Einleitendes Votum zum Themenbereich Schule beim Spitzengespräch der Kirchen mit dem Präsidium der Kultusministerkonferenz in Plön

Wolfgang Huber

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Kirchen danken Ihnen herzlich für Ihre Einladung und für die Möglichkeit zu diesem Gespräch. Seitdem wir uns im Mai 2001 das letzte Mal in diesem Rahmen in Hamburg getroffen haben, hat sich das Bildungswesen enorm verändert. Damals waren die Ergebnisse der ersten Pisa-Studie noch nicht bekannt, die dann umfangreiche Reformbemühungen ausgelöst haben. Anfänglich standen dabei besonders die im internationalen Vergleich schlechteren Schulleistungen in Deutschland im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sicherlich ist es notwendig, Erfolge von Bildungsanstrengungen auf möglichst objektive Weise zu prüfen. Doch besonders müssen die von den Pisa-Studien aufgezeigten strukturellen Ungerechtigkeiten und Ausgrenzungsprozesse im Bildungsbereich aufrütteln. In einer Gesellschaft, die von Vielfalt und Differenz geprägt ist und in der Lebenschancen ungleich verteilt sind, muss sich das Bildungswesen an der Aufgabe der Befähigungsgerechtigkeit ausrichten. Das Recht auf gleichen Zugang zu Bildung darf nicht nur formal betrachtet werden. Deshalb dürfen wir uns nicht darauf beschränken, den Erwerb von sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnissen und Wissensbeständen zu prüfen. Wenn Bildungsferne nicht von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden soll, müssen Bildungsbarrieren auf allen Bildungsstufen, das heißt vom Elementarbereich an, abgebaut werden. Das sage ich in dem Bewusstsein, dass wir als Kirchen gerade im Elementarbereich in einer besonderen Verantwortung stehen.

Von vergleichbar zentraler Bedeutung ist für uns als Kirchen der Gedanke einer am ganzen Menschen ausgerichteten Bildung. Zu ihr gehören auch Religion und Ethik. Bisher kommen Fragen religiöser und ethischer Bildung und Erziehung in den PISA-Studien und ähnlichen Untersuchungen gar nicht oder nur ganz am Rande vor. Dabei lassen sich die Querverbindungen – beispielsweise zwischen religiös-ethischer Bildung und Lesekompetenz – gar nicht bestreiten. Aber darüber hinaus hat die Auseinandersetzung mit den Themen religiöser und ethischer Bildung natürlich in sich selbst einen hohen Orientierungswert. Das gilt in einer besonderen Weise im Blick auf die Integration von Schülerinnen und Schüler aus Migrantenfamilien. Unser Bildungsverständnis muss deshalb verstärkt die kulturellen und religiösen Fundamente von schulischem Lernen und gesellschaftlicher Orientierung einbeziehen.

Dazu leistet der Religionsunterricht einen wichtigen Beitrag; dieser Beitrag sollte sich deshalb auch in der Festlegung von Bildungsstandards widerspiegeln. Bei den kirchlichen Bemühungen in diesem Feld erbitten wir uns die nötige staatliche Unterstützung. Selbstverständlich wollen wir den Religionsunterricht aktiv in die aktuelle Schulentwicklung einzubringen. Doch das Fach darf nicht in den eigenständigen Gestaltungsspielräumen der einzelnen Schule untergehen. Hier muss entsprechende Vorsorge getroffen werden.

Wir stützen uns im Religionsunterricht auf eine qualifizierte und engagierte Lehrerschaft. Umfangreiche Studien in Niedersachsen und Baden-Württemberg haben das eindrücklich gezeigt. Aufgrund der Altersstruktur dieser Lehrerschaft ist in den nächsten Jahren allerdings mit einem Mangel an Fachlehrkräften zu rechnen; in der Folge sind erhebliche Einbußen in der Unterrichtsversorgung zu befürchten. Dieser Entwicklung muss aktiv gegengesteuert werden. Das halten auch die Fachberichte zum Evangelischen und Katholischen Religionsunterricht fest, die als ein Ergebnis unseres letzten Gespräches neu gefasst wurden. Ohne gesicherte Planungsdaten und die dazu notwendigen statistischen Erhebungen kann das jedoch schwerlich gelingen. Oft liegen bereits Rohdaten vor, die jedoch systematisch aufbereitet werden müssen.

Ferner ist im Zuge der Reform der gymnasialen Oberstufe darauf zu achten, dass der Religionsunterricht als gleichwertiges Fach, das heißt auch als Prüfungsfach in Bezug auf das Abitur erhalten bleibt. Sorgen wegen einer befürchteten minderen Stellung des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes scheinen jetzt überwunden zu sein; ich hoffe, dass demnächst die neu gefassten Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung für Katholische und Evangelische Religion verabschiedet werden können und die nötige Klarheit schaffen.

Die Mitverantwortung der Kirchen bei den Bemühungen zur Leistungs- und Qualitätssicherung des deutschen Schulwesens bezieht sich zum einen ganz vorrangig auf die staatlichen Schulen. Zum andern setzen die Kirchen mit den Schulen in kirchlicher Trägerschaft eigene Akzente. Eigene wissenschaftliche Studien, die unter anderem den PISA-2000-Datensatz ausgewertet haben, zeigen, dass Schulen in kirchlicher Trägerschaft im Leistungsvergleich sehr gut dastehen. Dabei wurde die geringfügig positivere soziale Selektivität dieser Schulen natürlich herausgerechnet. Die Untersuchungen machen deutlich, dass sich das Profil kirchlicher Schulen in statistisch bedeutsamer Weise positiv auswirkt. Diese Schulen leisten einen substanziellen Beitrag zum Bildungswesen, der nach unserer Auffassung auch in den amtlichen Statistiken seinen Niederschlag finden sollte.

Auch die kirchlichen Schulen verstehen wir als Beitrag zum öffentlichen Bildungswesen und in diesem Sinn als öffentliche Schulen, die ihr Bildungsangebot an der gesellschaftlichen Gesamtverantwortung für Kinder und Jugendliche ausrichten. Der Dialog über diesen Bildungsbeitrag betrifft auch die Evaluation und Qualitätssicherung der Schulen, die in einer gleichberechtigten Partnerschaft von Staat und kirchlichen Schulträgern erfolgen sollte. Dabei ist deutlich, dass die Aufrechterhaltung der Qualität dieses Bildungsangebots und damit auch die verfassungsmäßige Balance unseres Schulwesens auch daran hängt, dass diese Schulen finanziell nicht weiter benachteiligt werden.

Lassen Sie mich mit einer Bitte schließen: Die Partnerschaft in der Bildungsverantwortung sollte auch darin zum Ausdruck kommen, dass die Kultusministerkonferenz die Kirchen wie auch andere Bildungsträger vor einer abschließenden Beschlussfassung in ihre Beratungsprozesse zu wichtigen, für sie relevanten Themen in geregelter Weise einbezieht. Die Oberstufenreform ist ein anschauliches Beispiel für diese Bitte.

Meine Damen und Herren, das Positionspapier der Kirchen mit unseren Anliegen zum Schulbereich liegt Ihnen vor. Ich danke Ihnen für die Möglichkeit, darüber ins Gespräch zu kommen.