"Gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden - 40 Jahre entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen"

Grußwort des EKD-Ratsvorsitzenden, Präses Manfred Kock

Kunst- und Ausstellungshalle Bonn

Es gilt das gesprochene Wort.

und Verleihung des BMZ-Medienpreises Entwicklungspolitik 2002


Verehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Frau Ministerin, verehrter Herr Kardinal, lieber Bruder Lehmann, Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,

Geburtsgeschichten beginnen bekanntlich vor der Geburt. Die Geburtsgeschichte der kirchlichen Zentralstellen für Entwicklungshilfe nimmt ihren Anfang im Herbst 1960, als der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer den Kirchen das Angebot machte, die gerade gegründeten Entwicklungsdienste der Kirchen, MISEREOR und BROT FÜR DIE WELT, aus staatlichen Mitteln zu unterstützen.

Doch mitten in dieser Anfangsphase von BROT FÜR DIE WELT entflammte durch das Angebot Adenauers eine scharfe Kontroverse. “Hier gibt es nur ein klares Nein!”, so beschrieben insbesondere die Vertreter der Missionsgesellschaften ihre Haltung. Die Gründerväter - und Mütter befürchteten, der damit verbundene Einfluss des Staates würde „zur Verfälschung des evangelischen Auftrags führen“ und zu einem Wiederaufleben unheilvoller Verknüpfungen von Mission und Kolonialismus. Und: Zu oft war die staatlich-wirtschaftliche Entwicklungshilfe als wichtigste anti-kommunistische Waffe beschrieben und gepriesen worden. „Es muss der Kirche alles daran liegen, in dieser Weise nicht als Bundesgenosse angesehen werden zu können,” schrieb der Generalsekretär des Ökumenischen Rates, Visser’t Hooft an die EKD.

Abgesehen von dem befürchteten Einfluss des Staates auf genuin kirchliche Belange fürchteten die Verantwortlichen von BROT FÜR DIE WELT auch um die Motivation der Spenderinnen und Spender. Erhebliche staatliche Zuschüsse würden die Spendenbereitschaft reduzieren. Immerhin waren je 50 Mio. DM für die evangelische und die römisch-katholische Kirche angeboten worden und das bei einem Spendenaufkommen der beiden ersten BROT FÜR DIE WELT-Aktionen 1959 und 1960 von je ca. 20 Mio. DM.

Am 17. Mai 1961 beschloss denn auch der Rat der EKD, dass die Evangelische Kirche keine Gelder aus der staatlichen Entwicklungshilfe annehmen werde. Die Evangelische Kirche hat damit 1961 einen anderen Weg eingeschlagen als die römisch-katholische, die damals keine Probleme darin sah, durch ihr Hilfswerk Misereor auch staatliche Fördermittel für Entwicklungshilfe bearbeiten zu lassen.

Auf evangelischer Seite wurde aber eine “Kommission für Fragen der Entwicklungshilfe” vom Rat der EKD einberufen, mit dem Auftrag, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um in „positiver Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen die Verantwortung für Entwicklungshilfe gemeinsam zu tragen“. Aus dieser Kommission ging nach langwierigen Verhandlungen die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) hervor - hinreichend unabhängig aus kirchlicher Sicht, um unmittelbarem staatlichem Einfluss entzogen zu sein, hinreichend kirchlich aus staatlicher Sicht, um die angebotenen Mittel in guten Händen zu wissen. Diese Unabhängigkeit bietet den Kirchen die Gewähr, im Interesse der Sache der Benachteiligten und Armen von ihrem „prophetischen Amt“ Gebrauch machen zu können, d.h. in bestimmten Situationen Gesellschaft und Staat an die Grundlagen eines gerechten Miteinanders zu erinnern - so geschehen in der Entschuldungsinitiative beim Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln.

Die EZE wird heute nicht nur von allen evangelischen Kirchen in Deutschland mitgetragen, sondern ist unverzichtbarer Bestandteil des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) geworden, mit dem die evangelischen Kirchen ihr Entwicklungsengagement bündeln und stärken wollen.

40 Jahre erfolgreiche und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche, zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und beiden Zentralstellen, haben die alten Bedenken ausgeräumt. Von dieser Zusammenarbeit haben viele profitiert. In erster Linie wohl die kirchlichen Partner in Übersee und Millionen von armen und benachteiligten Menschen, denen durch sie geholfen wurde. Aber auch für die kirchlichen Entwicklungseinrichtungen und für die staatliche Entwicklungspolitik hat sich die enge Zusammenarbeit bewährt. Beide Seiten haben in der Zusammenarbeit und im kritischen Dialog viel voneinander gelernt. Deshalb möchte ich mich bei allen bedanken, die zu dieser erfolgreichen Zusammenarbeit beigetragen haben:

  • den bisherigen Vorsitzenden und Mitgliedern der EZE,
     
  • den Geschäftsführern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
     
  • den bisherigen Ministern des BMZ, nicht zuletzt Ihnen, Frau Ministerin Wieczorek-Zeul und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich mit großem Engagement für diese Zusammenarbeit eingesetzt und sie stets konstruktiv mitgestaltet haben.

Mein Dank gilt insbesondere auch der katholischen Zentralstelle. Ich möchte mit Nachdruck und mit großem Dank darauf hinweisen, dass EZE und KZE gegenüber dem Staat und der Öffentlichkeit in Sachen Entwicklungspolitik mit einer Stimme sprechen. Dieses Miteinander ist vorbildlich für die ökumenische Zusammenarbeit auch auf anderen Feldern gemeinsamer gesellschaftlicher Verantwortung.

Zur Zeit der Gründung von KZE und EZE gab es die Hoffnung, dass mit entschiedener Entwicklungspolitik eine nachholende Entwicklung für arme Länder eingeleitet werden könne, so dass Entwicklungshilfe spätestens bis zur Jahrtausendwende im Grunde nicht mehr benötigt werde. Sehr viel nüchterner stellen wir heute fest: Wir brauchen jetzt und künftig eine klar konturierte Entwicklungszusammenarbeit und damit auch die Fortsetzung der Zusammenarbeit von Staat und Kirchen. Sie ist im Zeitalter der Globalisierung nötiger denn je.

Meinen Dank für die geleistete Arbeit und die gute Zusammenarbeit verbinde ich darum mit dem Wunsch nach weiterhin gutem Gelingen im Interesse der Menschen in den Ländern des Südens und im Interesse der Zukunft unseres eigenen Landes. Im Erfolg unserer Bemühungen um wirtschaftliche Gerechtigkeit, die vor allem bei denen sichtbar und spürbar werden soll, denen die Entwicklungsarbeit gilt, soll der Segen unseres Gottes spürbar sein, dessen Stärke darin besteht, dass er eine Schwäche für die Schwachen hat.