Ansprache beim Empfang „25 Jahre ZDF-Gottesdienste“

Wolfgang Huber

Zollernhof in Berlin

„Blumen für Stukenbrock“ – so heißt der Titel eines Erinnerungsbandes von Heinrich Albertz, des Pfarrers und Berliner Regierenden Bürgermeister, nach dem inzwischen in dieser Stadt – endlich, mag man sagen – sogar ein Platz benannt ist. Aber was ist Stukenbrock. Auf dem Friedhof für Tausende – vor allem russischer – Kriegsgefangener fand der erste ZDF-Gottesdienst statt, an dem ich mitgewirkt habe. Ein Gottesdienst auf diesem Friedhof, ein mutiges Zeichen der Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion, wie wir in den achtziger Jahren noch sagten.

„Wurzeln und Visionen“ – ein großartiges Motto für die ZDF-Gottesdienste des Milleniumsjahres 2000. Sie mündeten am Silvestertag in einen Gottesdienst aus dem Berliner Dom, der dem Dialog der Religionen gewidmet war. Beherzt verdeutlichten wir den Vertretern anderer Religionen, es sei ein christlicher, ein evangelischer Gottesdienst, zu dem sie als Dialogpartner eingeladen seien, um etwas aus ihrer Tradition einzubringen, ohne Unterschiede in einem vermeintlich interreligiösen Gebet auf falsche Weise zu verwischen.
Zwei Beispiele aus eigenem Erleben für mutige Schritte, die in ZDF-Gottesdiensten möglich waren und, so füge ich zuversichtlich hinzu, möglich bleiben. Denn diese Gottesdienste verbinden auf besondere Weise Kreativität und Disziplin.

Die Kreativität habe ich mit diesen Beispielen schon verdeutlicht. Deshalb noch ein Wort zur Disziplin. Die Diskussion, wie lang eine Predigt und wie lang ein Gottesdienst sein darf, kehrt unter Pfarrerinnen und Pfarrern, Organistinnen und Organisten und unter Kirchenvorständen immer wieder. Nicht so bei den Gottesdiensten, die vom ZDF seit 25 Jahren übertragen werden. Da diskutieren diese Frage der Rundfunkbeauftragte des Rates der EKD, die zuständige Redaktion oder der Fernsehrat, aber dann steht im Fernsehprogramm, was Sache ist. Meinetwegen könnten das auch fünf oder zehn Minuten mehr sein; darauf kommt es jetzt nicht an.  Sondern entscheidend ist: Diese klaren Vorgaben erziehen zur Disziplin. In meinem Mitarbeiterkreis ist es inzwischen zu einer stehenden Redewendung geworden: Wir planen diesen Gottesdienst unter Fernsehbedingungen. Unsere Erfahrung ist: Das bekommt auch den Gottesdiensten gut, die nicht von Rundfunk oder Fernsehen übertragen werden.  Viele Kolleginnen und Kollegen verwenden große Sorgfalt und unermessliche Mühe auf die Predigt als zentrales Ereignis des Gottesdienstes, aber auch die anderen Elemente – der gemeinsame Gesang, das Gebet, die stille Zeit und auch die gemeinsame Feier des Abendmahls – hätten es verdient, mit einer auf den Gottesdienstteilnehmenden orientierten Sorgfalt betrachtet und in ihrem Zeitvolumen klar geplant zu werden.

Weil wir von diesen Erfahrungen der sonntäglichen Gottesdienstübertragung lernen können, sind zum 25jährigen Jubiläum zwei Bücher erschienen:
Zum einen „Kanzel, Kreuz und Kamera“ von Charlotte Magin und Helmut Schwier. Ein theologisch fundiertes und praxisnahes Buch, das die ZDF-Fernsehgottesdienste als Beispiele innovativer Liturgien untersucht und Anregungen für die praktische Gottesdienstgestaltung vor Ort bietet. Dabei werden die journalistische Betrachtungsweise und die praktisch-theologische Reflexion stets aufeinander bezogen und in einen anregenden Dialog gebracht (z.B.: Gemeinde und Publikum, Liturgie und Dramaturgie, Gottesdienstablauf und Format).

Zum anderen „Gottes Korrespondenten“ von der früheren Rundfunkbeauftragten des Rates der EKD, Johanna Haberer. Sie vergleicht aus der gesellschaftlichen Perspektive die Berufsbilder des Pfarrers und des Journalisten, reflektiert die unterschiedlichen Berufsrollen und fragt nach ihren Überschneidungen, wenn die geistliche Rede in den Medien zu Gehör kommt. Leserinnen und Leser können einen Einblick gewinnen in die Dynamik der gesellschaftlichen Prozesse zwischen Kirche und Medien, geistlicher Rede und journalistischen Ausdrucksformen.
Beide Bücher machen – und das ist ein Beitrag der evangelischen Rundfunkarbeit – die professionelle Arbeit an der Produktion von Fernsehgottesdiensten nutzbar für die Gemeindearbeit: Charlotte Magins Buch eher den Bereich der Liturgie, Johanna Haberers den der Homiletik – auch das ein Ergebnis von 25 Jahren Gottesdienstübertragungen im ZDF.

Fernsehgottesdienste sind, wie ich glaube, ein guter, gehaltvoller und erfolgreicher Beitrag unserer Kirchen im Fernsehen. Aber das Fernsehen kann, so betrachtet, auch einen Beitrag zu guten Gottesdiensten leisten. Und die brauchen wir heute besonders dringend, auch dann, wenn sie nicht im Fernsehen zu sehen sind. Auch dafür danke ich an diesem Tag von Herzen – und hoffe auf die nächsten 25 Jahre.