"WISSENSCHAFT VERANTWORTEN" - Vortrag Beim Königsteiner Forum

Wolfgang Huber

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Professor Döring,
sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher Freiherr von Bethmann,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Helm,
lieber Propst Rink,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist beeindruckend, vor Ihnen zu stehen und sich klar zu machen, dass dies der 271. Vortrag in dieser Reihe ist; und sie macht immer noch einen dynamischen und neugierigen Eindruck, wie ich es in Ihren Gesichtern sehe.

Herr Professor Zürl hat mir das Programm dieser Reihe in die Hand gedrückt und ein Motto hinzugefügt, dass er offenbar mir speziell zugedacht hat, nämlich einen Satz von Werner Heisenberg, der heißt: „Der erste Schluck aus dem Becher der Wissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund wartet Gott.“

Diese Worte beschreiben den Horizont gut, vor dem meine Überlegungen am heutigen Abend stehen sollen. Sie sind davon bestimmt, das Erkenntnisstreben der Wissenschaft ernst zu nehmen und ihre Fortschritte zu würdigen, aber zugleich die Überhöhung der Wissenschaft zu einem Glauben an sich selbst in Frage zu stellen und deutlich zu machen, dass Wissenschaft sich nur dann treu bleibt, wenn sie auch ihre eigenen Grenzen kennt.

In diesem Rahmen will ich Ihnen, heute Abend einige Überlegungen zu einem Thema vortragen, das Monat für Monat neue Perspektiven eröffnet. Die Erfahrung, dass derjenige, der sich um ethische Reflexion bemüht, immer ein Lernender bleibt, gilt in keinem anderen Bereich so sehr wie im Bereich der Ethik der Wissenschaften.

I.

 „Und sie bewegt sich doch“, „E pur si muove“. Galileo Galilei wird dieser Satz zugeschrieben. Dass er ihn so nicht gesagt hat, gilt als ziemlich sicher; und doch markiert dieser Satz an der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit einen symbolträchtigen Punkt im Verhältnis zwischen den damals führenden Wissenschaften der Theologie und der Philosophie einerseits und den aufkommenden Erfahrungs- und Naturwissenschaften andererseits. Galilei wollte damals seine Kirche für das heliozentrische Weltbild gewinnen. Um des Glaubens willen mahnte er seine Kirche, der Vernunft ihr Recht zu lassen. Für Galilei war in diesem Sinn die Unterscheidung zwischen Glauben und Vernunft eine Bedingung dafür, dass beide vereinbar bleiben konnten. Auch seine Kritiker verfolgten ein vergleichbares Ziel; sie wollten Glauben und Vernunft vereinbar halten in einer Zeit, in der die Fragen der Kosmologie aufs Äußerste umstritten waren. Es muss ja immer wieder daran erinnert werden, dass ein wirklicher Beweis für die Thesen des Kopernikus, die Galilei verteidigte, erst Jahrhunderte später ausformuliert wurde. Es ist demnach zu kurz gegriffen, wenn behauptet wird, am Fall Galileo Galileis habe sich ein garstig breiter Graben zwischen Glaube und Vernunft geöffnet und es läge in diesem Konflikt eine Motivation für den epochemachenden wissenschaftlichen Fortschritt der Neuzeit begründet.

Die weitere Entwicklung zeigte freilich zugleich, wie falsch es sein kann, den christlichen Glauben mit einem bestimmten Bild des Kosmos gleichzusetzen, selbst wenn das naturwissenschaftlich so gut abgesichert ist, wie das unter den Bedingungen der jeweiligen Zeit nur möglich ist. Wenn man den biblischen Schöpfungsbericht anschaut, muss man, wenn man ihn mit Texten aus der Umwelt vergleicht, zugeben, dass er „naturwissenschaftlich“ unter den Bedingungen seiner Zeit fortschrittlich und ideologiekritisch formuliert wurde. Die Gestirne, die die Umwelt für Götter hielt, sieht dieser Bericht als Geschöpfe Gottes an. Dennoch lässt sich an diesem Beispiel sehen, dass, wer den weltbildhaften Charakter dieses Berichts mit seinen Inhalten gleichsetzen würde, die Glaubensaussage an ein vergangenes Weltbild knüpfte.

Dies bietet ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich es ist, wenn man den christlichen Glauben mit einem bestimmten Bild des Kosmos gleichsetzt, das sich mit den Fortschritten wissenschaftlicher Erkenntnisse doch notwendiger- oder doch zumindest möglicherweise wandelt und weiterentwickelt. Heute sehen wir beispielsweise, dass das heliozentrische Weltbild des Kopernikus, für das Galilei so nachdrücklich kämpfte, gar nicht mehr ungebrochen gilt. Wir erkennen unsere Galaxie als eine Randerscheinung in der expandierenden Weite des Universums. Ein solcher Wandel des Weltbildes wird heute interessanterweise auch von denen mitvollzogen die in anderer Hinsicht ein nach ihrer Auffassung wörtliches Verständnis der biblischen Schöpfungsberichte einfordern, sich aber hinsichtlich der Kosmologie nicht trauen, das wirklich zu verlangen.

So mutet es nur scheinbar ungewöhnlich an, angesichts der Frage nach dem wissenschaftlichen Fortschritt am Beginn des 21. Jahrhunderts an Auseinandersetzungen von vor über dreihundert Jahren zu erinnern. Denn, so scheint es sich durch manchen Diskussionsbeitrag unserer Tage nahe zu legen, man kann gegenwärtig geradezu den Eindruck gewinnen, das Rad des wissenschaftlichen Fortschritts solle in die Zeit der Entdeckungen der Himmelsphysik zurückgedreht werden.

Unter dem Namen des ‚Kreationismus' und des ‚Intelligent Design' werden Debatten angestoßen, die längst überwunden schienen. Dabei wird mit biblischen Texten in einer Weise umgegangen, als habe es die Entwicklung der Theologie, insbesondere in ihrer durch die Reformation angestoßenen wissenschaftlichen Gestalt, nie gegeben. Dies geschieht unter anderem auf die Weise, dass die biblischen Schöpfungsberichte zu einer quasi wissenschaftlichen Welterklärungstheorie gemacht werden. Dieser Glaube selbst soll nämlich das zutreffende Wissen über die Entstehung und Entwicklung der Welt bereithalten und vermitteln, die Welt müsse von Anfang so intelligent konzipiert sein, dass es zur Entstehung des Lebens und zur Entwicklung des Menschen als der Krone der Schöpfung kam. Damit wird nun Gott freilich den Ursachen in Raum und Zeit gleichgesetzt. Die Frage, was der Existenz dieses intelligenten Urhebers vorausging, lauert um die Ecke. Mit der Verwechslung des Glaubens an den Schöpfer mit einer Form der Welterklärung hat freilich die Christenheit immer wieder Schiffbruch erlitten. Auch heute liegt Vergleichbares nicht fern.

Wenn ein zur Weltanschauung missdeuteter Glaube an die Stelle der wissenschaftlichen Vernunft tritt, wird das Bündnis von Glaube und Vernunft nicht etwa gefestigt, sondern eher in Gefahr gebracht. Es kann nicht verwundern – und in diesen Wochen sind wir Zeugen des Vorgangs, den ich beschreiben will – wenn einer weltanschaulichen Verwendung des christlichen Schöpfungsglaubens spiegelbildlich ein Missbrauch entspricht, der meint, wissenschaftlichen Fortschritt durch eine Leugnung Gottes und durch die Verpflichtung auf einen kämpferischen Atheismus geltend machen zu können. Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der sich mit seinem Buch, „Der Gotteswahn“ an die Spitze dieser Bewegung gesetzt hat, sei dafür beispielhaft genannt. Dawkins restauriert ein Weltbild, nach welchem Glaube und Religion einem vorwissenschaftlichen Zeitalter angehören; sie kämen, so heißt die Folgerung, mit dem Siegeszug des wissenschaftlichen Bewusstseins zum Verschwinden. Dazu allerdings muss man dem wissenschaftlichen Bewusstsein eine quasi-religiöse Bedeutung zuerkennen. Die wichtigste Frage überhaupt, sagt Dawkins, ist die Frage, ob es Gott gibt. Gott aber, so ist er überzeugt, gibt es nur, wenn man ihn im Deutungshorizont der Wissenschaften als den Anfang aller Erfahrung zwingend nachweisen kann. Und damit wird, wenn ich es vereinfacht ausdrücken soll, Darwin dafür verantwortlich gemacht, ob es Gott gibt oder nicht. Der Streit geht dann um die Frage, ob Darwin und die Evolutionsbiologie beweisen, dass es Gott gibt, oder eben beweisen, dass es ihn nicht gibt. Der grundlegende Fehler in dieser Debatte liegt darin, dass in ihr der Schöpfungsgedanke nicht als Thema des Glaubens, sondern der wissenschaftlichen Vernunft angesehen wird.

Solchen Vorstellungen liegt eine Denkweise zugrunde, die der Philosoph Immanuel Kant gerade überwinden wollte, als er erklärte, er habe „das Wissen aufheben“ müssen, „um zum Glauben Platz zu bekommen“. Er meinte damit, dass er den Gottesbegriff aus der Umklammerung durch das an die Kategorien von Raum und Zeit gebundene Erfahrungswissen befreien musste, damit der Begriff Gottes als der alles umfassenden Wirklichkeit überhaupt wieder zur Geltung kommen konnte. Hinter dieser Befreiung Gottes aus der Vorherrschaft des Erfahrungswissens fällt wieder zurück, wer die Notwendigkeit des Gottesbegriffs auf dieser Ebene des Erfahrungswissens festzuhalten oder zu beweisen versucht.

Der Glaube, so will ich mit dieser Überlegung deutlich machen, bleibt auf die Vernunft angewiesen, aber Glaube und Vernunft sind bewusst voneinander zu unterscheiden. Sie treten jedoch damit nicht beziehungslos nebeneinander, sie werden nicht voneinander getrennt, sondern sie interpretieren sich wechselseitig. Eine große theologische Tradition, die auf Anselm von Canterbury zurückgeht, hat deshalb den Glauben als diejenige Bewegung beschrieben, die auf der Suche nach Erkenntnis ist. Die Erkenntnis sei eine Bewegung des menschlichen Verstandes, die auf der Suche nach Glauben ist, auf der Suche nach der Tiefe des Bechers, um das Zitat von Werner Heisenberg noch einmal aufzugreifen.

Wer Gott allein mit den Mitteln der Naturwissenschaft zu erfassen sucht, bringt sich, so betrachtet, um die Möglichkeit einer Begegnung mit dem befreienden Wort Gottes. Zugleich überschätzt er die Naturwissenschaft, indem er der Meinung ist, sie allein könne Antwort geben auf alle Grundfragen der menschlichen Existenz, auch auf die Frage, warum es die Welt, in der ich lebe, gibt, und warum es mich in dieser Welt überhaupt gibt.

II.

Es ist dieser große Horizont, der gerade in den Diskussionen des Jahres 2007 wieder stärker ins Bewusstsein getreten ist. Die große Auseinandersetzung um die Fragen der Wissenschaft reduziert sich eben, so betrachtet, nicht auf Fragen der Ethik, der Anwendung Von Forschungsergebnissen, des Handelns. Sondern sie hat es auch mit einem Wettstreit, einem Konflikt auch um die großen Fragen der Weltdeutung zu tun, in die die Wissenschaft immer wieder hineingezogen wird. Denn zu den Charakteristika des wissenschaftlichen Fortschritts in der Neuzeit gehört es gerade, dass die Wissenschaft mit immer weiterreichenden Deutungsansprüchen verbunden wurde und dass sie sich immer schwerer damit tat, die Einsicht in ihre eigenen Grenzen zu akzeptieren und zur Geltung zu bringen. Aber zugleich gewinnen auch ethische Fragen dramatisch an Bedeutung. Fragen meine ich damit vor allem, die es mit dem Umgang mit menschlichem Leben, mit dem Leben überhaupt zu tun haben. Die Frage bricht auf, ob wir angesichts der wissenschaftlichen Möglichkeiten, in menschliches Leben einzugreifen, mit einer Veränderung unseres Bildes vom Menschen konfrontiert werden.

Dafür skizziere ich zwei aktuelle Beispiele.

Das eine: Im vergangenen Jahr hat sich die Europäische Union dazu entschlossen, die verbrauchende Forschung mit menschlichen Embryonen finanziell zu unterstützen. Seitdem beteiligen sich auch diejenigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die für sich selbst weit restriktivere Regeln festgesetzt haben, darunter auch Deutschland, auf dem Weg über das 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union an der Finanzierung von Forschungsprojekten, die in ihren eigenen Ländern verboten sind. Das ist ein Teil des Dilemmas, das wir gegenwärtig im Blick auf die Forschung mit embryonalen Stammzellen diskutieren.

Die Debatte hat es damit zu tun, ob eigentlich die Regelungen, die wir selber in Deutschland im Jahre 2002 gefunden haben, auch angesichts der Weiterentwicklung der Wissenschaft noch Bestand haben können. Der Kompromiss des Stammzellgesetzes vom 28. Juni 2002, das nach einer denkwürdigen Bundestagsdebatte Ende Januar jenes Jahres zustande gekommen war, lässt die Forschung mit embryonalen Stammzellen nur dann zu, wenn erstens die hochrangige Bedeutung dieser Forschung anerkannt ist und wenn zweitens Stammzelllinien verwendet werden, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Damit soll sichergestellt sein, dass nicht menschliche Embryonen hergestellt und getötet werden, um Forschungsprojekten zu dienen, die in Deutschland unternommen werden.

Nun sind seit dem November 2006 vermehrt Stimmen laut geworden, die sagen, diese bisher in Deutschland geltende Stichtagsregelung solle aufgehoben werden. Der Grund liegt darin, dass nach dem Jahre 2002 neue Stammzelllinien entwickelt wurden, die nicht mehr auf einer tierischen Basis beruhen, also nicht wie die Forscher sagen, durch Mäusezellen kontaminiert sind, sondern menschliches embryonales Stammzellgut rein repräsentieren und deswegen auch zu Zwecken der Grundlagenforschung wesentlich besser geeignet sind. Auf diese Situation reagieren die einen so, dass sie fordern, zu Gunsten solcher Forschung die Stichtagsregelung vollständig aufzuheben, um auch in die Zukunft hinein am wissenschaftlichen Fortschritt weiter partizipieren zu können. Die anderen, zu denen ich mich auch selber zähle, sagen, räumen als äußerste Möglichkeit ein, für den Fall, dass dies um der Grundlagenforschung willen unumgänglich notwendig ist, mit einer einmaligen Verschiebung des Stichtags auf einen, von heute aus betrachtet erneut zurückliegenden, Stichtag den Erfordernissen hochrangiger, in ihrem Ziel auf die Verbesserung von Heilungschancen gerichteter Forschung zu entsprechen, aber damit zugleich sicher zu stellen, dass auch in Zukunft nicht menschliche Embryonen zu Forschungszwecken hergestellt und verbraucht werden, weil das mit unserem Respekt vor der Würde des Menschen und vor allen Stufen menschlichen Lebens nicht vereinbar ist.

Diese Kontroverse führt in sehr grundlegende Fragen des Menschenbildes hinein. Hat der menschliche Embryo von Anfang an Anteil an der menschlichen Würde oder können wir, wie etwa in Großbritannien gesagt wird, in der Entwicklung des menschlichen Embryos Stufen festlegen, von denen an erst eine solche Teilhabe an der menschlichen Würde anerkannt wird? Ich bin persönlich davon überzeugt, dass der menschliche Embryo von Anfang an – also mit der Verschmelzung von Eizelle und Samenzelle – an der Würde des menschlichen Lebens Anteil hat. Denn so sehr der menschliche Embryo natürlich bis zur Geburt eine Entwicklung durchläuft, so wenig kann man in dieser Entwicklung eine bestimmte Stufe eindeutig bestimmen, die einen solchen Qualitätssprung innerhalb dieser Entwicklung bedeuten würde, dass erst von diesem Zeitpunkt an dem menschlichen Embryo die Zugehörigkeit zum Menschsein zuerkannt werden könnte. Deswegen haben wir auch in den Kirchen gemeinsam gesagt, der Schutz des menschlichen Embryos müsse so weit reichen wie unsere Einwirkung auf diesen Embryo überhaupt. Deshalb muss er im Fall der In-Vitro-Fertilisation, der künstlichen Herstellung eines menschlichen Embryos, von Anfang an besonderen Schutzpflichten unterliegen.

Die Entwicklung, die ich beschrieben habe, hat es mit der sehr schwierigen Frage zu tun, wie wir diese hohe Achtung vor der Würde menschlichen Lebens von Anfang an in Verbindung bringen können mit legitimen, auch hochrangigen Gütern, die es mit der Forschungsfreiheit und mit der Förderung hochrangiger auf Heilungsmöglichkeiten gerichteter Forschung zu tun haben. Eine besonders schwierige Seite dieses Problemkomplexes deute ich wenigstens an.

Viele treten in Deutschland dafür ein, wir sollten den Vorrang ganz und gar auf die Forschung mit adulten Stammzellen legen, also mit Stammzellen, die aus bereits geborenem menschlichem Leben gewonnen sind und deren Gewinnung keine Zerstörung menschlichen Lebens zur Folge hat; auch Stammzellen aus dem Blut der Nabelschnur spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Die Hoffnung richtet sich darauf, dass sich aus dieser Forschung eines Tages vielleicht Heilungsmöglichkeiten für Krankheiten ergeben, die wir bisher nicht heilen können. Viele Forscher bekräftigen diesen Weg, fügen aber hinzu: Damit wir das Funktionieren von adulten Stammzellen verstehen und die Möglichkeiten der Reprogrammierung wirklich einsetzen können, muss man zunächst einmal das Funktionieren dieses ganzen Prozesses unter Einbezug embryonaler Stammzellen erforschtz haben. Nehme ich an, dass das stimmt – und wer wäre ich als Theologe, dass ich behaupten könnte, das stimme nicht – , dann kann ich offenbar gar nicht so einfach vorschlagen, der Forschung mit adulten Stammzellen den Vorrang zu geben und die embryonalen Stammzellen gänzlich auf sich beruhen zu lassen. Denn offenbar braucht es einen Schritt der Forschung mit embryonalen Stammzellen, damit die Forschung mit adulten Stammzellen überhaupt an ihr Ziel kommen kann. Wer der Forschung mit adulten Stammzellen den Vorrang gibt, weil diese nicht auf Kosten menschlichen Lebens geht, kann diese Forschung nicht in der Weise, wie dies häufig geschieht, gegen die Forschung mit embryonalen Stammzellen ausspielen.

Ich will mit dieser Problemskizze nur noch einmal unterstreichen, warum es auch auf der Basis einer sehr prinzipiellen ethischen Aussage zum Schutz des menschlichen Lebens von Anfang an zur Suche nach einem Kompromiss kommen kann, ja kommen muss, der sich darum bemüht, die beteiligten hochrangigen ethischen Güter miteinander in einen Ausgleich zu bringen. In solche sehr grundlegenden ethischen Fragen führt es hinein, wenn man sich diesem Beispiel genauer zuwendet.

Doch nun vergleichen wir dies mit dem anderen Beispiel, das in noch stärkeren Maß in den letzten Tagen und Wochen unsere Zeitungen bestimmt hat.

III.

Die Schweizer Organisation Dignitas provoziert damit Aufmerksamkeit, dass sie angekündigt hat, einem schwerkranken Menschen bei seinem Suizid in Deutschland zu assistieren. Ihr Ziel ist es, dadurch einen Prozess auszulösen, der die Frage des assistierten Suizids und seiner rechtlichen Zulässigkeit durch alle Instanzen in Deutschland hindurchfechten und einer Änderung der Rechtslage in Deutschland vorarbeiten soll.

Der Nationale Ethikrat hat zu diesem Fragenkreis im vergangenen Jahr eine Stellungnahme unter dem Titel: „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“ veröffentlicht. Er hat sich den umstrittenen Fragen im Umkreis des menschlichen Sterbens zugewandt, die dadurch entstehen, dass Menschen dank der Fortschritte der Medizin nicht nur länger leben, sondern unter Umständen auch länger leiden. Der Nationale Ethikrat hat dabei einen wichtigen Beitrag zur ethischen Klärung geleistet, indem er die gebräuchliche Begrifflichkeit, die zwischen „aktiver“, „passiver“ und „indirekter“ Sterbehilfe unterscheidet, grundsätzlich in Frage gestellt hat. Denn weder lassen sich die so bezeichneten Handlungsweisen immer klar voneinander unterscheiden noch wird ihre ethische Problematik durch die gewählten Begriffe deutlich gemacht. Der Nationale Ethikrat unterscheidet stattdessen zwischen Sterbegleitung, Therapie am Lebensende, Sterbenlassen, Beihilfe zur Selbsttötung und Tötung auf Verlangen. Doch in den damit genauer bezeichneten, besonders problematischen Fällen der Beihilfe zur Selbsttötung und der Tötung auf Verlangen kommt der Nationale Ethikrat nicht mehr zu einer gemeinsamen ethischen Position.

Jeder muss sich klarmachen, dass hier Grundfragen des ärztlichen Ethos auf dem Spiel stehen. Der ärztliche Beruf gehört zu den großen und wichtigen Vertrauensberufen in unserer Gesellschaft. Sein Ethos beruht auf der Vorstellung, dass der Grundsatz, niemandem zu schaden, das oberste Gebot ist, und dass dieses Gebot sich nach der hippokratischen Tradition darin äußert, dass die gewaltsame Beendigung eines menschlichen Lebens oder die Beihilfe dazu außerhalb der Möglichkeiten des ärztlichen Ethos steht. Es reicht auch nicht, an dieser in Stelle hinzuzufügen, in Deutschland müssten wir wegen der dunklen Seiten unserer Geschichte politische Rücksichten nehmen. Denn es geht an dieser Stelle nicht nur um eine politische, sondern es geht ebenso um eine moralische Rücksicht, nämlich die Rücksicht auf die Integrität des menschlichen Lebens. Es ist eine außerordentlich gewichtige Situation, in der wir uns befinden. Es hängt nach meiner Überzeugung sehr viel an der Frage, ob es gelingt, Palliativmedizin, Hospizarbeit, einen guten und besonnenen Umgang mit Patientenverfügungen und vorsorgenden Vollmachten so weiterzuentwickeln, dass Menschen, die sich vor einer von ihnen als sinnlos empfundenen Verlängerung des Leidens fürchten, ein Zutrauen dazu entwickeln können, dass auch das Sterben als ein Teil des Lebens verstanden wird, und deswegen die letzte Lebensstrecke eines Menschen so gestaltet wird, dass Menschen die Möglichkeit haben, sie in Würde und nicht mit unsäglichem Leiden zu gehen.

Alternativen zur Tötung auf Verlangen oder zur Beihilfe zum Suizid so zu entwickeln, dass Menschen diese Furcht genommen wird, und so zu vermeiden, dass eine der großen Segnungen unserer Zeit, nämlich der Fortschritt der Medizin, in eine Belastung der letzten Lebensphase umschlägt – das ist die große Aufgabe, vor der wir stehen. Es besteht kein Zweifel, dass in kaum einem anderen Bereich in den Lebenswissenschaften insgesamt und in ihrem Rahmen in der Medizin gegenwärtig die Fortschritte der Wissenschaft von Jahr zu Jahr mehr Staunen und auch mehr Fragen wecken müssen. Denn so sehr wir die Fortschritte in der Lebenserhaltung und Lebensverlängerung würdigen, so sind wir doch im Blick auf die Anwendung dieser Fortschritte mit guten Gründen sehr unsicher. Wir brauchen eine Verständigung und auch eine Gewissheit darüber, wie diese Fortschritte im Einzelfall so angewandt werden, dass sie wirklich dem menschlichen Leben dienen, es fördern und der Lebensqualität zugute kommen – aber so, dass die menschliche Würde auch noch in der letzten Stunde des menschlichen Lebens geachtet wird.

IV.

Nach diesen beiden Beispielen will ich fragen, in welchen Horizont wir solche Fragen im Umgang mit dem wissenschaftlichen Fortschritt am Beginn des 21. Jahrhunderts rücken. In solchen Zusammenhängen wird immer wieder von der Verantwortung der Wissenschaft geredet. Prägend ist dafür bis zum heutigen Tag der philosophische Vorstoß, den Hans Jonas im Jahre 1978 mit seinem „Prinzip Verantwortung“ unternommen hat. Jonas hat damals die Verantwortung, die er als leitendes Prinzip nicht nur der Wissenschaft selbst, sondern alles Handeln im wissenschaftlich-technischen Zeitalter betrachtet, konsequent als Folgeverantwortung konzipiert: „Handle so, dass die Folgen deines Handelns vereinbar sind, mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden“, so hieß sein kategorischer Imperativ, sein moralisches Credo.

Angesichts der Dynamik wissenschaftlich-technischer Fortschritte hat dieser Imperativ eine hohe Plausibilität. Doch davor, ihn absolut zusetzen, muss man gleichwohl warnen. Denn in ihm spielt der Begriff der zukünftigen Folgen eines Handelns eine große Rolle. Künftige Folgen jetzigen Handelns kann man aber immer nur mit einer großen Unsicherheit voraussagen. Deshalb wandelt sich dieses Kriterium, wenn es absolut gesetzt wird, sehr schnell so, dass die wissenschaftsethische Diskussion die Gestalt eines Streits über die Folgenabschätzung annimmt. Und immer wieder tritt dann eine Situation ein, die sich, um ein anderes Beispiel wie die Klimadiskussion nur zu erwähnen, so abgebildet findet, dass die einen hinsichtlich der Folgen vor einem Alarmismus warnen und die anderen meinen, es werde Verharmlosung betrieben. Wir können an der Klimadiskussion wie an der Diskussion über die grüne Gentechnologie oder über viele andere Themen sehen, dass angesichts einer Unschärfe, die im Blick auf Zukunftsprognosen bleibt, die einen dem Gedanken der Annahme des schlimmsten Falls folgen, während die andern sagen, es werde der Wissenschaft auf dem Weg dahin schon noch irgendetwas Neues einfallen, um die Folgen abzuschwächen. Vor allem könne man doch sowieso nicht vorhersagen, ob alles so schlimm kommt, wie man heute denkt. Auf diese Weise stehen wir wieder vor einer Debatte über Alarmismus oder Verharmlosung als Zentraldebatte über die Ethik der Wissenschaft. Aus diesem Grund lassen sich wissenschaftliche Entscheidungen nicht nur unter dem Gesichtspunkt ihrer künftigen Folgen betrachten. Es muss vielmehr zugleich gefragt werden, ob sie in sich selbst gerechtfertigt werden können. Deswegen brauchen wir eine Wissenschaftsethik, die auch andere Elemente in sich enthält als nur die Folgenabschätzung, so wichtig das Element der Folgenabschätzung auch ist.

Seit es Wissenschaft gibt, gibt es auch eine Wissenschaftsethik. Die Wissenschaftstheorie schließt schon immer auch ethische Implikationen ein. In besonderem Maß gilt das für diejenige Wissenschaftstheorie, die an der Wahrheitserkenntnis um ihrer selbst willen ausgerichtet ist. In diese Tradition hat sich noch ganz bewusst der große Soziologe Max Weber hineingestellt, als er im Kriegsjahr 1917 in einem außerordentlich berühmt gewordenen Vortrag unter dem Titel „Wissenschaft als Beruf“ elementare Grundlinien einer Wissenschaftsethik dargestellt hat. „Schlichte intellektuelle Rechtschaffenheit“ war die einzige Tugend, die er im Hörsaal gelten lassen wollte. Eine möglichst weitgehende Zurückhaltung in allen Werturteilen und der Verzicht auf alle politische Parteinahme waren die für ihn unausweichlichen Konsequenzen. Wissenschaftliche Objektivität schloss und schließt insofern zugleich ein hohes Ethos der Selbstdisziplin, ja der Selbstzurücknahme ein. Ein Wissenschaftler darf sich im Horizont seiner Wissenschaft nicht einbilden, er könne über alles und jedes reden. Wenn ich den Grund angeben sollte, warum mich das Buch „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins innerlich so erregt hat, dann ist es die Verletzung der wissenschaftlichen Selbstdisziplin, die mir in ihm entgegengetreten ist.

Da findet sich beispielsweise ein ganzer Abschnitt, in dem sich der Autor ausdrücklich mit Kritikern auseinandersetzt, die ihm vorwerfen, er rede mit der allergrößten Unbefangenheit über Fragen, von denen er nichts verstehe, wie zum Beispiel über die Überlieferungsgeschichte biblischer Texte und ihre Deutung. Hierzu schreibt Dawkins nun ausdrücklich, dass man von ihm auch nicht verlangen könne, dass er etwas davon verstehe; zudem sei auch nicht einzusehen, warum er sich nur dann dazu äußern dürfe, wenn er wissenschaftlich davon etwas verstehen würde. Darin aber sehe ich eine Verletzung jener Selbstdisziplin und Selbstzurücknahme, die ein unermesslich wichtiges Kriterium für gute Wissenschaft und in sich selbst ein hohes wissenschaftsethisches Gut ist.

Das Ethos forschender Objektivität um der Wahrheit willen ist nun aber zugleich an die Bedingungen menschlicher Freiheit gebunden. Das Ideal der Objektivität lässt sich nur aufrechterhalten, wenn der Prozess des Forschens von fremder Bestimmungsmacht freigehalten werden kann. Doch die Zusammengehörigkeit von Forschung und Freiheit wurde in der Neuzeit darüber hinaus auch darin gesehen, dass die Fortschritte der Forschung der Entfaltung menschlicher Freiheit zugute kommen. Die Freiheit des Menschen wurde in der Neuzeit als Unabhängigkeit von den Zwängen der Natur definiert. Der entscheidende Maßstab für den Fortschritt der Erkenntnis wurde darin gesehen, ob er die Menschen von den Mühseligkeiten der menschlichen Existenz befreie, wie Bertolt Brecht das in seinem „Leben des Galileo Galilei“ nannte. Von dieser Verknüpfung der Forschung mit der Freiheit, die in der Neuzeit so empathisch behauptet wurde, ist vor allem das Postulat der Forschungsfreiheit übrig geblieben. Die innere und äußere Freiheit in der Definition seines Untersuchungsgegenstandes und in der Wahl des Forschungsweges wie auch im Recht zur Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse ist heute als forschungsethisches Prinzip weithin anerkannt, ja, es hat bei uns verfassungsrechtlichen Rang als Grundrecht gewonnen.

Gleichwohl muss man zugeben, dass sich mit diesen beiden Grundsätzen der Wissenschaftsethik – der Objektivität um der Wahrheit willen und der Forschungsfreiheit – diejenigen Probleme, mit denen wir uns heute auseinander setzen müssen, noch nicht zureichend in den Blick nehmen lassen. Dies hat im Grunde eine sehr einfache Ursache. Solche Grundsätze gelten insbesondere für prozesshaft verfahrende Wissenschaften, die einen bestimmten Gegenstand erforschen, ohne zu wissen, was dabei herauskommt. Heute haben wir es aber in einem hohen Maß mit resultathaft verfahrenden Wissenschaften zu tun, die eine bestimmte Zielsetzung verfolgen und Wege zu diesem Ziel erkunden. Zu einem vorweg definierten Resultat soll durch Entdeckung und Experiment der günstigste Weg gefunden werden. Damit ist Wissenschaft aber nicht mehr generell dem Ziel der Wahrheitserkenntnis zugeordnet, sondern an bestimmten Zwecken orientiert. Dabei kommt der ökonomischen Verwertbarkeit der wissenschaftlich entwickelten Mittel zu diesen Zwecken ein hoher Rang zu. Die Wissenschaft wird auf diese Weise voll hineingezogen in die Konkurrenzbedingungen, die in der Zeit der Globalisierung herrschen; Wissenschaft operiert weltweit, sie steht auch in wissenschaftsethischer Hinsicht vor der Frage, was denn passiert, wenn in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Regelungen gelten. In dieser Situation entsteht nun angesichts der größeren Reichweite wissenschaftlichen Handelns unter den Bedingungen weltweiter Konkurrenz eine ganz neue Debatte über die Ethik der Wissenschaften. Ich bin davon überzeugt, dass in diese Debatte christliche Theologie und christliche Ethik wichtige Einsichten einbringen können.

V.

Das will ich am Schluss ganz kurz skizzieren: Natürlich gilt auch für die christliche Theologie, dass die Wahrheit ein hohes Gut ist; insofern kann sie dem Streben nach der Wahrheit in der Wissenschaft nur zustimmen. Aber christliches Denken ist in dieser Hinsicht von der Einsicht bestimmt, dass die Wahrheit des Ganzen stets größer bleibt als die vom Menschen je erkannte Wahrheit. Kein wissenschaftlicher Fortschritt kann diese Differenz zwischen der jeweils erkannten Wahrheit und der Wahrheit in ihrer Fülle überbrücken.

Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade angesichts der dramatischen Entwicklung der Wissenschaften diese Unterscheidung von einer eminent humanen Bedeutung ist. Die Wahrheit, die wir erkennen, ist zu unterscheiden von der Wahrheit in ihrer Fülle. Mit einem etwas komplizierten Ausdruck habe ich das die „epistemische Demut“ oder die Demut im Blick auf unser eigenes Wissen genannt.

Der zweite Gesichtspunkt lautet: Eine christliche Orientierung kann uns dabei helfen, Freiheit nicht nur als Durchsetzung der eigenen Interessen zu verstehen, sondern als eine Freiheit in Beziehung, in Verantwortung, eine Freiheit, die dem andern zugute kommen soll und nicht nur mir selbst. Was bedeutet das für die Wissenschaft? Es bedeutet für die Wissenschaft, dass die Freiheit nicht als Argument dafür herhalten kann, alles und jedes mit allen Mitteln und jeder Verfahrensweise erforschen zu wollen. Es verstößt nicht gegen die Freiheit, wenn man zwischen dem unterscheidet, was man tun kann, und dem, was man tun darf. Es ist keine Einschränkung der Freiheit, wenn wir uns darum bemühen, den Gebrauch unserer Freiheit zu verantworten. Es ist übrigens insgesamt richtig, dass auch der Umgang mit der Wissenschaft an den Respekt vor der Würde der menschlichen Person gebunden werden muss. Auch für die Wissenschaft ist es entscheidend, dass wir den Menschen nicht als eine Sache, sondern als eine Person, nicht als ein „Etwas“, sondern als „Jemand“ ansehen.

Diese Differenz geltend zu machen, führt dann im Blick auf die Beispiele, von denen wir ausgegangen sind, zu der Konsequenz, dass wir achtsam mit menschlichem Leben vom Anfang bis zum Ende umgehen, dass wir auch an den Grenzen menschlichen Lebens einen Menschen nie als Sache, sondern stets als Person ansehen, ihn nie nur ansehen unter dem Gesichtspunkt seiner möglichen Nützlichkeit, sondern ihnunter dem Gesichtspunkt ansehen, dass jedes Leben sein Geheimnis hat.

Und schließlich das Letzte. Zum christlichen Glauben und zum christlichen Menschenbild gehört eine Einsicht in die Bedingungen der conditio humana, der Bedingung des menschlichen Lebens, die man so beschreiben kann: Der christliche Glaube hat eine tiefe Einsicht in die Verführbarkeit des Menschen. Auch die Geschichte der Wissenschaft zeigt, das noch so ausgeklügelte wissenschaftliche Erkenntnisse den Menschen nicht gegen diese Verführbarkeit gefeit machen.

Die deutschen Universitäten und Forschungsinstitute waren in den zwölf Jahren des nationalsozialistischen Regimes nicht der Hort des Widerstands gegen die Verführung, nein, man muss zugeben, Wissenschaftler standen in ihrer ethischen Haltung angesichts dieser Barbarei nicht höher als die Bevölkerung insgesamt. Forschungsprojekte hat es gegeben, übrigens auch in der Theologie, die dieser Verführbarkeit Ausdruck gegeben haben. Daraus lässt sich lernen, dass wir auch im Bereich der Wissenschaft auf Grenzziehungen angewiesen sind, die dieser Verführbarkeit des Menschen Rechnung tragen. Ja, es muss deswegen eine Ethik der Wissenschaft geben, die sich auch in rechtlichen Regelungen Ausdruck verschafft. Dazu gehört aber zugleich, dass die Wissenschaft selber Orte der Reflexion braucht, an denen sie sich selber Rechenschaft darüber ablegt, ob sie verantworten kann, was sie tut.

VI.

In diesen Hinsichten – der Demut hinsichtlich unserer Wahrheitserkenntnis, des Verständnisses von Freiheit im Sinn eines Lebens in Beziehungen, der Dienstfunktion der Wissenschaft gegenüber der Würde der menschlichen Person und der Einsicht der Verführbarkeit des Menschen – kann eine theologische Reflektion im Geist des christlichen Glaubens und seines Menschenbildes uns auch helfen, eine Grundorientierung zu finden im Blick auf die wissenschaftsethischen Herausforderungen am Beginn des 21. Jahrhunderts.

Das bedeutet nicht immer, dass Christen oder Theologen die Einzelfragen besser als andere zu beantworten in der Lage wären. Aber es trägt dazu bei, dass wir auch für die gesellschaftliche Diskussion eine Atmosphäre schaffen können, in der die großen Fragen der wissenschaftlichen Entwicklung mit dem Maß an Nachdenklichkeit behandelt und beantwortet werden, die angesichts der Dramatik des wissenschaftlichen Fortschritts notwendig und wünschenswert sind.

Dazu wollte ich mit dieser Überlegung beitragen.