchliche wie andere freie Träger aus öffentlichen Kassen für Dienstleistungen im Sozial- und Bildungssektor erhalten. Diese gewährleisten aber die plurale Vielfalt unserer Gesellschaft. Subsidiarität ist ein wesentliches Kennzeichen unserer Demokratie. Es gibt keinen Grund, warum gerade Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände von solchen Entgelten auf dem Sozialmarkt ausgeschlossen werden sollten.

III. Ausblick/vier Thesen zur weiteren Entwicklung der kirchlichen Finanzen

11. Die Kirchen reagieren sorgsam, aber nicht sorgenvoll auf die zurückgehende Finanzkraft; sie können mit Gottvertrauen den Gemeindeaufbau inhaltlich und strukturell gestalten und wollen zu missionarischen Aufbrüchen auf allen kirchlichen Ebenen kommen!

Prognosen lassen einen weiteren Rückgang der Kirchenglieder und der Finanzkraft erwarten. Wir müssen diese Zeichen ernst nehmen, dürfen uns davon aber nicht entmutigen lassen. Denn trotz zurückgehender Ressourcen haben wir noch immer hervorragende Möglichkeiten für den Gemeindeaufbau, viel besser als an den meisten anderen Orten dieser Welt.

Für diese Aufgaben braucht die Kirche keine technokratischen Sparkommissare, sondern lebendige Zeugen der frohen Botschaft, die gemeinschaftlich die Kirche nach den Möglichkeiten unserer Zeit gestalten. Kirchliche Reformprozesse helfen dabei, das kirchliche Wirken auf das Wesentliche auszurichten, nämlich zu inhaltlichen, missionarischen Aufbrüche auf allen kirchlichen Ebenen zu kommen. Im Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gibt es dazu vielfältige Ansätze. Nur drei Beispiele:

  1. Wir sammeln Beispiele guter Praxis und entwickeln sie für andere Kontexte weiter.
  2. Neue Zentren widmen sich theologischen Kernkompetenzen wie der Predigtkunst in Wittenberg oder der Qualität des Gottesdienstes in Hildesheim.
  3. Milieuverengungen, z.B. gegenüber den Verantwortungseliten, werden angegangen.

12. Kirchliche Formen modernen Managements setzen wirtschaftliche und geistliche Potenzen frei!

Reformansätze gibt es auch beim kirchlichen Finanzwesen. Bisher kommen wichtige Informationen für finanzwirksame Entscheidungen zu kurz, z.B. die Abschreibung für die Gebäude oder eine leistungsbezogene Kostentransparenz. Hier kann die Kirche von Erkenntnissen aus der Betriebswirtschaft lernen. So übernimmt sie betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente in ihr Finanzwesen und passt sie mit Augenmaß den kirchlichen Bedürfnissen an. Dazu gehört die periodengerechte Darstellung des Ressourcenverbrauchs, die vollständige Aufstellung der Vermögenslage, die Zielorientierung bei finanzwirksamen Entscheidungen, ein aussagekräftiges Berichtswesen mit Kennzahlen, die Einhaltung gemeinschaftlicher Standards sowie die Flexibilisierung und Budgetierung des Mitteleinsatzes. In der EKD wird das neue doppische Haushalts- und Rechnungswesen zum 1. Januar 2013 eingeführt.

13. Fundraising stabilisiert die kirchliche Arbeit und aktiviert mehr Menschen, am Gemeindeaufbau verantwortlich mitzuwirken!

Das Fundraising ist weiter zu entwickeln. Die EKD hat in ihrem Impulspapier „Kirche der Freiheit“ dazu ehrgeizige Ziele formuliert. Im Jahr 2030 sollen Einnahmen aus dem Fundraising 20 % aller Mittel ausmachen. Und 60 % der evangelischen Kirchenglieder sollen nach je nach ihrer Leistungskraft zur Finanzierung der kirchlichen Arbeit beitragen. Der Kirche kommt es dabei in besonderer Weise auch darauf an, Menschen zur verantwortlichen Mitwirkung in der Kirche zu aktivieren. Das kann Defizite auffangen helfen, die wir für die Kirchensteuer festgestellt haben. Besonders reizvolle Förder-Projekte können sich auf dem Weg zum Reformationsjubiläum Luther 2017 ergeben.

14. Die Finanzierungsbedingungen insbesondere in der Altenhilfe und im Gesundheitswesen werfen zunehmend die Frage auf, inwieweit diakonische Unternehmen theologisch verantwortet sich dem Wettbewerb mit gewerblichen Trägern stellen können!

Welche Entwicklungen sind in der Diakonie zu erwarten? Die Tendenz im Sozialsektor geht dahin, die Höhe der Pflegesätze und anderer Entgelte zunehmend allein nach dem günstigsten Anbieter auszurichten. Das sind i.d.R. gewerbliche Träger, die im Vergleich zur Diakonie deutlich geringere Löhne zahlen. Gerade in den personalintensiven Pflegebereichen können diakonische Unternehmen Personalmehrkosten von 10 % und mehr auf Dauer nicht auffangen. Lohnanpassungen nach unten sind innerhalb der kirchlichen Dienstgemeinschaft nur begrenzt möglich und theologisch verantwortbar.

Wenn der Staat die Trägervielfalt und das Engagement von Diakonie und Caritas erhalten will, wird er die Refinanzierungsbedingungen nicht allein durch die Preisschraube nach unten gestalten können.

IV. Schluss

Was also ist für die Kirche mit Blick auf ihre Finanzen wichtig? Der Finanzdezernent der EKD Thomas Begrich bringt den rechten Umgang der Kirche mit dem Geld immer wieder eindrucksvoll auf die Formel: „mit Gott rechnen!“ Was meint das?

  • sorgsam und effektiv mit dem anvertrauten Geld umzugehen,
  • die Entfaltungschancen im freiheitlichen Staat zu nutzen und mit dem Dienst am Menschen zugleich der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen,
  • vor allem aber dem Auftrag zu Verkündigung, Seelsorge, Bildung und diakonischer Nächstenliebe fröhlich, engagiert und verlässlich nachzukommen.

Denn so sagt der Apostel Paulus im 1. Brief an die Korinther im vierten Kapitel (V. 1 f.):

„Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden“.

Fußnoten:

  1. Der Text gibt die Fassung des mündlichen Vortrags wieder. Der ausführliche Beitrag wird im Tagungsband der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht.
  2. Evangelische Kirche in Deutschland. Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben, Hrsg.: Kirchenamt der EKD, Hannover 2011. Die Zahlen beziehen sich auf die Erhebung für das Jahr 2009.