"Selig sind, die Frieden stiften" (Matth. 5,9) - Der Beitrag der Christen zu Frieden und Gerechtigkeit

Manfred Kock

Antoniterkirche Köln

Vortrag auf Einladung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit
[Der Vortrag wurde in abgewandter Form am 11.9.2003 in der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Jerusalem gehalten]

Sehr verehrte Damen und Herren,

Über den Beitrag der drei sogenannten "abrahamitischen" Religionen zu Frieden und Gerechtigkeit soll in dieser Vortragsreihe nachgedacht werden.

Wer sehnte sich nicht nach Frieden und Gerechtigkeit? Von unserem Land sind Kriege ausgegangen mit unendlich großem Leid. Die Ereignisse der letzten Jahre, die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die Serie der folgenden Attentate in vielen Teilen der Welt, die Kriege in Afghanistan und Irak - und nicht zuletzt die immer weiter ansteigende Spirale der Gewalt im Nahen Osten lassen unsere Sehnsucht so übergroß werden. Unsere komplexe Welt ist verletzbar durch Verbrechen, deren Motive sich aus Hass speisen. Von den Religionen haben viele Menschen den Eindruck, dass sie in diesem Prozess nicht nur hilflos sind; Religionen scheinen mit zur Gewalt beizutragen.

Der Journalist Gustav Seibt hat in einer Besprechung des Buches von Bernard Wasserstein "Jerusalem" folgende Summe gezogen: Nachdem man die Geschichte Jerusalems zur Kenntnis genommen hat, mag man "einen Namen nicht mehr hören: den Namen Gottes. Wassersteins Buch ist zum Ungläubigwerden, und recht aus Herzensgrund möchte man einem chinesischen UN-Delegierten zustimmen, der 1947 anregte, man möge die heiligen Stätten Jerusalems, einem philosophischen Atheisten mit Menschenfreundlichkeit unterstellen" (so Gustav Seibt).

Vor diesem Hintergrund spreche ich heute Abend zu Frieden und Gerechtigkeit. Ich will dabei den Schwerpunkt auf den christlichen Beitrag zu diesem Thema legen, da die anderen Referenten sich zu den anderen Religionen äußern werden.

I.

Die christliche Religion hat nicht immer in der Geschichte zum Frieden beigetragen, sondern oft auch Gewalt befördert. Die Kreuzzüge des Mittelalters, die Unmenschlichkeiten der Heiligen Inquisition, die Glaubenskriege in der beginnenden Neuzeit, die Segnung von Waffen durch Geistliche auf allen Seiten - das sind Kapitel der Kirchengeschichte, für die wir uns schämen müssen, weil wir " ... nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben" (1)

Und heute, wohin man schaut in der Welt, sind die aktuellen Konflikte mit religiösen Motiven verwoben: im Nahen Osten, auf dem Balkan, auf dem indischen Subkontinent, auf den Philippinen, in Nigeria, in Nordirland und an anderen Orten. Bei manchen verfestigt sich der Eindruck, die Welt würde friedlicher werden, wenn es nur gelänge, den Faktor Religion auszuschalten.

Das ist allzu simpel gedacht. Denn auch sogenannte religionslose, vorgeblich auf Vernunft gegründete Systeme können maßlos und fanatisch sein. Gerade wo der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist, da spielt er eine Rolle, die ihn überfordert. Seine Unvollkommenheit lässt Humanität immer wieder in Inhumanität umschlagen. Während die biblische Überlieferung den ewigen Gott voll Erbarmen und Langmut darstellt, der die Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen lässt, handelt der Mensch unter Zeit und Erfolgsdruck, auch wenn er die gute Absicht hat, die Ungerechtigkeit der Erde zu beseitigen. Gerade dann, wenn er rigoros nach Gerechtigkeit strebt, will er oft genug die totale Herrschaft, die zu sichern ihn wieder zu Gewalt und Terror nötigt. Der Jakobinische Terror in Folge der Französischen Revolution und der Stalinismus sind dafür beredte Beispiele.

Andererseits lässt sich - leider Gottes! - nicht leugnen, dass es religiöse Traditionen und Überzeugungen gibt, die aus sich heraus der Anwendung von Gewalt Vorschub leisten oder sich jedenfalls zur Legitimation oder Bemäntelung von Herrschaftsansprüchen und Unterdrückungsmaßnahmen instrumentalisieren lassen - wie auch zu deren Bestreitung und Überwindung.

Das Wochenmagazin DER SPIEGEL hat im Oktober 2001 ( Nr. 41) im Anschluss an die Terroranschläge vom 11. September die bekannte dunkle Geschichte religiösen Wahns auch in ihrer jüdisch-christlichen Spielart ausgebreitet.

Der Untertitel "Die Rückkehr des Mittelalters" bezeichnet die Tendenz des Artikels, nämlich darzustellen, es sei die Religion als solche, die Gewalt erzeuge. Die Erzählung von Samson, dem jüdischen Führer aus dem 12. vorchristlichen Jahrhundert, wird genutzt, diesen als ersten Selbstmordattentäter zu kennzeichnen. Samson soll die tragende Säule im Palast der Philister, an der er angekettet war, zum Einsturz gebracht und dreitausend Menschen unter dem einstürzenden Dach mit sich in den Tod gerissen haben.

Die Spiegel-Autoren beschreiben eine Serie von Gewaltakten und Gewalterfahrungen, die das Judentum als eine Religion kennzeichnen, die kaum andres zustande gebracht zu haben scheint als Mord und Totschlag im Namen Jahwes. Von der Geschichte der Landnahme angefangen über die Widerstandskämpfer von Massada gegen die Römer bis hin zum Mord an Jizchak Rabin wird die jüdische Geschichte unter dem Aspekt religiös begründeter Gewalt beschrieben. Kein Wunder, dass auch die hoffnungslose Dramatik des gegenwärtigen Nah-Ost-Konfliktes von vielen mit dem religiösen Fanatismus der religiösen Führer erklärt wird.

Auch die Geschichte des Christentums wird vom SPIEGEL als eine Tragödie „Mit Feuer und Schwert“ gedeutet. Die Gewaltgeschichte des Mittelalters wird so zusammengefasst: Solange die Christen noch ohne Macht waren, haben sie religiöse Gewalt der Verfolger gesucht - in brennender Sehnsucht nach dem Martyrium. Nachdem sie zur Macht gekommen waren, sind sie ihrerseits über Ungläubige und Andersdenkende hergefallen.

Kreuzzüge sind unter der religiösen Losung „Deus lo vult – Gott will es“ mörderische Unternehmen gewesen. Auch die Blutspur der Inquisition und der Hexenverfolgung wird eindrücklich beschrieben als religiöser Exzess.

So wie die Autoren des SPIEGEL in der erwähnten Ausgabe deuten auch viele andere die Geschichte des Christentums als eine Geschichte der Gewalt.

Die dargestellten Sachverhalte sind nicht zu leugnen. Aber religiöse Motive waren nicht die einzigen Gründe für Gewalt und Terror. Keinesfalls aber zwingt die dunkle Geschichte die heutigen Kirchen, zu heutigen Gewaltsituationen zu schweigen. Im Gegenteil, dieser Schatten, der über der Geschichte der christlichen Kirche liegt, verpflichtet sie, sich heute kritisch zur Rolle der Religionen in den aktuellen Konflikten zu äußern.

Die Attentäter des 11. September 2001 und ihre mutmaßlichen Drahtzieher, wie auch die Hamasführer, die junge Leute zu Selbstmordattentaten anstiften, sind skrupellose politische Fanatiker, die sich religiöser Rechtfertigung bedienen. Nicht alles, was diese Personen denken, sagen und tun, kann und darf dem Islam zugerechnet werden. Gleichwohl ist der gewaltbereite Islamismus eine extreme Variante der Religion, er liefert den Nährboden für fundamentalistischen und politisch ideologisierten Terrorismus, der extrem gewaltbereit ist.

1998, also drei Jahre vor den Terroranschlägen, äußerte sich Bin Laden in einer Fatwa (2) wie folgt: „... In der gesamten islamischen Geschichte sind die Ulema [die Gesamtheit der islamischen Rechts- und Religionsgelehrten] einstimmig der Ansicht, dass der Heilige Krieg eine persönliche Pflicht ist, wenn der Feind die muslimischen Länder zerstört ...  Auf dieser Grundlage und gemäß Gottes Gebot erlassen wir die folgende Fatwa an alle Muslime: Der Beschluss, die Amerikaner und ihre Verbündeten - Zivilisten und Militär - zu töten, ist eine persönliche Pflicht für einen jeden Muslim, und er kann sie in jedem Land, wo dies möglich ist, erfüllen, um die Al-Aksa-Moschee [in Jerusalem]  und die Heilige Moschee [in Mekka] aus ihrem Griff zu befreien und damit sich ihre Armeen - geschlagen und außer Stande, noch irgendwelche Muslime zu bedrohen - aus allen islamischen Ländern entfernen. Dies steht im Einklang mit den Worten des Allmächtigen Gottes ..." (3)

Was ist, was will und wozu führt solcher religiöser Fundamentalismus? Ich beschränke mich hier auf den religiös motivierten Fundamentalismus, suche also keine allumfassende Definition, die etwa auch auf weltanschaulich-politische Fundamentalismen aller Art zutreffen könnte. So viel dürfte über das Wesen des gewaltbereiten religiösen Fundamentalismus deutlich sein:

  • (1) Er stellt eine Art von Flucht in die Sicherheit und Geschlossenheit selbsterkorener absoluter Fundamente dar.
     
  • (2) Er schirmt sich ab gegen alle Arten von Infragestellung durch Aufklärung, Vernunft und Rationalität.
     
  • (3) Er lehnt entschieden jeden Pluralismus der Auffassungen, Urteile, Sitten und Werte ab, der jedenfalls für die modernen demokratischen Gesellschaften kennzeichnend ist.
     
  • (4) Friedensethisch beinhaltet er darüber hinaus die These, Krieg dürfe oder solle nach Gottes Willen sein. Unter Umständen müsse er sogar, um Gottes Willen, geführt werden. Ein solcher Krieg heißt dann „heilig“ oder zumindest „gerecht“.

Es gab gewaltbereiten Fundamentalismus nicht bloß vor tausend Jahren, als ein christlichen Papst zu den Kreuzzügen aufrief, es gibt ihn auch heute noch, und eben nicht nur im islamischen Raum. Religiös motivierte Gewalt ist kein Monopol des Islamismus. Es gibt sie beispielsweise auch unter Juden, auch unter Hindus und auch unter Christen.

Der Attentäter, der 1995 den damaligen israelischen Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Yitzchak Rabin ermordete, erklärte, Gott selbst habe ihm den Auftrag zur Tat gegeben. In Indien gibt es einen sog. "Hindu-Faschismus", der den Subkontinent von allen christlichen und islamischen Einflüssen säubern möchte.

Heiner Geißler hat kürzlich von gewaltbereiten amerikanischen Abtreibungsgegnern berichtet und diese als "christliche Ayatollahs" bezeichnet. Diesem gewaltbereiten religiösen Fundamentalismus, der sich in den verschiedenen Religionen äußert, gilt meine Sorge.

Auch wenn man christlichen Fundamentalisten Terroranschläge wie die in New York, Bali oder Djakarta nicht zutraut, sie eint mit den islamistischen Fundamentalisten die Überzeugung, dass das säkulare Gemeinwesen westlicher Prägung ohne Wertegrundlage sei, dass freiheitliches Denken zur Verwüstung des Geistes führe und die Gesellschaft zur Heiligung ihrer Schäden dringend wieder auf eine sakrale Grundlage gestellt werden müsse.


Die Brisanz solcher Metaphern wie die von der „Achse des Bösen“ oder dem „Reich des Bösen“ liegt darin, dass damit auf apokalyptische Vorstellungen vom Kampf des Bösen gegen das Gute bzw. die Guten angespielt wird. Biblische Geschichten und Bilder werden im Verhältnis eins zu eins auf die Gegenwart übertragen.

So findet sich etwa im Buch des Propheten Jeremia in den Kapiteln 47-49 die Beschreibung einer „Achse des Bösen“ in der Auflistung Israel feindlicher Völker und Städte: die Philister, die Moabiter, Ammoniter, Edamiter, Damaskus, Kedar, Elam, auch von den Großmächten Babylon und Ägypten ist die Rede, die das damalige Israel bedrohen.

Mit der Verwendung solcher Bilder wird suggeriert, man könne die Autorität der Bibel in ihrer scheinbar zeitlosen Gültigkeit für den eigenen sicherheitspolitischen Standpunkt in Anspruch nehmen.

Vor diesem Hintergrund sind meine Äußerungen vor Beginn des Irakkrieges zu verstehen, mit denen ich religiöse Metaphorik missbillige, die der Rechtfertigung und Legitimierung von Gewalt dienen. Und daran halte ich auch weiterhin fest. Es war gewiss missverständlich, im Blick auf die Rede des amerikanischen Präsidenten zur Lage der Nation von „Fundamentalismus“ zu sprechen, weil damit all jene sich beleidigt fühlen, die ihre Arbeit mit täglichem Gebet beginnen und im festen Glauben an ihre geistliche Wiedergeburt stehen. Ein Begriff wie „Fundamentalismus“ ist für sich genommen jedenfalls, zu einer sachlichen Diskussion ungeeignet.

Aber angesichts oben Gesagten habe ich meinerseits Schwierigkeit mit der verbreiteten US-amerikanischen Rhetorik, aus deren kritisch-aufmerksamer Lektüre der Soziologe Robert N. Bellah 1967 den Begriff der „civil religion“ abgeleitet hat. Ich halte es für beunruhigend, wenn George W. Bush es als einen „gottgegebenen Auftragder USA bezeichnet, sich „zu verteidigen und die Welt zum Frieden zu führen“ (so zitiert u.a. in epd ZA Nr. 29 vom 11.02.03). Sicher ist es legitim, wenn ein Staat sich selbst verteidigen will, der Artikel 51 der UN-Charta (4) hält dies ja ausdrücklich fest. Bei meiner USA Reise im Frühjahr  ist mir immer wieder begegnet, dass sich das Land als im Krieg befindlich erlebt, im Krieg gegen den Terrorismus. Die Identifizierung des Saddam-Regimes als Hort des Terrorismus, entsprechend dem afghanischen Taliban-Regime, diente als Rechtfertigung für die Position von Präsident Bush. Doch alle Zweifel daran werden überdeckt von dem geradezu missionarischen Anspruch, diesen Teil der Welt zu demokratisieren. Gewiss sind Freiheit und Demokratie an sich ein ehrenwerte Ziele. Aber dieses Ziel ist gewaltsam, mit dem Einsatz militärischer Mittel zu erzwingen, ist nicht zu rechtfertigen. Darin einen "gottgegebenen Auftrag" zu erblicken, kann ich nicht nachvollziehen.

II.

Indem ich diese Perspektive aufzeige, konzediere ich der Kritik an der Religion allgemein ein gewisses Recht – insoweit nämlich als es religiöse Einstellungen gibt, die sich gegen andere völlig isolieren, also zum Dialog nicht bereit sind. Zu dem wirkt sich der religiöse Faktor bei politischen Konflikten in verhängnisvoller Weise überall dort aus, wo politische Ansprüche religiös begründet werden. Soweit im Konflikt um Jerusalem und um Israel bzw. Palästina territoriale Ansprüche und ihre Bestreitung religiös untermauert werden, bleibt kaum Raum für pragmatischen Ausgleich und vernünftigen Kompromiss, vor allem, wenn eine Seite mit der Ideologie des Heiligen Krieges die Mordtaten begründet und die Selbstmordattentäter zu Märtyrern stilisiert.

In den Konflikten des 16. und 17. Jahrhundert in Europa war es zunächst nicht viel mehr als ein Wunsch, Politik und die Durchsetzung religiöser Ansprüche zu entkoppeln und zu einem aufgeklärten Verhältnis von Religion und Politik zu gelangen. Die gemeinsam durchlebten Schreckenszeiten haben damals die Bereitschaft hervorgebracht, neue Wege einzuschlagen.

Der Beginn eines solchen Weges war der Friede von Münster und Osnabrück von 1648, der den 30jährigen Krieg beendete. Nach langen und zähen Verhandlungen wurde am 24. Oktober 1648 Frieden geschlossen auf einer pragmatischen und rationalen Grundlage. Die drei Konfessionen Römisch-Katholische, Lutheraner und Reformierte brauchten ihre Wahrheitsansprüche nicht aufzugeben, wohl aber mussten sie auf die Durchsetzung eines Wahrheitsmonopols verzichten und sich zur gegenseitigen gewaltfreien Duldung verpflichten. Auf dieser Basis konnte das Zusammenleben von Menschen und Völkern neu geordnet werden. Ein Sicherheitssystem wurde eingeführt, das die Koexistenz der Konfessionen ermöglichte, obwohl sie immer noch prinzipiell die Legitimität der Lehre der jeweils anderen Konfession bestritten.

Diese Rechtsordnung von 1648 war bis auf weiteres hilfreich, aber sie war nicht so stark, dass sie Europa und die Welt vor weiteren schrecklichen Kriegen bewahrt hätte. Das zeigt, wie eben auch nach Überwindung der religiösen Begründung für Gewalt und Krieg andere Furien hervorbrechen, deren schreckliche Folgen erst nach zerstörerischen Kriegen allgemein erkannt werden: nationalstaatlicher Egoismus, rassistische und nationalistische Überheblichkeit.

Andere Interessen kommen noch hinzu: Heute vor allem die Gier nach Herrschaft über Ölquellen und andere Bodenschätze, die Sicherung von Abnehmerschaft für Waffen zur Steigerung der eigenen Wirtschaft.

Die Unterschiede zwischen christlichen Konfessionen jedenfalls sind kein Grund mehr für Inquisition, Mord und Krieg. Trotz weiter bestehender Spannungen zwischen den Konfessionen an einigen Orten gibt es heute erfreuliche Bewegungen und Strukturen ökumenischer Zusammenarbeit. Die Auseinandersetzungen zwischen Römisch-Katholischen und Protestanten in Nordirland oder die zwischen serbischen Orthodoxen und Römisch-Katholischen auf dem Balkan haben historische, politische, kulturelle und soziale Ursache, aber nur zum geringen Teil religiöse und theologische.

III.

Es ist uns gelungen, zu einem weitgehend konfliktarmen Miteinander der christlichen Konfession zu kommen. Im Hinblick auf das Zusammenleben mit anderen Religionen liegen viele Schritte zu einer wechselseitigen "Entfeindung", um einen Begriff des jüdischen Theologen und Religionswissenschaftlers Pinchas Lapide aufzugreifen, noch vor uns.

Ein Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung in allen demokratischen und säkularen Staaten ist die Religionsfreiheit. Sie ist nicht nur Recht des Individuums auf eigenen Glauben, sondern auch die Freiheit, Religion gemeinschaftlich ausüben zu können. Die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft selbst sind in die Garantie der Religionsfreiheit aufgenommen. die Verfassung und die Rechtsprechung in Deutschland hat dieses in klarer und unmissverständlicher Weise herausgestellt. Dies hat auch Auswirkungen auf das Verhältnis der religiösen Gruppen und Verbände untereinander und zum Staat.

Auch wenn das heutige deutsche Staatskirchenrecht mit seinen Grundprinzipien der Religionsfreiheit, der Trennung von Staat und Kirche, des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften, der Säkularität und Neutralität des Staates, der Gleichstellung aller Religionen im pluralistischen System das Ergebnis eines langen Prozesses der Säkularisierung ist, so ist unverkennbar, dass das Verhältnis von Staat und Religion im Sinne eines geordneten Gegenübers von weltlichem Gemeinwesen und rechtlich selbständigen Religionsverbänden eine Besonderheit der westlichen Zivilisation ist, an dessen Ausprägung das Christentum prägend beteiligt war.

Unsere Verfassung ist die Instanz, die Religionsfreiheit und Religionsfrieden gewährleistet. Sie darf deshalb nicht unter Berufung auf Religionsfreiheit und Diskriminierungsverbote ausgehöhlt werden. Vielmehr ist der Staat zu einem genaueren Hinsehen verpflichtet, wenn es darum geht, den ihm aufgegebenen Schutz von Verfassungsrechtsgütern gegen exzessive Ausübung von Religionsfreiheit wahrzunehmen. Eine wichtige Möglichkeit staatlichen Handelns ist die des Verbots solcher Religionsgemeinschaften, die gegen die Verfassung verstoßen oder sie zerstören wollen. Diese Option ist nicht erst seit der Streichung des sogenannten "Religionsprivilegs" aus den Verbotsregelungen im Vereinsgesetz gegeben.

Nicht nur der Staat, auch die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften selbst müssen auf diese gesellschaftlichen Entwicklungen reagieren. Das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft, ja das Funktionieren der staatlichen Ordnung insgesamt, ist abhängig von der Friedensfähigkeit der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften untereinander.

IV.

"Selig sind, die Frieden stiften ..."  diesem Satz der Bergpredigt gebührt eine herausragende Bedeutung in der Friedensethik der christlichen Kirche.

Die christliche Theologie hat es gelernt, die Heilige Schrift von ihrer Mitte her zu verstehen, von der Liebe Gottes in Jesus Christus. Passion, Kreuz und Auferstehung als Zentrum des christlichen Glaubens machen gerade sensibel für die Erfahrungen von Leid und Tod. Auch mit Hilfe von Impulsen der Aufklärung hat die christliche Theologie einen kritischen Umgang mit solchen biblischen Geschichten gewonnen, die von zeitgebundener Gewaltdarstellung geprägt sind.

Auf der anderen Seite ist dieser Satz der Bergpredigt auch kein Ausweis für einen radikalen Pazifismus. Dietrich Bonhoeffer hat durch die Begegnung mit der Bergpredigt den Weg des Friedens und der Gerechtigkeit noch deutlicher als den gebotenen Christenweg erkannt. Gewaltlosigkeit hat ihn fasziniert, aber angesichts der Nazigewalt hat Bonhoeffer neue Konsequenzen gezogen. Dem Tyrannen in den Arm fallen, darin schuldig werden, wohl wissend, dass Zuschauen um des Prinzips der Gewaltlosigkeit willen ebenfalls Schuld bedeutet hätte.

In dieser Spannung formuliert die evangelische Kirche heute folgende friedensethische Leitsätze:

  • „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ (Amsterdam, 1948), und
     
  • „Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern ist das Gebot, dem jede politische Verantwortung zu folgen hat. Diesem Friedensgebot sind alle politischen Aufgaben zugeordnet. In der Zielrichtung christlicher Ethik liegt nur der Frieden, nicht der Krieg“ (5), und
     
  • „Der Leitbegriff des gerechten Friedens dient ... als Wegweiser für alle künftigen Schritte auf dem Weg des Friedens“(6).

Diese Aussagen finden sich auch bei anderen Kirchen. In ökumenischer Übereinstimmung mit unseren römisch-katholischen Geschwistern und vielen anderen Christen und Christinnen sagen wir: Die christliche Kirche strebt nach einem gerechten Frieden, also nach einem Frieden, der mit Recht und Gerechtigkeit untrennbar verbunden ist. Die christlichen Kirchen bekennen sich dazu, dass Kriege weder heilig noch gerecht sein können. Kriege waren, sind und bleiben schrecklich, gnadenlos und grausam. Sie verstricken die Kriegführenden unentrinnbar in Schuld. Sie sind kein beliebig handhabbares Mittel der Politik wie andere. Wenn überhaupt, kommen sie nur als „ultima ratio“ in Frage, also als eine äußerste denkbare Möglichkeit, als ein Grenzfall der Politik, der immer schon ihr Scheitern markiert.

Eine solche ultima ratio kann nur in Fällen hingenommen werden, in denen entweder staatliche Selbstverteidigung oder aber Nothilfe dringend geboten sind. Die Charta der Vereinten Nationen hat diese beiden eng umrissenen Fälle in ihrem Kapitel VII geregelt. (7)

Die EKD ist sich mit der großen Mehrheit anderer christlichen Kirchen heute an einem zentralen Punkt einig: Eine religiöse, jedenfalls eine christliche Legitimation für Kriege gibt es nicht. Dabei existieren im Raum der EKD durchaus verschiedene Auffassungen darüber, wie der Friede begründet und gewonnen werden kann. Radikale Pazifisten und Pazifistinnen, die jede Form von Gewaltanwendung unter allen nur denkbaren Umständen ablehnen, haben ebenso ihre Heimat in der evangelischen Kirche wie Anhänger der Lehre vom gerechten Frieden, die die Anwendung militärischer Gewalt als ultima ratio nicht ausschließt.

V.

Wir haben in unserem Land keine Alternative zum Aufbau einer Kultur des Zusammenlebens und des Dialoges. Es ist keine Frage, dass die Gestaltung eines Zusammenleben unabdingbar und ohne Alternativen ist.  Wir benutzen für die theologische Dimension des religiösen Zusammenlebens und Austausches gerne den Begriff der "Konvivenz".  Die Frage ist, wie dieses Zusammenleben konkret zu gestalten ist und wie ein Dialog geführt werden kann. Die Achtung vor dem Glauben anderer erfordert die Bereitschaft, deren Glauben kennen zu lernen. Trotz der Anstrengungen auch der Kirchen in den zurückliegenden Jahrzehnten, über die in Deutschland anwesenden anderen Religionen zu informieren, bezweifle ich, dass es in der Bevölkerung ausreichende Kenntnis gibt, die dazu befähigen, sowohl bei dem anderen Gemeinsamkeiten zu erkennen als auch Fremdartiges und für uns Unverständliches zu verstehen und zu akzeptieren. Ich bezweifle ebenfalls, dass Muslime in Deutschland ausreichend Informationen über den christlichen Glauben haben, um ihrerseits auch Missverständnisse zu vermeiden und wichtige Grundüberzeugungen zu verstehen.

Ein Zusammenleben, das mehr als ein nebeneinander Leben ist, hat einerseits zur Voraussetzung, dass die Religionen sich ernst nehmen und ihre Wahrheitsansprüche keineswegs aufgeben, dass sie aber andererseits den Anderen respektieren und grundsätzliche für einen Dialog offen sind. Denn dies sind die unabdingbaren Voraussetzungen innerhalb eines säkularen Staates, dessen Rechtsordnung die Pluralität schützt.

Deshalb müssen im Gespräch mit dem Islam diese Grundsätze unserer Verfassung zur Sprache kommen. Hier wünsche ich mir neben dem unumgänglichen gegenseitigen Respekt größere Deutlichkeit in der Sache. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. hat im Februar 2002 der Öffentlichkeit eine "Islamische Charta" vorlegt, die sich als eine Grundsatzerklärung zur Beziehung der Muslime zu Staat und Gesellschaft in Deutschland versteht. Darin wird auch das Verhältnis von Muslimen zu Gesellschaft und Staat in Deutschland angesprochen und in These 11 eine Zustimmung zu den Grundsätzen der deutschen Verfassung bekundet. Dennoch gibt es in der Charta einige Formulierungen, die Vorbehalte gegenüber der Rechtstreue zum Ausdruck bringen. Das Kirchenamt der EKD hat in einer Stellungnahme zu der Charta darauf hingewiesen, dass hier Klärungen dringend notwendig sind, um Zweifel und Befürchtungen in der Bevölkerung auszuräumen.
In diesen Rahmen gehört auch die Bewertung von Menschenrechtsverletzungen, Verfolgungen und Benachteiligungen christlicher und anderer religiöser Minderheiten in islamisch geprägten Ländern. Nur wenn hierüber offen gesprochen werden kann, besteht überhaupt Hoffnung, dass sich eines Tages auch die islamischen Gesellschaften und Staaten selbst wandeln, eine menschenwürdige Rechtspraxis einführen und sich dahingehend reformieren, dass sie Religionsfreiheit für andere Glaubensrichtungen gewährleisten, die mehr ist als bloß pragmatische Duldung. Das Kirchenamt der EKD hat vor wenigen Wochen eine Arbeitshilfe zur Situation von Christen in Ländern mit eingeschränkter Religionsfreiheit herausgegeben, um die Bedeutung dieses Problems zu unterstreichen und stärker ins öffentliche Bewusstsein zu heben . Wo immer möglich ist diese Frage ein Thema in Gesprächen mit Vertretern aus den entsprechenden Ländern.

Religion hat mit der Beziehung des Menschen zu Gott zu tun. Sie bietet die Chance tiefer Einsicht und klarer Orientierung. Aber Religion ist nicht selbst etwas Göttliches, sondern etwas durch und durch Menschliches. Sie trägt darum auch die Kennzeichen des Bösen, das manchmal gerade unter der Verkleidung der erhabensten und edelsten Lebensäußerungen daherkommt. Religion kann sich – so gut wie jede andere Äußerung der menschlichen Kultur – vermischen mit Irrtum und Überheblichkeit. Darum ist der kritische und der selbstkritische Umgang mit Religion eine unaufgebbare Forderung. Aber gerade weil religiöse Motive in so viele Konflikte hineinverwoben sind, machen es sich manche allzu einfach und reduzieren das Bündel der jeweiligen Konfliktursachen auf das religiöse Motiv.

VI.

Allerdings sollte man die Religion auch nicht vorschnell entlasten, indem alle politischen Konflikte nur auf soziale Ursachen zurückgeführt werden. Der Brudermord des Kain an Abel am Anfang unserer erzählten Geschichte geschieht ohne Wohlstands- oder Elendsgründe. Offenbar sind Bosheiten im Menschen tief verankert, dass ihre Abgründe nicht zu ermessen sind. Wer alle Konflikte auf soziale Ursachen reduziert, würde diejenige Religionskritik bestätigen, die Religion lediglich als eine Maske menschlicher Wünsche oder eine Kompensation gesellschaftlicher Leiden erklärt.

Im Umgang mit der Rolle der Religionen in den aktuellen Konflikten kommt es aus der Sicht der evangelischen Kirche und Theologie darauf an, die in der biblischen und theologischen Tradition enthaltenen religionskritischen Züge zu bewahren. Der biblisch inspirierte Gottesglaube hat immer die Zweideutigkeiten der Religion aufgedeckt, schon im Alten und Neuen Testament selbst gibt es anschauliche Beispiele dafür, dass Religion unterdrücken und befreien, zerstören und heilen kann. Die prophetische Kultkritik („Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!“ vgl. Jesaja 1, 11 ff, Matth 9, 13), die von Jesus betonte Unterordnung der Religionsgesetze unter ihrem humanen Zweck („der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht“, Markus 2, 27), die urchristliche Deutung des Gekreuzigten als Selbsthingabe Gottes und als endgültige Aufhebung des sakralen Opfermechanismus – dies sind nur einige zentrale Motive biblischer „Gegen-Religion“, die zum christlichen Selbstverständnis gehören.

Die neuzeitliche Religionskritik befindet sich auch dort im Irrtum, wo sie glaubt, es seien Verhältnisse herstellbar, in denen es der Religion als Kultur des Verhaltens zum Transzendenten, zum Unverfügbaren nicht mehr bedarf. Im Irrtum befindet sie sich vor allem darin, dass sie die Gefahr nicht sieht, wie in das Vakuum einer Gottesverdrängung andere „Götter“ einströmen, die zur Anbetung mit Habgier und Egoismus, mit Kälte und Gleichgültigkeit, mit Selbstherrlichkeit und Größenwahn locken.

In der gegenwärtigen kulturellen Landschaft zeichnen sich bei der Debatte über Religion zwei völlig gegensätzliche Tendenzen ab: einerseits eine verschärfte Erneuerung radikaler Religionskritik und andererseits eine neue Sensibilität für die positive Bedeutung der religiösen Dimension. Religionen und Religionsgemeinschaften können eben auch ein wichtiges Potential zur Wahrung und Wiederherstellung des Friedens entfalten. Versöhnungskräfte entstammen auch den religiösen Ressourcen der Menschheit. Die Kirchen in Europa haben nach dem Zweiten Weltkrieg und während der Teilung Europas einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung und zur Überbrückung politischer und ideologischer Gräben geleistet und leisten auch weiterhin in vielen Krisenregionen einen wichtigen Beitrag zu einer Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit. Auch der interreligiöse Dialog ist in der Lage, sich des Themas religiöser Legitimierung von Gewalt anzunehmen und gegenzusteuern. Ich will es noch zugespitzter formulieren: In der gegenwärtigen Weltlage ist es eine der zentralen Aufgaben der Religionen, gemeinsam für den Frieden und Gerechtigkeit zu werben und Versöhnung, Dialog und Zusammenarbeit gegen alle Formen von Hass und Unfrieden zu setzen.

Dafür gibt es eine Reihe hoffnungsvoller Ansätze - wie etwa die im Jahre 2002 auf Initiative der Anglikanischen Kirche in Alexandria von Vertretern aller drei monotheistischen Religionen verabschiedete Erklärung zur Absage einer religiösen Begründung von Krieg und Terror und jüngst eine vielbeachtete Weltfriedenskonferenz der Gemeinschaft St. Egidio in Aachen und eine Reihe weiterer erfreulicher Bestrebungen, die die Friedenspotenziale der Religionen unterstreichen. Aber bis zu einer wechselseitigen Toleranz oder gar einer gegenseitigen Anerkennung auf der Ebene der Weltreligionen ist es noch ein weiter Weg, auf dem man immer wieder mit Rückschlägen rechnen muss.

Die vielen Faktoren, die auf gewaltsame Konfliktaustragung Einfluss haben, sind weder durch militärische Mittel letztlich auszuschalten, noch können wirtschaftliche, politische Entscheidungen allein die Lösung darstellen. Betroffene Menschen müssen immer wieder ermutigt werden, um friedliches Zusammenleben zu lernen. Kirchen und Menschenrechtsorganisationen mit ihren zivilen Friedensdiensten haben wie auch die internationale Diplomatie, vielfältige Zugänge, um solche Lernprozesse zu fördern.

Gustav Seibt hat in seiner Besprechung des Jerusalem-Buches, an die ich eingangs angeknüpft habe, an die Stimme jenes chinesischen UN-Delegierten erinnert, der 1947 anregte, man möge die heiligen Stätten Jerusalems „einem philosophischen Atheisten mit Menschenfreundlichkeit“ unterstellen. Nur – wo kommt Menschenfreundlichkeit her? Von welchen Wurzeln nährt sie sich? Von welchen Quellen wird sie gespeist? Mir liegt es fern, den religiösen Wurzeln und Quellen einen Alleinvertretungsanspruch bei der Hervorbringung und Förderung von Menschenfreundlichkeit, Friedfertigkeit oder Versöhnungswillen zuzuerkennen. Aber eines wird man sagen müssen: Es gibt in der Kultur der Menschheit nicht unendlich viele Ressourcen, die sich als fähig gezeigt haben, diese Tugenden hervorzubringen und kräftig zu erhalten. Der Ruf in die Nachfolge Jesu gehört auf jeden Fall dazu; Die Sätze der Bergpredigt spiegeln eine geistige Kraft, die diese Welt verwandeln kann. Menschen, die sich dieser Botschaft verpflichtet fühlen und für Toleranz und Dialog, für Frieden und Gerechtigkeit eintreten, sind nach wie vor unverzichtbar und heilsam, für unsere Gesellschaft und für diese Welt.

Martin Luther hat den Satz aus der Bergpredigt, das unser Thema bezeichnet, so übersetzt: "Selig sind die Friedfertigen ..."

Friedfertige Menschen sind wohltuend unter uns. Menschen, die Gelassenheit ausstrahlen, die nicht nur keinen Streit vom Zaum brechen, die versöhnende Worte finden. Menschen, die nachgeben können und damit Streit vermeiden.

Bewundernswert ist darüber hinaus, wenn sie bereit sind, eher zu leiden als Gewalt anzuwenden. Oft werden solche Menschen verkannt und ausgenutzt. Aber die Welt wäre schlimmer, wenn es sie nicht gäbe.

Trotzdem ist nicht zu verkennen: in diesem Sinne friedfertig sein, kann auch gefährlich werden. Wer nur für sich bleibt, nur friedlich da sitzt, egal wie es um ihn herum zugeht, der braucht nicht selber zu zündeln, er hilft aber den Flammen, sich auszubreiten.

Friedfertig, der Sinn des Wortes hat sich in unserem Sprachgebrauch inzwischen geändert. Das Wort wirkt heute gelassen, zurückhaltend und nachgiebig und duldend. Diese Bedeutung hat das Wort nicht immer gehabt. Bei Luther noch hatte es einen anderen Sinn. So wie ein Handwerker etwas herstellt, so soll Frieden gefertigt werden. Die etwas tun, die sollen Gottes Söhne und Töchter sein.

Die biblische Botschaft vom Frieden und von der Gerechtigkeit ist Gottes Antwort auf die Welt des Terrors und des Krieges und der Ungerechtigkeit. Gottes Volk, seine Gemeinde, ist Resonanzkörper der Botschaft vom Frieden und vom Heil, weil sie auf den Sohn hört. Sie stimmt nicht ein in die Sprache der Resignation und der Verzweiflung, sie stimmt auch nicht ein in die Sprache der Rache und des Kampfes. Gerade wo übermächtiges Böse fassungslos macht oder wütend und zum Hass und zur Vergeltung verführen will, erinnert Jesu Botschaft an Recht und Frieden. Das ist die Stimme, sie sollen wir hören.

Fussnoten:

(1) So heißt es im Stuttgarter Schuldbekenntnis vom Oktober 1945.

(2) Eine sog. „Fatwa“, die einzelne Vertreter des Islam aussprechen (Ayatollah Khomeini, Osama bin Laden), ist kein Dogma oder unbezweifelbares Gebot, sondern ein zur Diskussion gestelltes Rechtsgutachten. Die Muslime müssen selbst entscheiden, ob sie dem Gutachten folgen wollen oder nicht. Zwingen kann sie jedenfalls niemand.

(3) Auszug aus "Heiliger Krieg gegen Juden und Kreuzfahrer" - Erklärung der weltweiten Islamischen Front vom 23.2.1998 zitiert in: Chornik aktuell. Der 11. September 2001 Gütersloh/München 2001, S. 118

(4) Artikel 51 der UN-Charta im Wortlaut: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“

(5) EKD-Denkschrift „Frieden wahren, fördern und erneuern“, 1981

(6) „Friedensethik in der Bewährung“, 2001

(7) Hier die wichtigsten Passagen aus Kapitel VII: “Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen

Artikel 39
Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.
Artikel 41
Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche Maßnahmen - unter Ausschluß von Waffengewalt - zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen; er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen.
Artikel 42
Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, daß die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See- oder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen.“

 



Hinweis für die journalistischen Leserinnen und Leser der Vorabversion des Vortrags: Die eingerückten und kleingedruckten Passagen gehören zum Ganzen des Vortrags. Ob sie jedoch im mündlichen Vortrag erwähnt oder erst in der anschließenden Diskussion vom Ratsvorsitzenden zur Sprache gebracht werden können, hängt u.a. von den örtlichen Rahmenbedingungen der Veranstaltung ab.