Gedenkwort am Denkmal Dietrich Bonhoeffers in Breslau

Wolfgang Huber

Dietrich Bonhoeffer war voller Hoffnung. Selbst als er am Morgen des 8. April 1945 von seinen Mitgefangenen weggeführt wird, sind als seine letzten Worte überliefert: Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens. Diese Hoffnung über den Tod hinaus stelle ich heute bewusst an den Beginn meines Gedenkens an den großen Sohn dieser Stadt Breslau. Ich tue es auch in ehrfurchtsvollem Gedenken an diejeneigen Menschen, die vor einer Woche in Kattowitz Opfer eines großen Unglücks wurden, als eine zusammenstürzende Halle viele Menschen unter sich begrub. Auch sie will ich hineinnehmen in die Hoffnung über den Tod hinaus, zu der Dietrich Bonhoeffer ermutigt.

Dietrich Bonhoeffers Leben mündete in eine unzerstörbare Hoffnung; sein Glaube ließ ihn unablässig für Frieden und Gerechtigkeit wirken; seine Einsatz galt dem lebendigen Zeugnis des Evangeliums. Um dieser Aufgaben willen, so schreibt er im Jahr 1944, wird es Menschen geben, die beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten. In diesem einen Satz konzentriert sich das Zeugnis des Lebens und des Glaubens Dietrich Bonhoeffers. An ihn erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland heute, am Tag seines 100. Geburtstages, hier am Denkmal in seiner Geburtsstadt Breslau voller Dankbarkeit.

Freilich müssen wir auch bekennen: Dass Dankbarkeit dieses Gedenken prägen würde, war kurz nach 1945 noch nicht abzusehen; die evangelische Kirche hat sich den Weg nicht leicht gemacht: Es war ein schwieriges Ringen darum, das Wirken Dietrich Bonhoeffers im politischen Widerstand und sein Glaubenszeugnis zusammen zu sehen, statt beides gegeneinander auszuspielen. Diese Einsicht hat Zeit gebraucht; ja, es hat schmerzlich lang gedauert, bis sie sich durchsetzte. Nachdem wir sie gewonnen haben, werden wir, so hoffe ich, selbst die Konsequenzen ziehen und beides aufbringen, wo immer es nötig ist: Glaubensmut und Zivilcourage. Persönlicher Glaube und öffentliche Verantwortung gehören auch heute zusammen – in einer Zeit, in der beides viel leichter ist, als es zu Bonhoeffers Zeit war.

Aus seinem Glauben zog Bonhoeffer persönliche Konsequenzen: im Beten, im Tun des Gerechten, im Warten auf Gottes Zeit. Er lernte die Kraft des Gebets kennen, so sehr, dass er auch andere daran teilhaben ließ. Aus dieser Haltung arbeitete er an der Erneuerung der Kirche, in der Hoffnung, sie werde sich erkennbar machen in ihrer Zugehörigkeit zu Christus wie in ihrem Dasein für andere. Er mühte sich um das Tun des Gerechten; er trug das Seine dazu bei, dass eine künftige Generation leben konnte. Wir spüren das heute im vereinigten Europa, in dem wir so viel enger zusammenstehen, als uns das noch vor zwei Jahrzehnten möglich war. Bonhoeffer erinnerte den Staat nicht nur an seine Aufgabe, für Recht und Frieden zu sorgen, er fand sich dazu bereit, selbst dem Rad in die Speichen zu fallen, vor allem wenn es um die Rechte jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger ging. Doch er musste auch lernen, auf Gottes Zeit zu warten. Auch erfuhr, dass unser Leben wie unser Tun ein Fragment bleibt, das wir schließlich nur in Gottes Hände legen können.

Aus diesem Geist dichtete er den berühmten Vers: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Wer auf Gott vertraut, gewinnt auch in schwierigen Situationen neue Kraft. Diese Grundhaltung können wir von Dietrich Bonhoeffer lernen kann. Er ist ein Glaubenszeuge, der uns auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts Orientierung geben kann. Wir erinnern uns seiner in Dankbarkeit.