"Gute Theologie – zum Verhältnis von Theologie und Kirche" - Festvortrag zum 100jährigen Jubiläum der Kirchlichen Hochschule Bethel

Wolfgang Huber

I.

Am kommenden Montag, dem Reformationstag, wird der aufmerksame Fernsehzuschauer eine erneute Gelegenheit haben, den Luther-Film von Eric Till anzuschauen. Viele von Ihnen werden diesen Film kennen, aber es lohnt sich, ihn mehrfach zu sehen. Eine Szene aus dem Film veranschaulicht den Kern der reformatorischen Einsicht und gibt auf diese Weise einen ersten Hinweis darauf, worin gute Theologie besteht:

Ganz am Anfang seiner Zeit in Wittenberg steht der junge Mönch Martin Luther vor der Frage, ob er einen Selbstmörder beerdigt. Streng genommen ist das ausgeschlossen, weil der Selbstmord als Todsünde es unmöglich machte, den Täter auf dem Kirchhof zu bestatten. In seiner Zelle auf und ab gehend, klagt Luther den Teufel an, den jungen Mann in den Selbstmord getrieben zu haben. Und voller Verzweiflung ruft er aus: Ich habe nie gesagt, ich hätte auf alles eine Antwort. Dann aber gibt er dem Toten doch das letzte Geleit, hebt selber das Grab aus und lässt den Toten dort hineinlegen. Eine neugierige, aber zaghafte Gemeinde aus Totengräbern und zufälligen Zuhörern versammelt sich um ihn. Ihnen predigt Luther von Gott: Gott ist Barmherzigkeit! Er sagt, dass Gott in seiner Barmherzigkeit größer ist als all unser weltliches Urteilen. Schließlich gibt er dem Toten sein Kreuz mit ins Grab und segnet ihn.

Auch wenn diese Szene historisch nicht belegt ist, macht sie in großer Anschaulichkeit den entscheidenden reformatorischen Durchbruch deutlich, der zur Triebfeder für den Aufbruch in die Moderne wurde. Jedem Menschen wird von Gott eine ebenso unverdiente wie unantastbare Würde zugesprochen.

Die Frage, was gute Theologie ist, kann man nur beantworten, indem man Kriterien für eine solche Theologie angeben kann. Ausgehend von der geschilderten Szene will ich sechs solche Kriterien kurz nennen, die unsere weiteren Überlegungen leiten sollen.

Erstens: Die Person – in diesem Fall Martin Luther. Gute Theologie braucht gute Theologen. Die personale Dimension guter Theologie ist von entscheidender Bedeutung. Martin Luther war ein guter Theologe, wenn auch natürlich nicht der einzige. Aber er kann beispielhaft genannt werden für das, was in späterer Zeit als theologische Existenz bezeichnet wurde.

Zweitens: Der Ort. In diesem Fall ist es der Friedhof direkt neben der Kirche. Zu guter Theologie gehört die Bindung an die Wirklichkeit der Kirche. Das kann sich, wie im Fall von Luthers fiktiver Begräbnispredigt, auch kritisch gegen die kirchlichen Zustände der eigenen Zeit wenden. Aber gute Theologie ist ohne ein Ja zur Kirche weder denkbar noch lebbar.

Drittens: Das erste Thema. Das erste und wichtigste Thema der Theologie ist Gott. Gute Theologie redet von Gott. Gute Theologie redet von Gott, so wie Martin Luther von Gottes Barmherzigkeit predigt. Dazu holt sie ihre Inspiration aus der Bibel und erhält dafür Orientierung aus der kirchlichen Tradition, insbesondere aus den Bekenntnissen.

Viertens: Das zweite Thema. Das zweite, mit dem ersten untrennbar verbundene Thema der Theologie ist der Mensch. Gute Theologie sagt aus, dass und wie sich der Mensch in Beziehung zu Gott befindet. Martin Luther hat davon gepredigt, dass und wie sich die Würde des Menschen von Gott herleitet. Das hat Auswirkungen für das Selbstverständnis des Menschen wie auf das Verhältnis der Menschen untereinander.

Fünftens: Die hörende Gemeinde. Die Adressaten machen die Kommunikation erst möglich, erst durch sie erreicht die Botschaft ihr Ziel. Und mag die Gemeinde noch so zusammengewürfelt sein wie in der Filmszene: Wer nicht auf den Adressaten achtet, betreibt keine gute Theologie.

Sechstens: Die Selbstbegrenzung. Luthers Ausruf Ich habe nie gesagt, ich hätte auf alles eine Antwort markiert die Bereitschaft, die eigenen Grenzen anzuerkennen. Auch wenn gute Theologie im Gefolge der Aufklärung die Vernunft hoch schätzt, weiß sie doch, dass sie dem Verstehen des Glaubens dienen, aber nicht das Geheimnis des Glaubens auflösen kann. Sie erkennt an, dass sich nicht alles dem rationalen Erklären erschließt. Es gibt eine Grenze, an der die Vernunft endet und Fragen offen bleiben müssen. Gute Theologie weiß um diese Grenze.

An diesen sechs Elementen orientiert sich der weitere Gang meiner Überlegungen.

II.

Gute Theologie, so heißt unser erstes Kriterium, braucht gute Theologen. Dies hier in der Betheler Zionskirche zu sagen, klingt nach den Eulen, die überflüssiger Weise nach Athen getragen werden. Hier hat nicht nur Friedrich von Bodelschwingh der Ältere, also der Gründervater der Kirchlichen Hochschule Bethel vor nun 100 Jahren, gepredigt. Auch, ja gerade durch diese Gründung ist Bethel ein Ort guter Theologie geworden, weil hier gute Theologen gelehrt und gepredigt haben. Gute Theologie existiert nicht an und für sich, sondern wird durch Personen vermittelt – durch Lehrende wie Lernende. Die Orte der Lehre und des Studiums sind gewiss die ersten Orte guter Theologie, aber sie sind es nicht allein. Neuerdings wird verstärkt darauf geachtet, dass insbesondere Kinder und Jugendliche keineswegs nur Objekte, sondern auch Subjekte von Theologie sind. So hat beispielsweise die Bildungsdenkschrift der EKD Maße des Menschlichen darauf hingewiesen, dass auch Kinder eine eigene Theologie haben. Ich finde es deshalb besonders lobenswert, dass die Kirchliche Hochschule Bethel im Rahmen ihres Jubiläums heute Vormittag die Türen für die Kinder der benachbarten Martinsschule geöffnet hat. Ob nun Kinder, Pfarrer und Pfarrerinnen, Lehrende und Lernende der Theologie an der Hochschule, für sie alle gilt: Ohne die gute Theologin, den guten Theologen ist gute Theologie kaum denkbar.

Zu den guten Theologen, die mich persönlich geprägt haben, gehört Dietrich Bonhoeffer. Wir haben in diesem Jahr seines 60. Todestages gedacht und werden in wenigen Monaten an seinen 100. Geburtstag erinnern. Aber auch der Jurist Ludwig Raiser, lange Zeit Präses der Synode der EKD und Vorsitzender ihrer Kammer für öffentliche Verantwortung, war eines der bestimmenden Vorbilder meines Lebens; sein 100. Geburtstag war im vergangenen Jahr zu erinnern. Dass er als Jurist theologisch prägend gewirkt hat, zeigt, dass die Unterscheidung zwischen sogenannten Laien und hauptberuflichen Theologen keine allerletzte Bedeutung hat, wenn es um gute Theologie geht.

III.

Zu guter Theologie, so heißt unser zweites Kriterium, gehört die Bindung an die Wirklichkeit der Kirche. Das kann sich auch kritisch gegen die kirchlichen Zustände der eigenen Zeit wenden. Aber gute Theologie ist ohne ein Ja zur Kirche weder denkbar noch lebbar.

In diesem Sinn heben Kirchliche Hochschulen etwas ausdrücklich hervor, was für die Theologie generell unverzichtbar ist. Für die Kirchliche Hochschule in Bethel gilt das in besonderer Weise. Das Ja zur Kirche stand schon bei ihrem Entstehen Pate. Das war in diesem Fall in besonderer Weise ein Ja zur diakonischen Kirche, zum gelebten Glauben, zum Glauben, der in die Tat führt. Orte, an denen die wissenschaftliche Reflexion des christlichen Glaubens und seine gelebte Praxis so eng verbunden sind, wie das hier in Bethel möglich ist, haben für die evangelische Theologie aus meiner Sicht eine exemplarische, ja eine vorbildhafte Bedeutung.

Die christliche Theologie ist von Anfang an im Lebenszusammenhang der Kirche entstanden; sie bleibt auf diesen Zusammenhang immer angewiesen. Diese Zusammengehörigkeit ist so grundsätzlich, dass man sie nicht quantifizieren und die Frage stellen kann, wie viel Kirche denn die Theologie brauche – oder umgekehrt. Bei dem Verhältnis von Theologie und Kirche handelt es sich in meinen Augen um eines der Qualität, nicht der Quantität.

Um dies zu erläutern, greife ich auf die unüberholte Definition Friedrich Schleiermachers zurück, nach der Theologie der Inbegriff derjenigen wissenschaftlichen Kenntnisse und Kunstregeln [ist], ohne deren Besitz und Gebrauch eine zusammenstimmende Leitung der christlichen Kirche, d.h. ein christliches Kirchenregiment, nicht möglich ist.

Unter Kirchenleitung ist dabei nach Schleiermacher umfassend die praktische Tätigkeit zu verstehen, die darauf gerichtet ist, dass die Kirche als Ganze ihren Auftrag wahrnimmt – nämlich den Glauben an Gott zu wecken und ihn zu loben. Wer also Theologie treibt, nimmt damit kirchenleitende Verantwortung wahr – keineswegs nur in der äußerlich erkennbaren Übernahme kirchlicher Leitungsämter.

In doppelter Weise sind Theologie und Kirche aneinander gebunden. Zum einen ist die Theologie auf die Aufgaben der Kirchenleitung ausgerichtet, nämlich darauf, dass ihre Kenntnisse und Kunstregeln angeeignet und gebraucht werden. Zum anderen ist die Kirchenleitung auf Theologie angewiesen, nämlich darauf, dass ihr praktisches Handeln kritisch auf sein Zusammenstimmen mit jenen Kenntnissen und Kunstregeln überprüft wird. Wie wichtig diese doppelte Bindung ist, kann ich aus eigener täglicher Erfahrung bestätigen.

Bei allem konstruktiv-kritischen Miteinander von Theologie und Kirchenleitung ist doch nicht zu übersehen, dass diese beiden Seiten institutionell auseinander treten. Die akademisch-wissenschaftliche Theologie und das gegliederte kirchenleitende Amt sind voneinander unterschieden, um miteinander in einen Dialog eintreten zu können. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob die Theologie ihren Ort innerhalb der Universität oder an akademisch eigenverantwortlichen Kirchlichen Hochschulen hat.

Gerade durch dieses institutionelle Auseinandertreten kann die Theologie zur kritischen Instanz der kirchlichen Praxis werden – und sie wird es hoffentlich auch bleiben. Gerade dadurch kann umgekehrt auch die Kirchenleitung zur kritischen Instanz der Theologie werden – und es hoffentlich bleiben. Die eine Seite gibt über das Resultat ihrer theologischen Überprüfung kirchlichen Handelns Auskunft, die andere Seite gibt zu erkennen, ob und inwieweit jene theologische Überprüfung das jeweilige kirchliche Handeln tatsächlich trifft und es möglicherweise unterstützt. Dabei muss Freiheit die Grundlage dieses gegenseitigen Handelns sein, damit die unlösliche Verbundenheit von Theologie und Kirchenleitung wirklich fruchtbar werden kann. Die Theologie hat die Freiheit, ein anderes kirchliches Handeln vorzuschlagen – die Kirchenleitung hat die Freiheit, sich eine andere Theologie zu wünschen. Nur so kann die Theologie ihre kirchenleitende Aufgabe wahrnehmen und nur so kann die Kirchenleitung ihre theologische Qualität wahren.

Deswegen werde ich mich immer dafür stark machen, dass das Verhältnis von Theologie und Kirchenleitung im evangelischen Verständnis anders geregelt ist als im römisch-katholischen. Auch das ist heute ein Bewährungsfeld für eine Ökumene der Profile. Nach meinem Verständnis als Hochschullehrer wie als Bischof ist es die Aufgabe der Theologie, für die Freiheit des Glaubens so einzutreten, dass die Vernunft beim Verstehen dieses Glaubens keinerlei ideologischen Vorgaben unterworfen wird. Und es ist ebenso mein Verständnis, dass es die Aufgabe der Kirchenleitung ist, für die Freiheit der Theologie so einzustehen, dass dies auch der Freiheit des Glaubens dient.

Den guten Rat der Theologen im akademischen Lehramt werden wir Kirchenleitenden immer wieder in Anspruch nehmen – insbesondere in der einfachen aber wirkungsvollen Form des aufmerksamen Lesens und Hörens. Aber wir geben dabei unsere eigene theologische Kompetenz nicht auf und befolgen somit den paulinischen Rat, alles zu prüfen und das Gute zu behalten. Im Übrigen wird in vielen Fällen die Freiheit kirchenleitenden Urteilens und Handelns schon dadurch gesichert, ja geradezu herausgefordert, dass die akademischen Theologen sich selbst nur sehr bedingt einig sind. Ja, die akademische Theologie neigt sogar dazu, ihre dissonante Pluralität mit der grundsätzlichen Wissenschaftsfreiheit in eine unauflösbare Verbindung zu bringen oder sie gar zum protestantischen Prinzip zu erheben. Dabei ist positionelle Pluralität zwar ein Ausgangspunkt, aber keineswegs das Ziel wissenschaftlicher Erkenntnis.

Die konstruktive Verbindung von Theologie und Kirche ist ein Konvergenzpunkt der großen Traditionen evangelischer Theologie im 19. und 20. Jahrhundert. Auf Schleiermacher habe ich hingewiesen. Karl Barth hat dieser Verbindung dadurch programmatischen Ausdruck gegeben, dass er seine Dogmatik im zweiten Anlauf nicht mehr Christliche Dogmatik, sondern Kirchliche Dogmatik nannte. In seinem Gefolge hat beispielsweise Hans Joachim Iwand vor fünfzig Jahren betont, dass die Theologie sich primär am Worte Gottes zu orientieren habe. Und da auch die Kirche nur vom Worte Gottes her lebe, seien beide kontingent und ereignishaft aufeinander bezogen. Aufgabe der Theologie sei es, in der sich wandelnden Welt auf das Wort Gottes zu achten und es weiterzugeben. Insofern seien Theologie und Verkündigung ganz eng aufeinander bezogen, so dass Iwand formulieren konnte: Nicht das Katheder, sondern die Kanzel ist der Punkt, auf den Lehren und Lernen bei uns ausgerichtet sein sollte. Daran schloss er eine Mahnung an alle diejenigen an, die in der theologischen Lehre aktiv sind: Der theologische Lehrer muss also seinen Schüler zu einem Prediger erziehen, aus dessen Verkündigung er selbst seinen Glauben schöpfen könnte.

Diese Mahnung halte ich für sehr bedenkenswert. Doch sie ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist genauso zu bedenken. Theologie ist Wissenschaft; und sie muss sich ihrer Verantwortung wie ihrer Bedeutung für die Wissenschaft im Ganzen bewusst sein. Gute Theologie ist nicht nur von Bedeutung für die Kirche, sondern auch für die Universität. Eberhard Jüngel hat einmal formuliert, das, was die Theologie „mit der Universität zutiefst […] verbindet, sei zuerst und vor allem die ihr wesentliche Bestimmung, für Wahrheit verantwortlich zu sein. Die Theologie erinnert die Gesamtheit der Wissenschaften und darum auch die Universität daran, dass sie mehr ist als ein Durchlauferhitzer für bestimmte Berufe, wie es von Teilen auch der politischen Öffentlichkeit heute immer massiver gefordert wird. Besonders deutlich hat zuletzt der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel eine solche Forderung aufgestellt, der folgendermaßen zitiert wird: Alle Studienangebote werden nach ihrer Attraktivität für den Arbeitsmarkt und für Studierende gemessen und angepasst, gegebenenfalls auch eingestellt. Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass man auch auf die Berufschancen und ihren Wandel achten muss, bestreite ich doch energisch, dass es genügt, allein darauf zu achten. Schleiermacher lässt sich auch hier zitieren: Eine Haltung, die höhere Bildung nur insoweit gewährt, als es dafür einen gesellschaftlichen Bedarf gibt, erklärte Schleiermacher nämlich für absolut unchristlich.

Gewiss will ich das Jubiläum einer Kirchlichen Hochschule nicht dazu benutzen, im Einzelnen über die institutionelle Stellung der Theologie an der Universität zu reden. Ich bejahe aus voller Überzeugung eine Situation, in der es neben den theologischen Fakultäten und gleichberechtigt mit ihnen, in einer zwischen den Gliedkirchen der EKD gut abgestimmten Weise Kirchliche Hochschulen gibt, die gerade hinsichtlich der Fragestellung, die uns heute beschäftigt, keinen anderen Kriterien unterliegen als theologische Fakultäten auch. Das gilt auch für das Verhältnis der Theologie zu den anderen Wissenschaften. Gute Theologie muss sowohl disziplinär als auch interdisziplinär sein. Gute Theologie muss interdisziplinär sein; sie darf die anderen Wissenschaften nicht ignorieren, sondern muss sich mit ihnen in einem ständigen Gespräch befinden. Denn sie darf niemals zum selbstreferentiellen System werden. Aber gute Theologie muss auch disziplinär sein. Sie muss bei ihrer Sache bleiben und darf die Einheit ihres Gegenstandes nicht aufgeben. Vielleicht kennen Sie den Werbeaufkleber Was Friseure können, können nur Friseure. Diesen selbstbewussten Anspruch muss auch die Theologie haben: Was Theologie kann, kann nur Theologie. Eine Theologie, die bloß andere Wissenschaften kopiert, wird irgendwann von diesen nicht mehr ernst genommen. Die kulturelle Bedeutung des Christentums beispielsweise kann eben auch von einem Profanhistoriker untersucht werden. Theologie, und das heißt auch: wissenschaftliche Theologie muss bei ihrem ureigensten Thema bleiben. Und dazu muss sie zunächst einmal wissen, was dieses Thema ist.

IV.

Unser drittes Kriterium besagt: Das erste und wichtigste Thema der Theologie ist Gott. Gute Theologie redet von Gott. Dazu holt sie ihre Inspiration aus der Bibel und erhält dafür Orientierung aus der kirchlichen Tradition, insbesondere aus den Bekenntnissen.

Oder, in einer Formulierung von Eberhard Jüngel: Gegenstand der Theologie ist das  auf Wahrheit Anspruch erhebende, sich in den biblischen Texten manifestierende und aus den biblischen Texten zu gewinnende Wort Gottes. Der Wahrheitsanspruch dieses Wortes ist nur im Glauben verifizierbar.

Diese Position ist nicht unumstritten. Auch heute gibt es eine Debatte, die sich an den von den Diskutanten so gesehenen Antipoden Schleiermacher und Barth festmacht, die beide als Kirchenväter je ihres Jahrhunderts gelten. Die Dialektische Theologie, von Barth geprägt, hat immer wieder das Evangeliumsgemäße als das entscheidende Kriterium guter Theologie betont. Sie hat, hier in der Tradition der reformatorischen Orthodoxie stehend, die Bibel als norma normans und die Bekenntnisse als norma normata alles theologischen Redens, also auch des theologischen Redens über Gott, hervorgehoben. Die Vertreter einer kulturhermeneutischen Perspektive dagegen sind unter Berufung auf Schleiermacher davon überzeugt, dass allein die gegenwärtigen Formen religiöser Sinnstiftung die Relevanz von Theologie bestimmen sollten. Damit wird das theologische Reden von Gott von den subjektiven Befindlichkeiten gegenwärtiger, religiös gestimmter Menschen abhängig gemacht.

Beide Positionen tragen ein Wahrheitsmoment in sich. Aber weder der Standpunkt der Dialektischen Theologie noch der des Kulturprotestantismus sollten absolut gesetzt werden. Warum das vermieden werden muss, erschließt sich, so bald man den historischen Ort der beiden Konzepte ins Auge fasst. Der Kulturprotestantismus versuchte, die ausgreifenden Ansprüche europäischer Kultur theologisch zu fassen, just in dem Moment, als sie weltgeschichtlich relativiert wurden. Die Dialektische Theologie unternahm es, das Bewusstsein einer offenkundig gewordenen Krisis zu verarbeiten. Der Erste Weltkrieg bildete den epochalen Wendepunkt zwischen diesen beiden theologischen Strömungen. Hier manifestierte sich zum einen, dass der selbstverständliche Anspruch des europäischen Kulturmodells auf globale Vorherrschaft verloren gegangen war. Jene Denkform, die Ernst Troeltsch in seiner Schrift über die Absolutheit des Christentums (1902) ein letztes Mal rekonstruiert hatte, erwies sich nun selbst als historisch. Und zum andern trat ein theologisches Denken hervor, das die krisenhafte Erfahrung der Gegenwart systematisch verallgemeinerte: Der kategoriale Unterschied zwischen Gott und Mensch wurde zum theologischen Ausgangspunkt erklärt und mit der Feststellung verbunden, dass dieser Unterschied nur von Gott her zu überbrücken sei.

Im Jahr 2005 müssen wir feststellen, dass es offenkundig unfruchtbar ist, diese epochale Konstellation einfach zu reproduzieren. Gewiss sollten wir den Respekt vor den Großen der Theologiegeschichte nicht leichtfertig über Bord werfen. Aber nur in die Schuhe der damaligen Kontrahenten zu schlüpfen, erweist sich als bloß epigonal. Den aktuellen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wird eine solche Debatte nicht gerecht. Wenn sie sich auf solche verspäteten Nachhutgefechte einlässt, verfehlt die Theologie ihr Thema.

Denn inzwischen ist die Weltgesellschaft eine unbezweifelbare Realität. Die Interdependenz in der einen Welt trägt nicht nur ökonomischen, sondern auch kulturellen und religiösen Charakter. Christliche Selbstverständigung, die das nicht berücksichtigt, braucht sich über ihren Relevanzverlust nicht zu wundern. Trotzdem meinen manche immer noch, bei der Bestimmung des gegenwärtigen Ortes der Theologie ausschließlich auf Paradigmen aus der Geschichte der deutschsprachigen evangelischen Theologie zurückgreifen zu können. Ökumenefähig wird die evangelische Theologie auf diese Weise nicht.

Dabei muss sie heute ihre Wahrnehmungsfähigkeit nicht nur auf andere konfessionelle Gestalten des Christentums und auf die Ausprägungen des Christentums in anderen Kontinenten ausdehnen; sie muss sich ebenso mit anderen Religionen, weltanschaulichen Überzeugungen und nichtreligiösen Lebensformen auseinandersetzen. Unter Formeln, die lediglich mit einem Allgemeinbegriff von Religion arbeiten, bleiben die Differenzen, um die es dabei geht, unterbestimmt. Die heutige Herausforderung besteht in der Doppelaufgabe der Beheimatung im Eigenen und der Wahrnehmung des Fremden, der Ausbildung einer eigenen Identität und der Verständigung mit dem Anderen. Wie bildet sich und worin zeigt sich christliche Identität unter den Bedingungen einer multireligiösen Gesellschaft? Und wie gelingt das Zusammenleben mit Fremden, ohne dass dabei Toleranz mit Selbstvergleichgültigung verwechselt wird? Fragen dieser Art stellen sich mit wachsender Dringlichkeit. Für einige Zeit war das muslimische Kopftuch eines der Symbole, an die sie sich heften. Antworten erschließen sich nur dann, wenn die Bestimmtheit der christlichen Rede von Gott in den Dialog der Religionen eingebracht wird. Die Einsicht, dass die christliche Rede von Gott sich nur von der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus her erschließt, gewinnt deshalb eine ganz neue Aktualität.

Denn dem Konfliktpotential, das in der Pluralität der Religionen liegt, lässt sich nicht durch eine Verharmlosung ihrer Unterschiede beikommen. Der interreligiöse Dialog gelingt weder dadurch, dass man im Zuge einer allgemeinen Religionshermeneutik die Differenz religiöser Haltungen zum Verschwinden bringt, noch dadurch, dass man sich ins Schneckenhaus der eigenen Tradition verkriecht und andere Überlieferungen und Lebensformen mit Nichtachtung bedenkt.

In der Reaktion auf eine solche Lage kann man gelegentlich die Tendenz beobachten, die evangelische Theologie in eine Religionswissenschaft des Christentums zu verwandeln. Mit einer theologischen Wahrnehmung des globalen Horizonts aber ist das gerade nicht zu verwechseln. Denn auch in einer solchen Religionswissenschaft des Christentums bleibt die Auseinandersetzung mit nichtchristlichen Religionen oder mit dem religiösen Analphabetismus in der eigenen kulturellen Landschaft ein Randphänomen. Dabei kann es aber nicht bleiben.

V.

Das zweite, mit dem ersten untrennbar verbundene Thema der Theologie ist der Mensch. Gute Theologie, so heißt deshalb unser viertes Kriterium, sagt aus, dass und wie sich der Mensch in Beziehung zu Gott befindet. Das hat Auswirkungen für das Selbstverständnis des Menschen wie auf das Verhältnis der Menschen untereinander.

Die Reformation spricht dem Menschen einen ganz neuen Rang zu, weil sie die Würde des einzelnen in der Beziehung zu Gott wurzeln lässt und nicht in den menschlichen Leistungen, seiner Herkunft, seinem Stand, seiner Rasse oder seiner Nation. Zwar entzieht die Aufhebung des religiösen Leistungsgedankens der positiven Bewertung von Leistungen nicht den Boden; aber sie misst sie mit menschlichem Maß. So wird deutlich, dass es in diesen Leistungen um den verantwortlichen Umgang mit den Gaben geht, die dem Menschen anvertraut sind. Es geht nicht um die Erlangung der ewigen Seligkeit. Wir leben aus der uns anvertrauten Würde, aber wir stellen sie nicht selber her. In dieser unantastbaren Würde des Menschen sind die Gewissensfreiheit und der Glaubensmut verankert, für welche die Reformation ein unvergessliches Symbol geschaffen hat, nämlich in dem nachträglich gezeichneten Bild von Martin Luthers Auftreten auf dem Reichstag in Worms 1521, als er sich vor Kaiser und Reich zur freien Erkenntnis des Glaubens nach bestem Wissen und Gewissen bekennt: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen. Auch dies ist eine Szene, die in Eric Tills Luther-Film mit großer Eindringlichkeit dargestellt ist. Dass dieser Luther-Film den Untertitel trägt: Er veränderte die Welt, hat nach meiner Interpretation übrigens nicht nur mit den politischen Veränderungen zu tun, die aus der Reformation resultierten, sondern auch damit, dass nach der Reformation der Mensch und damit die Welt in einem veränderten Licht gesehen und verstanden werden mussten.

Dietrich Bonhoeffer beschreibt in seiner Ethik die veränderte Sicht der Wirklichkeit des Menschen und seiner Welt so, dass die Wirklichkeit Gottes sich nicht anders erschließt als indem sie mich ganz in die Weltwirklichkeit hineinstellt, die Weltwirklichkeit aber finde ich immer schon getragen, angenommen, versöhnt in der Wirklichkeit Gottes vor. ... Es geht also darum, an der Wirklichkeit Gottes und der Welt in Jesus Christus teilzuhaben, und das so, dass ich die Wirklichkeit Gottes nie ohne die Wirklichkeit der Welt und die Wirklichkeit der Welt nie ohne die Wirklichkeit Gottes erfahre.

Die Wirklichkeit Gottes wird als der Ausgangspunkt verstanden. Doch diese Gotteswirklichkeit begegnet nur in dem menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus. Gott hat sich auf die Welt eingelassen, hat sich in ihr inkarniert; folglich können die Wirklichkeit Gottes und die Wirklichkeit der Welt nicht voneinander getrennt oder gar gegeneinander ausgespielt werden. Die Wirklichkeit Gottes muss nach Bonhoeffer als konstitutiv für die Wirklichkeit der Welt betrachtet werden. Bonhoeffer bringt das in den Begriffen des ‚Letzten’ und des ‚Vorletzten’ zum Ausdruck: Es gibt also kein Vorletztes an sich, so also, dass sich irgendetwas an sich als Vorletztes rechtfertigen könnte, sondern zum Vorletzten wird etwas erst durch das Letzte, das heißt in dem Augenblick, in dem es bereits außer Kraft gesetzt worden ist. Das Vorletzte ist also nicht Bedingung des Letzten, sondern das Letzte bedingt das Vorletzte.

Diese Überlegung prägt den durch und durch relationalen Wirklichkeitsbegriff Bonhoeffers. Nach ihm gibt es aus der Sicht des Glaubens keine Weltwirklichkeit, die nicht schon immer in einer Beziehung zur Gotteswirklichkeit stünde. Für den Glaubenden ist seine Existenz in all ihren Bezügen in Christus gegründet und durch ihn bestimmt. Lebensbereiche in dem Sinn ihren eigenen Gesetzen zu überlassen, dass sie für den Glaubenden einfach extra Christum, außerhalb der Gotteswirklichkeit ihren Ort und ihren Grund hätten, ist für eine solche Betrachtungsweise nicht vorstellbar. Die Barmer Theologische Erklärung formuliert dies in ihrer zweiten These so: Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen. Aus diesem Ja folgt das Nein, das gute Theologie nicht scheuen darf, wenn sie denn gute Theologie sein will: Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.

VI.

Gute Theologie, so heißt unser fünftes Kriterium, ist adressatenorientiert. Die Adressaten machen die Kommunikation erst möglich, erst durch sie erreicht die Botschaft ihr Ziel. Wer nicht auf den Adressaten achtet, betreibt keine gute Theologie.

Die sogenannten kontextuellen Theologien haben seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Theologie immer wieder an diesen hermeneutischen Grundsatz erinnert. Freilich haben sich daran auch Entwicklungen angeschlossen, die gesellschaftliche Entwicklungen nur theologisch verdoppelt und Thesen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen theologisch imitiert haben. Bisweilen ist daraus eine Selbstsäkularisierung von Theologie und Kirche hervorgegangen, bei der beide in der Gefahr standen, ihr erstes und entscheidendes Thema zu verlieren. Denn Gott, so hat es Christof Gestrich formuliert, lässt sich nicht säkularisieren.

Es zeigt sich daran, dass ein fataler Kurzschluss vorliegt, wenn man aus Martin Luthers Rat, den Leuten aufs Maul zu schauen, schließt, man solle ihnen nach dem Munde reden. Die theologische und kirchliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte in Deutschland bietet manchen Grund, sich an die Warnung Sören Kierkegaards zu erinnern, wer sich mit dem Zeitgeist verheirate, finde sich schnell als Witwer vor. Gute Theologie erschöpft sich nicht in einer bloßen Wiederholung dessen, was in der religiösen Landschaft zum common sense gehört. Was jeder von selbst versteht, kann sich auch jeder selbst sagen.

Ich bin davon überzeugt, dass Menschen heute gerade von uns als Kirche geistliche Tiefe, spirituellen Gehalt und theologische Klarheit erwarten. Es gibt eben nicht nur die Faszination der Esoterik mit ihrer bunten Melange von Lebensbewältigungs- und Welterklärungsmodellen. Es gibt eben nicht nur Vorgänge religiöser Hingabe in der Musik- und Filmszene oder im Sport. Wir sollten uns nicht weismachen lassen, die Religion sei völlig aus der Kirche ausgewandert. Meine Eindrücke sind ganz anders: Wenn ich auf die Ereignisse dieses Jahres zurückblicke, erinnere ich mich an das große Interesse, das der Papstwechsel, aber auch der Weltjugendtag im Bereich der römisch-katholischen Kirche geweckt haben; ich erinnere mich an den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover, auf dem sich die evangelische Kirche als lebendige Kirche präsentiert hat, ich erinnere mich an viele kleinere Ereignisse, die gezeigt haben: Menschen fragen wieder weiter und Kirche ist wieder gefragt. Auf diese Fragen muss die Kirche eine Antwort geben und gute Theologie kann ihr helfen, sie zu finden.

VII.

Gute Theologie, so heißt unser sechstes und letztes Kriterium, ist durch die Bereitschaft geprägt, die eigenen Grenzen anzuerkennen. Auch wenn gute Theologie im Gefolge der Aufklärung die Vernunft hoch schätzt, weiß sie doch, dass sie dem Verstehen des Glaubens dienen, aber nicht das Geheimnis des Glaubens auflösen kann. Sie erkennt an, dass sich nicht alles dem rationalen Erklären erschließt. Es gibt eine Grenze, an der die Vernunft endet und Fragen offen bleiben müssen. Gute Theologie weiß um diese Grenze.

Nicht nur im Blick auf sich selbst vertritt die Theologie ein solches Grenzbewusstsein. Sie stellt auch die Frage, welche Grenzen menschlichen Bemächtigungsansprüchen überhaupt gestellt sind. Sie tritt dafür ein, die Grenze der Herrschaftsansprüche des Menschen über den Menschen zu achten, die mit der Würde jedes Menschen gegeben ist. Sie tritt dafür ein, dass die Verfügungsansprüche des Menschen dort eine Grenze haben, wo der Mensch sich selbst oder andere nur noch wie eine Sache behandelt, deren Lebensrecht er selbst meint abschließend beurteilen zu können. Deshalb meldet sie sich zu Wort, wo neue Tendenzen dazu auftauchen, lebenswertes und lebensunwertes Leben voneinander zu unterscheiden oder auf die Möglichkeiten der modernen Medizin mit dem Ruf nach der aktiven Sterbehilfe oder dem assistierten Suizid zu antworten. Es ist das Grenzbewusstsein, das die Theologie solchen Bestrebungen gegenüber geltend zu machen hat.

Aber dieses Grenzbewusstsein muss die Theologie auch sich selbst gegenüber gelten lassen. Auf Philipp Melanchthon geht die Aussage zurück, die Trinität, also das Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes, könne man letztlich nicht verstehen, sondern nur anbeten. Gute Theologie schützt und hütet das Geheimnis und versucht nicht um jeden Preis, es zu lüften.

Das impliziert auch, dass gute Theologie sehr vorsichtig ist, wo Menschen vorschnelle Antworten auf alle Fragen parat haben. Sie ist kritisch gegenüber geschlossenen Systemen, gegenüber jeglichem Fundamentalismus innerhalb und außerhalb der Kirche, der die Wahrheit in Merksätzen festschreiben will. Es ist besser, argumentativ zu bleiben, wenn keine eindeutigen Antworten möglich sind, als den Diskurs mit ungedeckten Behauptungen zu beenden. Die Bereitschaft zum Fragen ist deshalb das erste, was man in der Theologie zu lernen hat. Gute Theologie kennt keine dummen Fragen, sondern allenfalls dumme Antworten.

Die Bereitschaft zum Fragen kennzeichnet Den guten Theologen in allen Phasen seines Lebens. Ernst Käsemann, der große Neutestamentler, hat dies exemplarisch vorgeführt, als er eine Gastvorlesung in Marburg aus Anlass seines goldenen Promotionsjubiläums unter die Überschrift stellte: Was ich als deutscher Theologe in fünfzig Jahren verlernt habe. Käsemann begründet diesen Titel so: Lernen kann […] niemand, der nicht zu verlernen bereit ist. […] Vielleicht darf man behaupten, erst am Verlernten zeige sich, ob und wieweit man zu lernen imstande ist. Vieles von dem, was Käsemann gelernt hatte, hatte er von seinem Lehrer Rudolf Bultmann übernommen. Vieles von dem, was er von Bultmann gelernt hat, musste er aber auch wieder verlernen, um seine eigene Theologie zu treiben. Zu dem, was ihm bleibend von seinem Lehrer in Erinnerung blieb, gehörte aber, dass es nie ein Ende des Fragens gibt.

Ich wünsche Ihnen, dass das auch in Ihrem theologischen Leben so bleibt, dass es nie ein Ende des Fragens gibt. Seien Sie sich aber dessen bewusst, dass es auf manche Fragen möglicherweise keine Antwort gibt. Ich habe nie gesagt, ich hätte auf alles eine Antwort – so ruft es der Film-Luther in seiner Mönchszelle.

VIII.

An sechs Elementen habe ich versucht, Kriterien guter Theologie zu verdeutlichen. Kriterien haben ihr Wesen darin, dass man die Wirklichkeit an ihnen prüfen kann, dass die Wirklichkeit mit ihnen aber nicht vollständig und nicht immer übereinstimmt. Leider gibt es auch schlechte Theologie, die von schlechten Theologen und Theologinnen getrieben wird. Leider gibt es Theologie, die die Bindung zur Kirche aufgibt oder ignoriert, in der weder von Gott noch vom Menschen in eigentlicher Weise die Rede ist; leider gibt es Theologie, die ihre Adressaten verfehlt, oder die eigenen Grenzen nicht wahr nimmt. Wo nötig, muss das auch ausgesprochen werden, um besserer Theologie willen.

Aber wir sollten unser Licht und das Licht unserer Theologie nicht unter den Scheffel stellen. Wir wären nicht hier, wenn es nicht gute Theologie gäbe, wenn uns nicht gute Theologinnen und Theologen geprägt hätten und nach wie vor prägen.

Ich freue mich, dass ich diese Überlegungen zum hundertjährigen Jubiläum einer Kirchlichen Hochschule entwickeln konnte, deren Ziel es von Anfang an war, gute Theologie zu treiben und gute Theologen auszubilden. Dies ist der Kirchlichen Hochschule Bethel im Wandel der Zeiten immer wieder gelungen, in all ihren Formen und Ausprägungen, mit ihren zum Teil für die deutsche, ja die europäische Theologie prägenden und bedeutenden Theologen. Ich bin sicher, dass der Hochschulort Bethel auch weiterhin ein Ort guter Theologie sein wird.

Diesem Hochschulort, dem diakonischen Gemeinwesen Bethel und Ihnen allen gilt von Herzen meine Bitte um Gottes Segen!