Lockerer Ladenschluss – richtig oder falsch? - BZ-Kolumne

Wolfgang Huber

Schnell noch etwas zum Abendessen besorgen oder in Ruhe zu später Stunde bummeln – wer täte das nicht gern? Als Touristenstadt sich auch am Abend gastfreundlich erweisen und zugleich den Umsatz steigern: auch das ist ein ehrenwertes Motiv. Die Fußball-Weltmeisterschaft beflügelt solche Gedanken. Die Mehrheit der Bundesländer plant deshalb, den Ladenschluss zu lockern. In Berlin dürfen dann die Geschäfte von Montag bis Freitag sogar rund um die Uhr öffnen. Dass wir dann länger shoppen dürfen, bedeutet freilich nicht, dass wir mehr Geld in der Tasche haben werden. Vor diesem Irrtum kann man nur warnen.

Aber nicht nur die Verführbarkeit der Kunden muss man im Blick haben, sondern auch die Situation von Verkäuferinnen und Verkäufern. Ich weiß: Angesichts von hoher Arbeitslosigkeit sind sie zu vielem bereit, oft auch notgedrungen. Aber menschenwürdig müssen die Arbeitszeiten bleiben. Familienfreundliche Bedingungen sind gerade im Handel wichtig; sonst wird die Rede von der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie heuchlerisch. Die Öffnungszeiten der Kindergärten, die Unterrichtsdauer in den Schulen, die Notwendigkeit von Arztterminen – all das ist zu bedenken. In der Nacht sollten nicht mehr Menschen arbeiten müssen, als nötig ist. Ich hoffe deshalb, der Handel wird die flexibleren Möglichkeiten mit Augenmaß nutzen.

In unserem Nachbarland Mecklenberg-Vorpommern will man über all das hinausgehen. Wieder einmal hat man es auf den Sonntag abgesehen. Als ob der gemeinsame freie Tag eine überholte Erfindung wäre. Als ob es Sinn hätte, wieder auf die Zehntagewoche überzugehen – wie einst in der Französischen Revolution. Eine „Bäder-Regelung“ soll auch dort ermöglicht werden, wo von Bad keine Rede ist. Doch das geht über die Aufgaben der Bundesländer hinaus. Denn der Schutz des Sonntags ist kein Thema der Landesgesetzgebung. Er steht vielmehr im Grundgesetz – und das mit gutem Grund. Der gemeinsame freie Sonntag ist eine wichtige kulturelle Errungenschaft. Er entspricht zugleich einem biblischen Gebot: „Du sollst den Feiertag heiligen“.

Dieser Tag gibt der Woche eine klare Struktur. Der Wechsel von Arbeit und Ruhe tut uns gut. An Sonntagen soll deshalb nur dort gearbeitet werden, wo es unbedingt nötig ist. Er soll ein Tag der Gemeinschaft sein, ein Tag für Familie und Freunde. Er ist ein Tag der Muße und des Innehaltens. Und er ist der Tag des Gottesdienstes. Eine wachsende Zahl von Menschen nimmt das wieder ernst – übrigens in der ganzen Welt. Der Sonntag, als erster Tag der Woche, ist der Ur-Feiertag der Christen, an dem die Auferstehung Christi gefeiert wird.

Der gute, lebensnotwendige Sinn des Sonntags muss bewahrt werden, gerade in einer Zeit des Wandels. Denn ohne Sonntag gäbe es nur noch Werktage.