„Kirche im Aufbruch“ - Drei Jahre Reformprozess in der EKD – Statement in der Pressekonferenz, Berlin

Katrin Göring-Eckardt

Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, wenn ich als „Neue“ in diesem Geschäft einige Sätze zu den Perspektiven sage, die sich mir aufdrängen:

Als jemand, der sozusagen in der Diaspora lebt, in einer kleinen dörflichen Gemeinde im Thüringischen ist es mir ein Herzensanliegen, dass wir als evangelische Kirche nicht furchtsam den Herausforderungen der Zukunft gegenübertreten. Im Gegenteil, ich sehe diesen Reformprozess der Evangelischen Kirche vielmehr eingebettet und umschlossen von der Lutherdekade, die im vergangenen Jahr begonnen hat und die uns bis zum großen Reformationsjubiläum am 31. Oktober 2017 begleitet. Wir brauchen einen langen Atem und ein großes Ziel; und die Lutherdekade und Reformationsjubiläum 2017 mit ihren Veranstaltungen und Aktionen erlauben uns, die großen Themen unserer evangelischen Tradition zu präsentieren und unsere Grundlagen im rechten, „typisch evangelischen“ Verhältnis zwischen Selbstbewusstsein und Selbstkritik aufleuchten zu lassen. Wir wissen, dass uns keine einfachen Zeiten bevorstehen, dafür aber sehr lohnende. Sicher ist es typisch für evangelische Kirche, dass ihre Gemeindeglieder, ihre Leitungspersonen auf allen Ebenen sich immer wieder fragen, was anders zu machen wäre und was in die Zeit passt. Nicht, natürlich nicht, im Sinne von Anpassung oder Mainstream, sondern im Gegenteil - als Fragen an die Zeit, als leidenschaftliches Eintreten für Christsein in der Gesellschaft, als Mahnerin notfalls auch.

Als Politikerin weiß ich zugleich, wie nötig Reformen sind, wie mühsam sie sind und wie wenig mitunter herauszukommen scheint. Die berühmte Landung als Bettvorleger hat schon manchen politischen Tiger ereilt; dennoch hielte ich es für geradezu sträflich, auf Grund dieser Erfahrung alle Reformversuche gleich zu unterlassen. Gelingende Reformen brauchen einen langen Atem und geduldige Arbeit, sie verdienen unsere Mühe und Anstrengung, denn ohne Reformen wären wir nur im Wortsinne „Re-Aktionäre“, wir reagierten nur auf neue Umstände. Zugleich aber gilt es, bei aller Anstrengung jene Sorglosigkeit nicht zu vergessen, von der Bischof Huber zu Beginn sprach.

Wir wollen einen aufbrechenden, unternehmensfreudigen Protestantismus, der sich nicht in seine vier Wände zurückzieht, sondern neugierig ist auf die Menschen und die Menschen neugierig macht. Dieser Aufbruch ist ein Aufbruch um des Evangeliums und um der Menschen willen, nicht weil die Kirche sich selbst erhalten will oder neue Mitglieder sucht, um die Finanzen zu sichern. Wir Protestanten mögen die Menschen, wir interessieren uns für sie, und wir glauben, dass der Glaube Herz, Seele und Verstand gut tut. Deswegen laden wir ein, Evangelium zu erleben.

Die Zukunftswerkstatt in Kassel soll ein fröhliches Treffen einer Kirche werden, die sich ihren Aufgaben mit Freude, Selbstbewusstsein und Zuversicht stellt. Der Blick konzentriert sich auf Innovationen und Initiativen, auf zentrale Themen und geistliche Herausforderungen. Kassel will keine Synode sein, auf der Kundgebungen beschlossen werden, sondern ein Treffen, das begeistert und zum Weitergehen anregt. In meinen Augen ist die Zukunftswerkstatt eine eigene Gattung: ein Treffen des Volkes Gottes, ein Stück Fachmesse, ein Stück Arbeitstreffen, ein fröhliches Fest und ein groß angelegter Studientag.

Voneinander und miteinander lernen, über die regionalen und landeskirchlichen Grenzen hinweg Anregungen nehmen und geben, Freude am Einfallsreichtum der anderen haben und eigene gute Ideen auch zeigen wollen, - das sehe ich als Mitte der Zukunftswerkstatt in Kassel und deswegen freue ich mich sehr auf diese neue größere Etappe im Reformprozess der EKD. Und eins ist mir sehr wichtig und damit lassen Sie mich schließen: Diese fröhliche Zukunftswerkstatt gestalten wir in dem Wissen, dass wir auch diese Kreativität nicht erarbeitet haben oder angestrengt gesucht haben, sondern geschenkt bekommen haben von Gottes gutem Geist, für den gilt: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“.