Grußwort anläßlich der Einweihung der Synagoge in Wuppertal-Barmen

Manfred Kock

Sehr geehrter Herr Staatspräsident,
sehr geehrter Herr Bundespräsident,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrter Herr Bürgermeister Jung,
sehr geehrter Herr Stadtdirektor Dr. Slawig,

sehr geehrter Herr Bürgermeister der Partnerstadt Beer Sheva, Herr Trever,

sehr geehrte Herren vom Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr Spiegel und Herr Friedman,

sehr geehrter Landesrabbiner Brandt,
sehr geehrter Herr Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde, Herr Goldberg,

sehr geehrte Damen und Herren,

im Oktober 2001 hatte ich die Ehre, mit Ihnen, Herr Goldberg, sowie mit Vertretern des Zentralrates der Juden in Deutschland und der Stadt Wuppertal den Grundstein für die neue Bergische Synagoge in Barmen zu legen. Wenn ich nun als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland heute an der festlichen Einweihung dieses wunderschönen, architektonisch beeindruckenden Bet-Hauses teilnehmen darf, dann erfüllen mich zwei Dinge mit Freude und Dankbarkeit:

Zum einen natürlich die Freude über den Synagogen-Neubau an sich, der ein Symbol für blühendes und wachsendes jüdisches Leben in dieser Stadt ist. Dieses Bet-Haus und die Menschen, die in ihm ein und aus gehen, zeigen, dass es dem menschenverachtenden Rassenwahn am Ende doch nicht gelungen ist, die tiefe Verwurzelung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land und speziell hier in Wuppertal zu zerstören. Deshalb freue ich mich, dass mit der Fertigstellung dieses Hauses eine Art „Wuppertaler Doppelklang“ vernehmbar ist: In der Gedenkstätte Alte Synagoge im Stadtteil Elberfeld wird die Erinnerung an früheres jüdisches Leben und an den Holocaust für uns und die nachfolgenden Generationen wachgehalten. Und die neue Bergische Synagoge in Barmen als Ort des Gebetes, des Wortes Gottes und des religiösen jüdischen Lebens weist den Weg in eine – hoffentlich bessere - Zukunft. Eine Zukunft, die die Jüdinnen und Juden in dieser Stadt und dem gesamten Bergischen Land nicht „auf gepackten Koffern“ verbringen wollen.

Zum anderen rühren meine Freude und meine Dankbarkeit auch daher, dass mit der neuen Synagoge in Barmen ganz handgreiflich und sichtbar wird, dass Christen und Juden Nachbarn sind, in ihrem Gotteshaus und als Bürgerinnen und Bürger. Der Gemarker Gemeinde ist die „Synagoge im Kirchengarten“ über die räumliche Dimension hinaus nahe.

Diese Nachbarschaft hat für mich nicht nur eine praktische Bedeutung, sondern auch eine ganz wichtige theologische Dimension. In diesem Zusammenhang möchte ich in dieser Stunde an meinen verstorbenen Vorgänger als Präses der Evangelischen Kirche erinnern.

Peter Beier hat die Wiedererrichtung der Bergischen Synagoge und die Nachbarschaft von Christen und Juden zu seiner Herzensangelegenheit gemacht. Er hat angeregt, der jüdischen Gemeinde das Grundstück an der Gemarker Kirche für den Bau der Synagoge zur Verfügung zu stellen. Die rheinische Kirchenleitung hat diese Anregung aufgegriffen und dafür gesorgt, dass der jüdischen Gemeinde das Grundstück als Grundstock für den Bau geschenkt worden ist.
Lassen Sie mich auf ein bemerkenswertes Ereignis hinweisen, von dem ich gerade erst in dieser Woche erfahren habe. In Hildesheim wurde kürzlich an den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten ottonischen Michaeliskirche vor 50 Jahren erinnert. Dieser Wiederaufbau ist nur dadurch möglich gewesen, dass ein amerikanischer Kaufmann das Geld dafür gespendet hat. Dieser Amerikaner war Jude, er hat als Angehöriger des Opfervolkes im Jahre 1947 - zwei Jahre nach dem Holocaust ! - 1,2 Millionen Mark zum Wiederaufbau der Kirche gegeben.
Die gegenseitigen Gesten sind es, die den Neuanfang ermöglichen, eine Gegenbewegung gegen alle antisemitischen Regungen und Auswüchse, die unser Land immer wieder erschüttern. Die Krankheit Europas, besonders auch Deutschlands, ist der Antisemitismus. Paul Spiegel hat recht, wenn er beklagt, dass bei Ausbrüchen dieser Krankheit immer wieder zunächst die Juden angesprochen werden, obwohl es doch nicht die Sache der Juden ist, gegen diese Infektion zu kämpfen, es ist unser aller Sache.
Darum setzen wir auch heute Zeichen der Zusammengehörigkeit. Wir wollen uns die Gemeinschaft, die wir erreicht haben, nicht zerstören lassen.
Die nachbarschaftliche Nähe der Gebäude macht uns Christen auch auf den Schmerz über fortdauernde Leiden der Juden in unserem Land aufmerksam: Jüdische Einrichtungen können in unserem Land nicht ohne Polizeischutz sein. Nun überträgt sich das zum ersten Mal auch auf eines unserer Kirchengebäude. Wir spüren plötzlich hautnah die Bedrohung, die Polizeipräsenz, Schutzzäune und elektronische Sicherungen nötig macht.
Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Menschen auch anderer Religionen ihren Glauben ungehindert bekennen und sich ohne Furcht vor Gewalt und Hass zu ihren Gottesdiensten versammeln können.

Was Peter Beier wichtig war und was uns als Protestanten im Rheinland von bleibender Bedeutung ist, steht in unserer Kirchenordnung verankert: "Sie - unsere Kirche - bezeugt die Treue Gottes, der an der Erwählung seines Volkes Israel festhält. Mit Israel hofft sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde."

In diesem Sinne ist es ermutigend, dass auch an der Nähe unserer Häuser nun diese Verbindung zwischen uns im Haus Gottes erkennbar wird. Möge uns Gottes guter Geist leiten, als gute Nachbarn sein Haus in der Welt mit Leben zu füllen – zum Segen für Stadt und Land.